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Partielle molare Zustandsgrößen

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8. Mehrkomponentensysteme<br />

8.1 <strong>Partielle</strong> <strong>molare</strong> Größen<br />

Experiment 1 unter Umgebungsdruck p:<br />

Fügen wir einer Menge Wasser n mit Volumen V (<strong>molare</strong>s Volumen v m =V/n) bei<br />

einer bestimmten Temperatur T eine Menge Δn Wasser gleicher Temperatur mit<br />

einem Volumen ΔV (<strong>molare</strong>s Volumen v m =ΔV/Δn=V/n) hinzu, so vergrößert sich das<br />

Volumen der Wassermenge genau um das Volumen ΔV. Die Temperatur T ändert sich<br />

beim Zusammenschütten nicht.<br />

Es gilt:<br />

8.1-1


Experiment 2 unter Umgebungsdruck p:<br />

Fügen wir einer Menge Wasser n mit Volumen V (<strong>molare</strong>s Volumen v m,w =V/n) bei<br />

einer bestimmten Temperatur T eine Menge Δn Alkohol gleicher Temperatur mit<br />

einem Volumen ΔV (<strong>molare</strong>s Volumen v m,A =ΔV/Δn) hinzu, so ergibt sich ein<br />

Gesamtvolumen V ges das kleiner ist als die Summe der Teilvolumina<br />

V ges < V w + ΔV<br />

Außerdem ändert sich die Temperatur.<br />

Es ergibt sich:<br />

Pech!<br />

Bem.: Mit Index * sollen i. F. die Stoffgrößen reiner Komponenten bezeichnet werden.<br />

8.1-2


Anschauliche Erklärung:<br />

Das negative Exzessvolumen V ex kann man sich dadurch erklären, dass die kleineren<br />

Wassermoleküle Zwischenräume zwischen den größeren Alkoholmolekülen<br />

ausnutzen können. Die Mischung wird so kompakter.<br />

Diese rein geometrische Erklärung ist allerdings nicht vollständig, da auch Kräfte<br />

zwischen den Molekülen Einfluss haben. Eventuelle Abstoßung zwischen den<br />

Molekülen weist in Richtung Volumenvergrößerung.<br />

Verallgemeinerung:<br />

Wir folgern für das Volumen V eines beliebigen Gemisches, dass es nicht nur von der<br />

Temperatur T und dem Druck p, sondern auch von der Zusammensetzung abhängt!<br />

Bei k Komponenten und den Molmengen n 1 , n 2 ,…n k imGemischergibtsichder<br />

funktionale Zusammenhang<br />

8.1-3


Von der Funktion<br />

bilden wir das vollständige Differential<br />

Wenn wir die Mischung bei konstanter Temperatur und konstantem Druck<br />

durchführen, ergibt sich bei Veränderung der Mischung eine Volumenänderung<br />

Wir definieren die partiellen <strong>molare</strong>n Volumen einer Komponente i<br />

8.1-4


Anschauliche Deutung:<br />

Das partielle <strong>molare</strong> Volumen der Komponente i<br />

gibt an, wie sich das Volumen V ändert (→ dV ),<br />

wenn eine infinitesimale Menge der Komponente i<br />

zu einem Gemisch gegebener Zusammensetzung<br />

hinzugefügt wird, während wir dafür sorgen, dass<br />

Temperatur und Druck konstant bleiben.<br />

8.1-5


Bemerkung:<br />

Eine Mischung kann statt durch Angabe der Molzahlen der Komponenten auch durch<br />

die Angabe der Molenbrüche X i vollständig charakterisiert werden.<br />

Wir schreiben deshalb auch statt<br />

üblicherweise für die partielle <strong>molare</strong>n Volumina auch die Funktion<br />

Auf, wobei noch zusätzlich<br />

gilt<br />

8.1-6


Bedeutung der partiellen <strong>molare</strong>n Volumina<br />

Das Volumen V einer Mischung bei bekannter Temperatur T und bekanntem Druck p<br />

kann aus der Kenntnis aller partiellen <strong>molare</strong>n Volumina v i,m der Komponenten der<br />

Mischung durch<br />

oder kurz<br />

berechnet werden.<br />

8.1-7


Um die Gültigkeit von<br />

zu zeigen, wollen wir zwei Mischungen genau gleicher Zusammensetzung<br />

zusammenbringen.<br />

Es gilt dabei folgender Zusammenhang (V ist homogen vom Grade 1):<br />

Wir untersuchen die Variation von λ durch Ableitung der Identität nach λ:<br />

Dies gilt für alle λ, also auch für λ = 1:<br />

8.1-8


Berechnung von Exzessvolumina<br />

Bringen wir zwei verschiedene Reinstoffe oder zwei Mischungen unterschiedlicher<br />

Zusammensetzung bei konstanter Temperatur und konstantem Druck zusammen, so gilt<br />

für das Gesamtvolumen, wenn keine chemischen Reaktionen stattfinden:<br />

mit<br />

Die Abweichung V ex wird Exzessvolumen genannt.<br />

Sie ist mit den partiellen <strong>molare</strong>n Volumina der Mischungen a,b und c gegeben durch:<br />

8.1-9


Ein Exzessvolumen nach Formel<br />

tritt insbesondere dann nicht auf, wenn sich die partiellen <strong>molare</strong>n Volumina nicht von<br />

den <strong>molare</strong>n Volumina der reinen Komponenten unterscheiden:<br />

Reine Komponenten sollen wegen der besseren Lesbarkeit stets durch einen Index *<br />

hervorgehoben werden.<br />

Man kann sich denken, dass dies zum Beispiel für ideale Gase, bei denen die Moleküle<br />

keine Ausdehnung und keine Interaktion untereinander besitzen, der Fall ist.<br />

Die theoretische Bestimmung der partiellen <strong>molare</strong>n Größen realer Gemische ist eine<br />

schwierige Aufgabe. In der Vergangenheit wurden diese im Allg. durch Experimente<br />

ermittelt (siehe nachfolgendes Beispiel).<br />

8.1-10


Beispiel Wasser-Ethanol-Gemisch<br />

Bei Umgebungstemperatur und -druck werden 0,3 Liter Ethanol und 0,7 Liter Wasser<br />

miteinander gemischt. Welches Gesamtvolumen hat die Mischung?<br />

Das Diagramm experimentell ermittelter partieller <strong>molare</strong>r Volumina für das Wasser-Ethanol-<br />

Gemisch sei gegeben.<br />

Lösung:<br />

Wir bestimmen die Molmengen von Wasser<br />

und Ethanol:<br />

8.1-11


Aus dem Diagram werden die partiellen <strong>molare</strong>n Volumina abgelesen.<br />

Um also tatsächlich ein Liter Schnapps<br />

mit 30 Vol % zu erhalten, müsste man eine<br />

größere Menge Alkohol und Wasser<br />

zusammenschütten.<br />

8.1-12


Führt man die Auswertung für viele Mengenverhältnisse durch oder misst man das<br />

Exzessvolumen erhält man folgendes Diagramm.<br />

8.1-13


Es sei speziell darauf hingewiesen, dass das berechnete Exzessvolumen V ex nicht mit<br />

dem Volumen δV der Folie 8.1-2 identisch ist.<br />

Der Vorgang dort wurde zwar bei konstantem Druck aber nicht bei konstanter<br />

Temperatur durchgeführt: keine Wärmebad → Wärmetönung (vergl. Folie 8.1-5)!<br />

Wegen der Wärmetönung bei der Vermischung verschiedener Substanzen muss im<br />

Allgemeinen gekühlt oder erwärmt werden.<br />

Solche Exzessgrößen treten also nicht nicht nur für das Volumen, sondern auch für<br />

energetische und entropische Größen wie innere Energie, Enthalpie und Entropie auf.<br />

Die Wärmetönung ist wegen des konstanten Druckes eine Folge des Exzesses der<br />

Freien Enthalpie.<br />

Analog zum Volumen müssen wir passende partielle <strong>molare</strong> Größen definieren, um<br />

solche Zusammenhänge rechnerisch erfassen zu können.<br />

8.1-14


<strong>Partielle</strong> <strong>molare</strong> <strong>Zustandsgrößen</strong><br />

Bei einem Mehrkomponentengemisch hängen alle <strong>Zustandsgrößen</strong> Z von der<br />

Zusammensetzung des Gemisches ab.<br />

Es gilt also stets<br />

Mit dem vollständiges Differential nach:<br />

Darin ist die partielle <strong>molare</strong> Zustandsgröße definiert durch:<br />

8.1-15


Die Interpretation der partiellen Ableitung<br />

folgt derjenigen der partiellen <strong>molare</strong>n Volumina.<br />

Die partielle Ableitung gibt wieder an, wie sich die<br />

Zustandsgröße des Gemisches bei konstanter Temperatur und konstantem Druck<br />

durch Hinzufügen einer infinitesimalen Menge einer Komponente i ändert.<br />

Ebenso gilt wieder bei konstanter Temperatur und konstantem Druck<br />

und beim Zusammenfügen verschiedener Mischung werden Exzessgrößen<br />

beobachtet:<br />

8.1-16


Beispiel: Die partielle <strong>molare</strong> Freie Enthalpie<br />

Besonders wichtig ist die partielle <strong>molare</strong> Freie Enthalpie G, da deren natürliche<br />

Variablen die thermischen variablen T und p sind, die in Experimenten leicht<br />

kontrolliert werden können oder als Betriebsbedingungen eines Reaktors<br />

vorgegeben werden.<br />

Definition der Freien Enthalpie:<br />

Bei einem Mehrkomponentengemisch hängt die Freie Enthalpie von der<br />

Zusammensetzung des Gemisches ab:<br />

Ihr vollständiges Differential lautet:<br />

8.1-17


Die partielle Ableitung<br />

gibt wieder an, wie sich die Zustandsgröße des<br />

Gemisches bei konstanter Temperatur und konstantem<br />

konstantem Druck durch Hinzufügen einer infinitesimalen Menge einer Komponente i<br />

ändert. Die partielle <strong>molare</strong> Freie Enthalpie wir Chemisches Potential μ i =g i,m genannt.<br />

Ebenso gilt wieder bei konstanter Temperatur und konstantem Druck<br />

und beim Zusammenfügen verschiedener Mischung wird ein Freie Mischungsenthalpie<br />

beobachtet :<br />

8.1-18


Die Freie Mischungsentalpie ΔG M enthält zwei Anteile, nämlich die Mischungsenthalpie<br />

der idealen Mischung, Index id , und<br />

eine Exzessenthalpie als Abweichung zur<br />

idealen Mischung, Index ex :<br />

Erstere ergibt sich aus der Mischungsentropie<br />

der idealen Mischung (siehe Abb.)<br />

Die treibende Kraft für die (ideale) Mischung ist<br />

die Entropiezunahme bei diesem Vorgang.<br />

Reale Mischungen besitzen eine zusätzliche Freie Mischungsenthalpie G ex , die<br />

Exzessenthalpie.<br />

Diese kann negativ, aber auch positiv sein (siehe 8.2, Mischungslücke).<br />

8.1-20


Die allgemeine Definition von Exzessgrößen lautet:<br />

Analog gilt für <strong>molare</strong> Exzessgrößen:<br />

Beispiel <strong>molare</strong>s Exzessvolumen:<br />

Ähnlich verhalten sich <strong>molare</strong> Innere Energie und <strong>molare</strong> Enthalpie:<br />

Wegen der Mischungsentropie idealer Mischungen gilt dagegen<br />

Dies wirkt sich auf <strong>molare</strong> Freie <strong>Zustandsgrößen</strong> wie Freie Energie und Freie Enthalpie<br />

aus:<br />

8.1-21


Bestimmung von partiellen <strong>molare</strong>n Größen<br />

<strong>Partielle</strong> <strong>molare</strong> Größen in einem Gemisch sind nicht unabhängig voneinander.<br />

Ausgangspunkt:<br />

Vergleich der vollständigen Differentiale → Gibbs-Duhem-Gleichung<br />

8.1-22


Unter isothermen und isobaren Bedingungen gilt für die Verknüpfung der partiellen<br />

<strong>molare</strong>n Größen untereinander<br />

bzw. mit den Molenbrüchen X i :<br />

Gemessene Daten lassen sich damit auf ihre thermodynamische Konsistenz überprüfen!<br />

Für ein binäres Gemisch ergibt sich zum Beispiel<br />

8.1-23


Wegen<br />

sind die Steigungen der partiellen <strong>molare</strong>n <strong>Zustandsgrößen</strong> miteinander verknüpft<br />

- Vorzeichenwechsel der Steigungen<br />

- waagerechte Tangenten an gleicher<br />

Stelle X<br />

- waagerechte Tangenten bei<br />

8.1-24


Achsenabschnittsmethode<br />

Die partiellen <strong>molare</strong>n Größen können aus der einfacher durchzuführenden Messung<br />

der <strong>Zustandsgrößen</strong> der Mischung bestimmt werden.<br />

Für binäre Mischungen X 1 +X 2 =1 führt dies auf die Achsenabschniuttsmethode.<br />

Wegen Gibbs-Duhem<br />

folgt<br />

8.1-25


In<br />

können wir mit<br />

z 2,m elimieren<br />

und erhalten:<br />

bzw. analog<br />

Messung des Verlaufes von z m und Bestimmung der lokalen Steigung liefert die<br />

partiellen <strong>molare</strong>n <strong>Zustandsgrößen</strong> auf den Achsabschnitten.<br />

8.1-26


GrafischeVeranschaulichung der Beziehungen<br />

Mit dem Index ∞ sind zusätzlich<br />

die partiellen <strong>molare</strong>n <strong>Zustandsgrößen</strong><br />

der Komponenten bei unendlicher<br />

Verdünnung eingetragen.<br />

8.1-27


Zusammenfassung<br />

<strong>Partielle</strong> <strong>molare</strong> Größen sind stets bei konstantem Druck und konstanter Temperatur durch<br />

die partielle Ableitung<br />

definiert.<br />

Der Wert der extensiven Zustandsgröße Z in einer Mischung errechnet sich aus:<br />

<strong>Partielle</strong> <strong>molare</strong> <strong>Zustandsgrößen</strong> unterscheiden sich im Allgemeinen von den <strong>molare</strong>n<br />

<strong>Zustandsgrößen</strong> reiner Komponenten:<br />

Um die funktionale Abhängigkeit nicht ausschreiben zu müssen sollen im Folgenden die<br />

<strong>molare</strong>n Größen reiner Komponenten mit einem Index * gekennzeichnet werden:<br />

8.1-28


Zusammenfassung (Fortsetzung)<br />

Verknüpfung zwischen den partiellen <strong>molare</strong>n <strong>Zustandsgrößen</strong> (Gibbs-Duhem):<br />

Definition von Exzessgrößen:<br />

Speziell gilt für die <strong>molare</strong> Entropie:<br />

8.1-29

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