Predigt von Propst i.R. Karl-Günther Petters
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<strong>Predigt</strong> <strong>von</strong> <strong>Propst</strong> i.R. <strong>Karl</strong>-Günther <strong>Petters</strong><br />
<strong>Predigt</strong> am Sonnatg Quasimodogeniti<br />
8. April 2013<br />
Die Gnade unseres Herrn Jesu Christi, die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes<br />
seien mit uns allen. Amen.<br />
Liebe Gemeinde, am Schluss des Markusevangeliums lesen wir als <strong>Predigt</strong>text u.a. die folgen kurzen<br />
Berichte (Markus 16, 9 14)<br />
Als aber Jesus auferstanden war früh am ersten Tag der Woche, erschien er zuerst Maria Magdalena.<br />
Von ihr hatte er sieben böse Geister ausgetrieben. Und sie ging hin und verkündete es denen, die mit<br />
ihm gewesen waren und Leid trugen und weinten.<br />
Und als die hörten, dass er lebe und sei ihr erschienen - da glaubten sie es nicht.<br />
Danach offenbarte er sich in anderer Gestalt zweien <strong>von</strong> ihnen unterwegs, als sie über Land gingen<br />
– wir wissen alle: es ging nach Emmaus. Und die gingen auch hin und verkündeten es den andern.<br />
Aber auch denen glaubten sie nicht.<br />
Also gleich am österlichen Anfang unserer Glaubensgeschichte steht Skepsis. Ja mehr noch: Abwehr!<br />
Jedenfalls so, wie man sich in der Markusgemeinde erinnert. Ursprünglich hatte man dort die Jesusgeschichte<br />
sogar mit Karfreitag enden lassen. Osterjubel? Keine Rede da<strong>von</strong>! Und sie glaubten sie es<br />
nicht! Skepsis, Zweifel, Abwehr. Immer wieder gibt es das. Vorbei ist das nicht. In unserer Zeit schon<br />
überhaupt nicht.<br />
Da sind die neunmalklugen Köpfe zuhauf. Sie reden vom biologischen Verfall des Körpers und dass<br />
der Tod alles Leben hinweg nimmt. Und sie begreifen nicht, dass sie damit den Menschen nur als das<br />
vergängliche Geschöpf beschreiben, zu dem Gott uns bestimmt hat. Selbst, wenn unser Leib nach<br />
dem letzten Atemzug zu verfallen beginnt, zeigt das doch nichts anders, als dass unser Geschöpfsein<br />
niemals endet. Und auch dass Gott unser Schöpfer ist, ist dann nicht vorbei. Und wenn wir uns ihm<br />
anvertrauen, dann sollen wir dessen gewiss sein, das er selbst dann noch zu uns steht.<br />
Wir sind wie alles um uns herum vergängliche Wesen.<br />
Oder sie erzählen uns etwas da<strong>von</strong>, dass es doch nur die eine Wirklichkeit gäbe: die in Raum und<br />
Zeit, die die man messen kann und die mit Fakten belegt werden muss. Und deren Gesetze allem anderen<br />
folgen als frommen Geschichten. Und sie begreifen nicht, dass es gerade diese eine Wirklichkeit<br />
ist, der die Botschaft der Frauen vom Grabe und der Männer <strong>von</strong> Emmaus gilt: Gott ist nicht
2<br />
raus aus dem Spiel. Selbst der Tod vermag nicht den Himmel stürzen. Und selbst sein Grauen kann<br />
Gott nicht bezwingen, wie schlimm es auch daher kommen mag.<br />
Und uns kann der Tod nicht das Leben vorschreiben.<br />
II.<br />
Zugegeben, die Osterbotschaft sprengt alles objektive Maß. Sie liegt quer zu allem, was menschlicher<br />
Geist zuwege zu bringen imstand ist. Bald wissen wir alles. Diese Idee ist allmächtig geworden<br />
in unseren Köpfen. Goethe hat uns das schon mit dem Gigantomanen Faust ins Stammbuch geschrieben.<br />
Und dann, liebe Gemeinde, erklingt am Ostermorgen, jedes Jahr, früh, noch im Dunkeln,<br />
wenn das Licht des Tages die Welt um uns herum überhaupt noch nicht erkennbar gemacht hat,<br />
aus den Kirchen, allüberall in der Welt, in mannigfachen Liedern dieses „Christ ist erstanden <strong>von</strong><br />
der Marter alle. Des soll’n wir alle froh sein. Christ will unser Trost sein. Kyrieleis. Und wär’ er nicht<br />
erstanden, so wär’ die Welt vergangen.“<br />
Ja, das ist es. Das will hinein in unsere Köpfe. Es will nichts verdrängen. Der klare Verstand des<br />
menschlichen Geistes ist den Geschöpfen Gottes ebenso mitgegeben wie sein Bauch. Der eine hungert<br />
nach Erkenntnis, der andere nach dem täglichen Brot. Und beide wollen satt werden. Und sie<br />
sollen satt werden. Das ist sehr viel, aber doch nicht das Ganze. Unser Herz will ergriffen sein. Und<br />
unser Sinn braucht Flügel, die hinaustragen hinter all die Horizonte, die unser Leben begrenzen.<br />
Dass zu leben niemals den Charakter des Vergangenen annimmt, das sich aller Zukunft verschließt,<br />
darum geht es. „Und wär’ er nicht erstanden, so wär’ die Welt vergangen.“ Das ist Ostern. Ein Stachel<br />
im Fleisch des kühlen Verstandes. Ein Störfall in der immer selbstgerechter werdenden Geschichte<br />
des menschlichen Geistes. Demut ist angesagt.<br />
Das wirklich an sich herankommen zu lassen, dazu, liebe Gemeinde, bedarf es eines anderen Blickes.<br />
Und es braucht vielleicht auch neue Augen. Wir kennen alle den berühmten Satz des schlauen<br />
Fuchses. Der kleine Prinz macht sich auf, die Welt zu erkunden und sie zu verstehen. Und der Fuchs,<br />
bekanntlich mit allen Wassern gewaschen, gibt ihm einen Merksatz mit auf den Weg. Und der lautet:<br />
„Man sieht nur mit dem Herzen gut.“ Paulus sagt einmal: Gott „erleuchte die Augen Eures Herzens,<br />
dass Ihr erkennen möget, zu welcher Hoffnung Ihr berufen seid.“ Der Wochenspruch und Beginn<br />
unserer Epistel sagt es ähnlich: Wir seien neu geboren zu einer lebendigen Hoffnung durch die<br />
Auferstehung Jesu Christi <strong>von</strong> den Toten. Nun leben wir wie die Neugeborenen, Quasimodogeniti.<br />
III:<br />
Das ist die Osterperspektive: das Leben, das durch Hoffnung bestimmt ist, durch eine Hoffnung, die<br />
weiter reicht als jeder Horizont, den der menschliche Geist jemals zu erfassen gewusst hat. Nicht,<br />
weil wir die Auferstehung Jesu betrachten müssen wie diese oder jene Fakten, <strong>von</strong> denen die<br />
Menschheitsgeschichte voll ist. Nein, weil sie uns zumutet – und wenn die Schweizer sagen: zumuten,<br />
dann meinen sie: zutrauen - also weil die Osterbotschaft beides ist: eine Zumutung für unser<br />
Denken und ein Zutrauen für unser Herz. Sie mutet uns zu gegen alle Logik der Welt dem Wort <strong>von</strong><br />
der Auferstehung Glauben zu schenken. Sie mutet uns das zu, weil sie uns zutraut, dass sich Herz<br />
und Sinn darauf einstellen können.
3<br />
Der Tod Jesu am Kreuz ist Inbegriff der Hingabe Gottes an uns. Das zu begreifen braucht es die Auferstehung<br />
eigentlich nicht. Da hat die Markusgemeinde recht. Mit aller Macht soll das ganze Grauen<br />
der Welt der Liebe Gottes teilhaftig werden. Das sagt uns das Kreuz. Denn Gott ist Liebe, wie es im<br />
Johannesbrief heißt, und wer in der Liebe bleibt, der bleibt in Gott und Gott in ihm. Gott ist Liebe.<br />
Nicht mehr und nicht weniger.<br />
Und was tut der Welt und uns und unserem Nächsten nah und fern mehr gut als eine Liebe, die alles<br />
durchdringt, selbst den Tod. Und sich ihm gegenüber behauptet. Das hat sich der Maria Magdalena<br />
und den Männern <strong>von</strong> Emmaus gezeigt, als Christus selbst Ihnen wieder vor Augen getreten ist. Gott<br />
hat zu ihm gestanden, auch dann noch als das Kreuz seinem Leben auf Erden ein Ende gesetzt hat.<br />
Wir brauchen Ostern. Denn Ostern weckt ein Wissen in uns, dass nichts uns etwas anhaben kann:<br />
der Tod nicht; Verfehlungen und Versagen nicht und was auch immer uns belastet; auch nicht all<br />
unser Glück und aller stolzer Erfolg. Nichts kann uns verbiegen und nichts kann uns verformen,<br />
wenn nur die Liebe Gottes lebendig ist - in uns und untereinander. Nicht allein, dass am Ende die<br />
Tränen getrocknet sein werden, sondern auch, dass Leben unter uns stets wieder einkehren kann<br />
und dass es mit uns nicht hoffnungslos ist – und nicht mit dieser Welt.<br />
Schluss<br />
Zugegeben: viel steht dem entgegen. Auch viel Missbrauch. Das Religiöse ist Ausdruck elementaren<br />
Sehnens nach unverbrüchlichem Leben und deshalb so sehr verletzlich. Bei Jungen und Alten, bei jedem<br />
Einzelnen und unter den Völkern. Und wo diese Sehnsucht in die falschen Hände gerät, dort<br />
gnade uns Gott.<br />
Deshalb setzen wir dem die Osterbotschaft entgegen. Die elementarste Erfüllung menschlichen Sehnens<br />
ist, was uns die Liebe zu geben vermag. Die Liebe, die war vor aller Zeit und die nie enden wird,<br />
auch dann nicht, wenn alles einmal vergangen sein wird. Deshalb ist Maria Magdalena auch nicht<br />
am Grabe geblieben. Und als Jesus den Jüngern <strong>von</strong> Emmaus auf die Haut gerückt war, da brannte<br />
ihr Herz.<br />
So ging es los mit dem Glauben. Und so wird es sein bis ans Ende der Welt. Das Herz muss nicht<br />
brennen. Aber Gott will, dass wir uns für ihn erwärmen und Herz, Sinn und Verstand frei werden lassen,<br />
inmitten des eigenen Lebens ein Auge für die Liebe zu haben, die allen Schaden zu heilen vermag.<br />
Und glaubt mir: dem kann sich am Ende keiner entziehen.<br />
Und der Friede Gottes, welche höher ist als alle Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in<br />
Christus Jesu, unserem Herrn. Amen.