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Das Standardmodell der Kosmologie, Teil 2 - Institut für ...

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T h e m e n d e r W i s s e n s c h a f t<br />

<strong>Das</strong> <strong>Standardmodell</strong><br />

<strong>der</strong> <strong>Kosmologie</strong><br />

<strong>Teil</strong> 2: Der kosmische Mikrowellenhintergrund – Supernovae vom Typ Ia –<br />

Strukturen im Universum – Konsistenz in <strong>der</strong> <strong>Kosmologie</strong> – Inflation<br />

und Dunkle Energie<br />

von Matthias bartelmann<br />

In diesem zweiteiligen Artikel wird unser aktuelles Verständnis <strong>der</strong><br />

Welt als Ganzes vorgestellt: Heute ist die <strong>Kosmologie</strong> ein hochaktuelles<br />

Forschungsgebiet, in dem sich Astrophysik und <strong>Teil</strong>chenphysik,<br />

Theorie, Beobachtung und Experiment aufs Engste berühren.<br />

Rückblick auf <strong>Teil</strong> 1<br />

m <strong>Teil</strong> 1 dieses Artikels (SuW 8/<br />

2007,S. 38) beschrieb, wie einfache kosmologische<br />

Modelle aus <strong>der</strong> Allgemeinen<br />

Relativitätstheorie konstruiert werden<br />

können und welche überwältigende Bestätigung<br />

sie durch zahlreiche Beobachtungen<br />

finden. Bereits diskutiert wurden<br />

die Ausdehnung und das Alter des<br />

Bereits im ersten <strong>Teil</strong> dieses Beitrags<br />

wurde besprochen, wie<br />

George Gamow auf beeindruckende<br />

Weise von <strong>der</strong> Häufigkeit leichter<br />

Elemente, insbeson<strong>der</strong>e des Heliums,<br />

auf die Existenz eines Strahlungshintergrunds<br />

im Mikrowellenbereich schloss.<br />

Die bemerkenswerte Tatsache, dass es im<br />

Universum eine bestimmte Menge Helium-4<br />

gibt, und nicht entwe<strong>der</strong> gar keines<br />

o<strong>der</strong> nur Helium-4, erfor<strong>der</strong>te genau<br />

die richtige Menge Deuterium als Vorstufe,<br />

und damit genau das richtige Verhältnis<br />

zwischen den Anzahldichten von Baryonen<br />

und Photonen. Wenn im frühen<br />

Universum thermisches Gleichgewicht<br />

zwischen seinen verschiedenen Komponenten<br />

herrschte, musste dabei auch<br />

thermische Strahlung entstanden sein.<br />

Universums, die Entstehung <strong>der</strong> leichten<br />

Elemente gleich nach dem Urknall und<br />

die Hinweise auf Dunkle Materie aus <strong>der</strong><br />

Bewegung von Sternen und Galaxien und<br />

aus dem Gravitationslinseneffekt. Hier<br />

wird die Geschichte fortgesetzt und mit<br />

einem Ausblick auf Inflation und Dunkle<br />

Energie abgeschlossen.<br />

Thermische Hintergrundstrahlung<br />

Die Entdeckung dieses Kosmischen Mikrowellenhintergrunds<br />

(Cosmic Microwave<br />

Background, CMB) ist die interessante Geschichte<br />

zweier Forschergruppen, von<br />

denen die eine beim Ausmessen einer Telefonantenne<br />

zufällig fand, was die an<strong>der</strong>e<br />

aufgrund guter theoretischer Argumente<br />

zu finden hoffte. Jedenfalls erschienen im<br />

Mai 1965 zwei Arbeiten im Astrophysical<br />

Journal: Eine von Arno Penzias und Robert<br />

Wilson, in <strong>der</strong> die Entdeckung eines<br />

offenbar vollkommen richtungsunabhängigen<br />

Strahlungshintergrunds bei einer<br />

Wellenlänge von 74 Millimetern beschrieben<br />

wurde, und eine von Robert<br />

Dicke, Jim Peebles, Peter G. Roll und David<br />

T. Wilkinson, die den kosmischen Ursprung<br />

dieser Strahlung als eine Möglichkeit<br />

beschrieb.<br />

Damit drängten sich zwei Fragen in<br />

den Vor<strong>der</strong>grund. Zum einen: Ist die entdeckte<br />

Strahlung wirklich thermische<br />

Strahlung? Und zum an<strong>der</strong>en: Da unser<br />

Universum offenbar nur eine Näherung<br />

des Idealfalls eines homogenen und isotropen<br />

Friedmann-Kosmos ist, weil es<br />

durchaus nicht homogen, son<strong>der</strong>n strukturiert<br />

ist, sollte auch <strong>der</strong> CMB nur näherungsweise<br />

isotrop sein und bei genauerer<br />

Beobachtung ebenfalls Strukturen<br />

zeigen. Entsprechend war die zweite<br />

Frage: Weist <strong>der</strong> CMB Abweichungen von<br />

<strong>der</strong> idealen Isotropie auf, die mit den heutigen<br />

kosmischen Strukturen in Einklang<br />

zu bringen sind? Beide Fragen erwiesen<br />

sich als außerordentlich fruchtbar, ließen<br />

36 Sterne und Weltraum September 2007


Abb. 1: <strong>Das</strong> Hubble Ultra Deep<br />

Field ist die tiefste jemals gewonnene<br />

Aufnahme (Belichtungszeit<br />

insgesamt: eine Million Sekunden<br />

o<strong>der</strong> knapp zwölf volle Tage). Sie<br />

reicht bis zum Rand <strong>der</strong> Welt, wo<br />

die ersten Sterne und Galaxien<br />

aufleuchteten.<br />

Princeton University<br />

Nasa/Cobe<br />

Nasa/Esa/STScI<br />

<br />

Abb. 2: P. James E. (Jim) Peebles<br />

forscht und lehrt heute an<br />

<strong>der</strong> Universität Princeton. Ihm<br />

verdanken wir ganz wesentliche<br />

Ideen, auf denen das kosmologische<br />

<strong>Standardmodell</strong> aufbaut.<br />

Zu seinen großen Leistungen gehören<br />

– neben vielen an<strong>der</strong>en –<br />

die Vorhersage <strong>der</strong> Strukturen im<br />

kosmischen Mikrowellenhintergrund<br />

und das Modell <strong>der</strong> kalten<br />

Dunklen Materie.<br />

Abb. 3: Mit dem Satelliten Cobe<br />

wurden Temperaturschwankungen<br />

im Bereich von einigen zehn<br />

Mikrokelvin am Mikrowellenhimmel<br />

gefunden. Diese geringe<br />

Schwankungsamplitude weist darauf<br />

hin, dass <strong>der</strong> größte <strong>Teil</strong> <strong>der</strong><br />

Materie im Universum gar nicht<br />

mit Licht in Wechselwirkung treten<br />

kann.<br />

In Kürze<br />

m Die kosmische Hintergrundstrahlung<br />

im Mikrowellenbereich (CMB) erreicht uns<br />

aus allen Himmelsrichtungen, sie bezeugt<br />

den heißen Anfang <strong>der</strong> Welt. Ihre kürzlich<br />

gelungene, präzise Vermessung führt<br />

zur genauen Festlegung vieler Parameter<br />

des kosmologischen <strong>Standardmodell</strong>s.<br />

m Eine Supernova vom Typ Ia leuchtet<br />

dann auf, wenn ein Weißer Zwerg in einem<br />

Doppelsternsystem von seinem Begleiter<br />

so viel Material aufsammelt, dass<br />

er explodiert. <strong>Das</strong> geschieht stets unter<br />

gleichen Bedingungen. Deshalb sind<br />

diese Supernovae stets gleich hell und<br />

eignen sich bestens als Standardkerzen<br />

zur Vermessung des Weltalls.<br />

aber bis zum Jahr 1992 auf ihre Beantwortung<br />

warten.<br />

Wie die erste Frage zu überprüfen sei,<br />

war klar. Man würde ein Spektrum des<br />

CMB aufnehmen und feststellen müssen,<br />

ob es die wohlbekannte Form des Spektrums<br />

eines thermischen Strahlers aufweist,<br />

ein so genanntes Planck-Spektrum.<br />

Zur zweiten Frage musste erst geklärt<br />

werden, welche Strukturen man im CMB<br />

aufgrund <strong>der</strong> heutigen Strukturen im<br />

Universum zu finden erwartete. Klar war<br />

jedenfalls, dass die Vorläufer <strong>der</strong> heutigen<br />

Strukturen auch Spuren in <strong>der</strong> Temperatur<br />

des CMB hinterlassen haben mussten.<br />

Davon wird später noch die Rede sein.<br />

Es ist nicht schwierig zu berechnen,<br />

dass <strong>der</strong> CMB freigesetzt worden sein<br />

musste, als das Universum auf etwa 3000<br />

Kelvin abgekühlt war, und dass das Universum<br />

hierfür etwa 400 000 Jahre gebraucht<br />

haben musste. Damals wurde<br />

es kühl genug, dass sich Atome aus dem<br />

vorherigen Plasma bilden konnten. Damit<br />

verschwanden die freien elektrischen<br />

Ladungen <strong>der</strong> Elektronen und <strong>der</strong> Atomkerne,<br />

die vorher eine freie Ausbreitung<br />

des CMB verhin<strong>der</strong>t hatten, und die Photonen<br />

bekamen freie Bahn. Dieser Übergang<br />

vom ionisierten zum neutralen Zustand<br />

dauerte etwa 40 000 Jahre.<br />

Schon Gamow hatte abgeschätzt, dass<br />

die heutige Temperatur des CMB einige<br />

Kelvin betragen sollte. Da die Strahlungstemperatur<br />

im Universum im gleichen<br />

Maß abnimmt wie das Universum<br />

sich ausdehnt, musste ein beliebiger Ausschnitt<br />

des Universums um etwa das Tausendfache<br />

kleiner als heute gewesen sein,<br />

als <strong>der</strong> CMB freigesetzt wurde. Nun wachsen<br />

auch Strukturen im Universum in<br />

etwa demselben Maß an, wie es sich ausdehnt.<br />

<strong>Das</strong> bedeutet, dass die kosmischen<br />

Strukturen, <strong>der</strong>en Amplitude wir heute<br />

messen können, etwa ein Tausendstel<br />

dieser Amplitude gehabt haben sollten,<br />

als <strong>der</strong> CMB entstand. Daraus kann<br />

man schließen, dass <strong>der</strong> CMB bei seiner<br />

mittleren Temperatur von einigen Kelvin<br />

Temperaturschwankungen von einigen<br />

Tausendstel Kelvin zeigen sollte, also im<br />

Millikelvin-Bereich. Durch zunehmend<br />

genaue Messungen stellte sich im Lauf<br />

von Jahren heraus, dass es Temperaturschwankungen<br />

dieser Größenordnung<br />

im CMB nicht gab. Die <strong>Kosmologie</strong> geriet<br />

in eine Krise.<br />

m Die Strukturen im Universum sind<br />

im Keim bereits im CMB angelegt. Heute<br />

glauben wir zu verstehen, wie die anfänglichen<br />

minimalen Temperatur- und<br />

Dichteschwankungen im Quantenbereich<br />

zur Entstehung <strong>der</strong> Galaxien und zu <strong>der</strong>en<br />

großräumiger Verteilung geführt haben.<br />

m Inflation und Dunkle Energie sind<br />

zwei Zutaten des <strong>Standardmodell</strong>s, die<br />

wir noch nicht wirklich verstehen. Inflation<br />

erklärt die Flachheit des Raums,<br />

Dunkle Energie erklärt dessen beschleunigte<br />

Expansion. Die Lösung dieser Rätsel<br />

wird uns vermutlich in eine neue<br />

Physik führen.<br />

Sterne und Weltraum September 2007<br />

37


Einen eleganten Ausweg schlug Jim<br />

Peebles (Abb. 2) vor. Er argumentierte,<br />

dass die Schwankungen im Millikelvin-<br />

Bereich nur dann zu erwarten wären,<br />

wenn alle Materie im Universum elektromagnetisch<br />

wechselwirken könnte.<br />

Sollte die Dunkle Materie, aus <strong>der</strong> die<br />

kosmischen Strukturen überwiegend bestehen,<br />

aber gar nicht mit Licht in Wechselwirkung<br />

treten können, so würden die<br />

Temperaturschwankungen im CMB etwa<br />

um das Hun<strong>der</strong>tfache geringer ausfallen<br />

und im Bereich von einigen zehn Mikrokelvin<br />

liegen. Es war ein Triumph dieser<br />

Überlegung, als schließlich <strong>der</strong> Satellit<br />

Cobe genau solche Schwankungen im<br />

CMB fand (Abb. 3). Damit wurde die Tatsache,<br />

dass Temperaturschwankungen<br />

im CMB nicht im Bereich von Millikelvin,<br />

son<strong>der</strong>n im Bereich von etwa zehn Mikrokelvin<br />

liegen, zum kräftigsten Argument<br />

für die Annahme, dass die Dunkle<br />

Materie aus Elementarteilchen bestehe,<br />

die nicht elektromagnetisch wechselwirken<br />

können.<br />

Die Bestätigung <strong>der</strong> Temperaturschwankungen<br />

im CMB war eine von<br />

zwei bahnbrechenden Leistungen, die<br />

mit dem Cobe-Satelliten gelangen und<br />

die mit dem Nobelpreis für das Jahr 2006<br />

ausgezeichnet wurden. Die an<strong>der</strong>e war<br />

die genaue Vermessung des Spektrums<br />

des CMB und die Bestätigung, dass es<br />

sich in <strong>der</strong> Tat um das erwartete Planck-<br />

Spektrum handelt (Abb. 4). Tatsächlich ist<br />

das Spektrum, das <strong>der</strong> Cobe-Satellit vom<br />

CMB aufnahm, das bisher genaueste experimentell<br />

bestätigte Planck-Spektrum,<br />

einschließlich aller Labormessungen.<br />

Die daraus abgeleitete Temperatur von<br />

2.728 Kelvin bestätigte Gamows Abschätzung<br />

aus den 1940er Jahren auf eindrucksvolle<br />

Weise.<br />

Eine interessante Frage schließt sich<br />

hier unmittelbar an. Vorhin wurde erwähnt,<br />

dass <strong>der</strong> CMB nicht instantan freigesetzt<br />

wurde, son<strong>der</strong>n im Verlauf von<br />

etwa 40 000 Jahren. Währenddessen fiel<br />

die Temperatur um etwa 200 Kelvin ab.<br />

Manche <strong>der</strong> CMB-Photonen, die wir heute<br />

beobachten, sollten also etwas früher<br />

ein etwas heißeres, manche etwas verspätet<br />

ein etwas kühleres Plasma verlassen<br />

haben. Wir sollten also gerade nicht<br />

ein Planck-Spektrum zu einer einzigen,<br />

scharf definierten Temperatur sehen,<br />

son<strong>der</strong>n eine Mischung von Planck-Spektren<br />

aus einem Temperaturbereich von<br />

etwa 200 Kelvin. Wie kann es sein, dass<br />

wir trotzdem ein Planck-Spektrum zu einer<br />

Temperatur beobachten?<br />

Die Antwort liefert einen weiteren indirekten<br />

Hinweis auf die Gültigkeit <strong>der</strong><br />

Friedmann-<strong>Kosmologie</strong>. Ein verfrühtes<br />

CMB-Photon hatte eine etwas längere Reise<br />

vor sich als ein verspätetes. Zwischen<br />

<strong>der</strong> Aussendung des verfrühten Photons<br />

und heute dehnte sich das Universum<br />

daher etwas mehr aus und kühlte damit<br />

das verfrühte Photon etwas stärker ab.<br />

Im Rahmen <strong>der</strong> Friedmann-<strong>Kosmologie</strong><br />

ist diese etwas stärkere Abkühlung gerade<br />

so groß, dass sie die etwas höhere Anfangstemperatur<br />

des Photons exakt ausgleicht.<br />

Erst diese nachträgliche, leicht<br />

unterschiedliche Abkühlung reduziert die<br />

eigentlich erwartete Mischung aus Planck-<br />

Spektren zurück auf ein einziges. Die Tatsache,<br />

dass Cobe mit höchster Genauigkeit<br />

ein Planck-Spektrum fand, beweist<br />

also neben dem thermischen Ursprung<br />

des CMB auch, dass die Temperatur im<br />

Lauf <strong>der</strong> Entwicklung des Universums gerade<br />

in <strong>der</strong> Weise abgefallen ist, wie ein<br />

Friedmann-Modell es erwarten lässt.<br />

Strukturen im CMB<br />

Für die Strukturen im CMB (Abb. 5) sind<br />

drei physikalische Effekte verantwortlich.<br />

Zu den bereits angelegten Dichteschwankungen<br />

gehören Schwankungen<br />

des Gravitationspotentials. Wo die Dichte<br />

etwas erhöht war, war das Potential<br />

geringer, und umgekehrt. Photonen, die<br />

aus Potentialsenken herauslaufen mussten,<br />

als <strong>der</strong> CMB freigesetzt wurde, verloren<br />

einen kleinen <strong>Teil</strong> ihrer Energie, und<br />

ebenso gewannen solche Photonen Energie,<br />

die von Potentialhügeln loslaufen<br />

konnten. Dieser Effekt, <strong>der</strong> allein dadurch<br />

bedingt ist, dass die CMB-Photonen in einer<br />

leicht hügeligen Potentiallandschaft<br />

freigesetzt wurden, heißt Sachs-Wolfe-Effekt<br />

und spielt auf den größten Skalen die<br />

wesentliche Rolle.<br />

Auf kleineren Skalen setzen Schwingungen<br />

ein. Sie werden dadurch verursacht,<br />

dass Überdichten aus Dunkler<br />

Materie aufgrund ihrer Schwerkraft<br />

das Gemisch aus Photonen und Gas zu<br />

komprimieren beginnen, sodass dessen<br />

Druck steigt und <strong>der</strong> Kompression<br />

entgegen wirkt. <strong>Das</strong> ist <strong>der</strong>selbe Mechanismus,<br />

<strong>der</strong> es Schallwellen ermöglicht,<br />

sich durch die Luft auszubreiten, weshalb<br />

man von akustischen Schwingungen spricht.<br />

Sie breiten sich mit einer Schallgeschwindigkeit<br />

aus, die knapp sechzig Prozent <strong>der</strong><br />

Lichtgeschwindigkeit beträgt und kamen<br />

daher in den etwa 400 000 Jahren zwischen<br />

dem Urknall und <strong>der</strong> Freisetzung<br />

des CMB höchstens etwa 230 000 Lichtjahre<br />

weit. Strukturen, die größer als die-<br />

Intensität [MJy/steradian]<br />

400<br />

300<br />

200<br />

100<br />

2<br />

Wellenlänge [mm]<br />

1<br />

0.67<br />

0<br />

0 150<br />

300 450<br />

600<br />

Frequenz [GHz]<br />

0.5<br />

Nasa/Cobe<br />

<br />

<br />

Abb. 4: <strong>Das</strong> vom Firas-Instrument<br />

an Bord des Cobe-Satelliten aufgenommene<br />

Spektrum des kosmischen<br />

Mikrowellenhintergrunds<br />

ist das beste jemals gemessene<br />

Planck-Spektrum. Die Fehlerbalken<br />

<strong>der</strong> einzelnen Messpunkte<br />

entsprechen 400 Standardabweichungen!<br />

Abb. 5: Der Wmap-Satellit hat inzwischen<br />

eine sehr viel detailliertere<br />

Karte <strong>der</strong> Temperaturschwankungen<br />

im CMB aufgenommen.<br />

Anhand <strong>der</strong> charakteristischen<br />

Skalen <strong>der</strong> sichtbaren Strukturen<br />

können viele kosmologische<br />

Parameter genau bestimmt werden.<br />

38 Sterne und Weltraum September 2007


SuW<br />

<br />

einem negativ gekrümmten Raum voneinan<strong>der</strong><br />

weg gekrümmt. Dementsprechend<br />

erscheint dieselbe physikalische<br />

Länge, zum Beispiel <strong>der</strong> Schallhorizont,<br />

in einem positiv gekrümmten Raum unter<br />

einem größeren, in einem negativ gekrümmten<br />

Raum unter einem kleineren<br />

Winkel (Abb. 6). Die Winkelgröße des<br />

Schallhorizonts kann aus den Temperaturschwankungen<br />

des CMB abgelesen<br />

werden, und seine physikalische Größe<br />

ist bekannt. Aus dem Vergleich bei<strong>der</strong><br />

folgt, dass unser Universum mit hoher<br />

Genauigkeit gerade nicht gekrümmt, son<strong>der</strong>n<br />

räumlich flach ist.<br />

<strong>Das</strong> allein ist in mindestens zweierlei<br />

Hinsicht ein bemerkenswertes Ergebnis.<br />

Zum einen ist räumliche Flachheit eine instabile<br />

Eigenschaft eines Friedmann-Modells.<br />

Nur solche Modelle, die von Anfang<br />

an räumlich flach waren, bleiben es auch.<br />

Jede anfängliche Krümmung verstärkt<br />

sich im Lauf <strong>der</strong> kosmischen Entwicknegativ<br />

gekrümmt<br />

<br />

flach<br />

positiv<br />

gekrümmt<br />

ser Schallhorizont waren, konnten also<br />

nicht akustisch schwingen.<br />

Auf noch kleineren Skalen setzt ein<br />

Effekt ein, <strong>der</strong> daher kommt, dass ausreichend<br />

kleine Strukturen Photonen nicht<br />

400 000 Jahre lang einschließen können.<br />

Wenn die Strecke, die ein durchschnittliches<br />

Photon vor seiner Freisetzung zurücklegen<br />

konnte (seine mittlere freie<br />

Weglänge), größer war als die Struktur,<br />

in <strong>der</strong> es sich aufhielt, konnte es sie einfach<br />

verlassen und damit dazu beitragen,<br />

die Struktur zu verwischen. Dieser Diffusionsprozess<br />

<strong>der</strong> Photonen heißt Silk-<br />

Dämpfung und sorgte dafür, dass Strukturen<br />

umso stärker unterdrückt wurden, je<br />

kleiner sie waren.<br />

Entscheidend für die <strong>Kosmologie</strong> ist,<br />

dass diese drei Effekte empfindlich von<br />

den kosmologischen Parametern abhängen,<br />

insbeson<strong>der</strong>e von den Dichteparametern<br />

<strong>der</strong> Dunklen und <strong>der</strong> baryonischen<br />

Materie sowie <strong>der</strong> kosmischen<br />

Expansionsrate zur Zeit <strong>der</strong> Entstehung<br />

des CMB, die durch die Hubble-Konstante<br />

parametrisiert wird. Weiterhin sorgen die<br />

drei genannten Effekte für charakteristische<br />

Muster in <strong>der</strong> Intensität beziehungsweise<br />

<strong>der</strong> Temperatur des CMB und können<br />

daher durch <strong>der</strong>en statistische Analyse<br />

bestimmt werden. Ohne Details zu<br />

beschreiben, sind vielleicht zwei Beispiele<br />

hierfür nachvollziehbar.<br />

Die akustischen Schwingungen werden<br />

durch das Wechselspiel von Gravitation<br />

und Druck getrieben. Die Schwerkraft,<br />

mithin die Gesamtdichte <strong>der</strong> Dichteschwankungen,<br />

sorgt für Kontraktion,<br />

<strong>der</strong> Druck, bestimmt durch die Dichte<br />

des Gases, durch dessen Temperatur<br />

und durch die Photonendichte, verursacht<br />

die Expansion. Die Ausprägung dieser<br />

Schwingungen, insbeson<strong>der</strong>e <strong>der</strong>en<br />

Amplitude, ist durch das Verhältnis <strong>der</strong><br />

Dichten <strong>der</strong> baryonischen zur Dunklen<br />

Materie gegeben.<br />

Beson<strong>der</strong>s eindrücklich ist das folgende<br />

zweite Beispiel. Oben wurde schon<br />

erwähnt, dass akustische Schwingungen<br />

nur auf solchen Skalen auftreten können,<br />

die kleiner als <strong>der</strong> Schallhorizont sind. Diese<br />

physikalische Länge kennen wir aus<br />

<strong>der</strong> Theorie. Am Himmel können wir<br />

feststellen, wie groß die dazugehörige<br />

Winkelgröße ist. Unter welchem Winkel<br />

eine bestimmte physikalische Länge erscheint,<br />

ist eine Frage <strong>der</strong> Raumgeometrie<br />

beziehungsweise <strong>der</strong> Raumkrümmung:<br />

Während sich in dem uns vertrauten euklidischen<br />

Raum zwei Lichtstrahlen aus<br />

einer Quelle geradlinig ausbreiten und<br />

dabei ihren Abstand zueinan<strong>der</strong> linear<br />

vergrößern, werden sie in einem positiv<br />

gekrümmten Raum aufeinan<strong>der</strong> zu, in<br />

<br />

<br />

Abb. 6: Der Winkel, unter dem<br />

uns eine gegebene Länge in einer<br />

gegebenen Entfernung erscheint,<br />

hängt von <strong>der</strong> Art <strong>der</strong><br />

Raumkrümmung ab.<br />

Nasa/Wmap<br />

Sterne und Weltraum September 2007<br />

39


Nasa/Esa<br />

lung. Also führt die räumliche Flachheit<br />

unseres Universums, die aus den Strukturen<br />

im CMB abgelesen werden kann,<br />

unweigerlich zu <strong>der</strong> Frage, wodurch das<br />

Universum anfänglich so extrem flach<br />

wurde, dass es bis heute so geblieben ist.<br />

Zum an<strong>der</strong>en erfor<strong>der</strong>t räumliche Flachheit,<br />

dass die Gesamtdichte aller Materieund<br />

Energieformen im Universum gerade<br />

die kritische Dichte ergibt. Bisher ergibt<br />

unsere Bilanz aber nur etwa ein Drittel<br />

davon: Baryonen tragen vier Prozent bei,<br />

und mit Dunkler Materie kommen wir<br />

auf etwa dreißig Prozent. Offenbar fehlt<br />

uns bisher <strong>der</strong> entscheidende Anteil.<br />

Supernovae vom Typ Ia<br />

In einem Supernova-Ereignis leuchtet<br />

ein Stern in wenigen Tagen hell auf, um<br />

dann innerhalb von Monaten wie<strong>der</strong> zu<br />

verlöschen. Die dabei erreichten Leuchtkräfte<br />

sind extrem: Im Helligkeitsmaximum<br />

strahlt eine Supernova etwa so viel<br />

Licht ab wie die gesamte Galaxie, die sie<br />

beherbergt (Abb. 7).<br />

N<br />

<br />

O<br />

Abb. 7: Supernovae, wie hier die<br />

Supernova 1994d in <strong>der</strong> Galaxie<br />

NGC 4526, <strong>der</strong>en innerer Bereich<br />

in dieser Aufnahme mit dem HST<br />

abgebildet ist, leuchten etwa so<br />

hell auf wie die Galaxien, in denen<br />

sie auftreten.<br />

Zeigt ihr Spektrum Wasserstofflinien,<br />

gehört sie zum Typ II, an<strong>der</strong>enfalls zum<br />

Typ I. Findet man keinen Wasserstoff,<br />

aber Silizium, wird sie als Typ-Ia-Supernova<br />

(SNIa) bezeichnet. Supernovae werden<br />

durch thermonukleare Explosionen<br />

ausgelöst, in denen entwe<strong>der</strong> <strong>der</strong> Kern<br />

eines massereichen Sterns ausbrennt und<br />

aufgrund seiner Schwerkraft kollabiert,<br />

o<strong>der</strong> in denen ein Weißer Zwerg durch<br />

äußere Einflüsse über die Massengrenze<br />

getrieben wird, die er noch stabilisieren<br />

kann. Zu ersteren gehören die Typen Ib/c<br />

und II, letztere bilden den Typ Ia.<br />

Weiße Zwerge bestehen im Kern aus<br />

Kohlenstoff und Sauerstoff. Weitere Fusion<br />

ist nicht möglich, weil die Masse<br />

nicht ausreicht, um die Zentraltemperatur<br />

hoch genug zu treiben. Die nukleare<br />

Energieerzeugung erlischt, und <strong>der</strong> Stern<br />

wird so weit komprimiert, dass das Elektronengas<br />

in seinem Inneren entartet und<br />

ihn durch seinen Fermidruck stabilisiert.<br />

<strong>Das</strong> ist bis zur Chandrasekhar-Grenze<br />

von knapp 1.4 Sonnenmassen möglich.<br />

Kurz bevor ein Weißer Zwerg diese Grenze<br />

erreicht, wird durch die hohe Dichte<br />

in seinem Kern thermonukleares Brennen<br />

gezündet, das die Explosion in Gang<br />

setzt.<br />

Weiße Zwerge können auf verschiedene<br />

Weise über die Chandrasekhar-<br />

Masse getrieben werden. Die gängigsten<br />

Vorstellungen sind, dass entwe<strong>der</strong> ein<br />

5 Bogensekunden<br />

950 Lichtjahre<br />

massereicher Begleitstern Masse an den<br />

Weißen Zwerg abgibt, o<strong>der</strong> dass zwei<br />

weiße Zwerge kollidieren. Vereinfachend<br />

ausgedrückt, explodiert also bei einer Supernova<br />

vom Typ Ia immer dieselbe Menge<br />

»Sprengstoffs« (Abb. 8). Also sollten<br />

alle Supernovae dieses Typs im Wesentlichen<br />

gleich hell sein. <strong>Das</strong> ist nicht streng<br />

<strong>der</strong> Fall, aber die Abweichungen von <strong>der</strong><br />

Standardhelligkeit lassen sich durch eine<br />

einfache Beziehung korrigieren: Hellere<br />

Supernovae vom Typ Ia dauern etwas länger,<br />

schwächere etwas weniger lang, und<br />

damit lassen sich die wahren Helligkeiten<br />

dieser Supernovae standardisieren. Aus<br />

ihrer scheinbaren Helligkeit folgt dann<br />

ihre Entfernung, und zusammen mit <strong>der</strong><br />

Rotverschiebung ihrer Spektrallinien<br />

kann daraus das Expansionsverhalten des<br />

Universums rekonstruiert werden.<br />

Dies hat die spektakuläre Erkenntnis<br />

ermöglicht, dass die Ausdehnungsgeschwindigkeit<br />

des Universums seit etwa<br />

sieben Milliarden Jahren zunimmt. Eigentlich<br />

würde man das Gegenteil erwarten,<br />

denn die Schwerkraft sollte die kosmische<br />

Ausdehnung verlangsamen. Ein Friedmann-Modell<br />

kann sich nur dann beschleunigt<br />

ausdehnen, wenn nicht gewöhnliche,<br />

baryonische o<strong>der</strong> Dunkle<br />

Materie dominieren, son<strong>der</strong>n die kosmologische<br />

Konstante, die Einstein anfänglich<br />

gerade zu dem Zweck in seine Feldgleichungen<br />

eingebaut hatte, um ein statisches<br />

Universum zu ermöglichen.<br />

Wir haben bestenfalls sehr diffuse Vorstellungen<br />

davon, was die physikalische<br />

Bedeutung <strong>der</strong> kosmologischen Konstante<br />

sein könnte. Darüber wird später noch<br />

zu reden sein. Aber auch die Temperaturschwankungen<br />

im CMB hatten uns gezeigt,<br />

dass uns bisher etwa siebzig Prozent<br />

des kosmischen Materials entgangen<br />

waren. Nun zeigen die Supernovae vom<br />

Typ Ia, dass diese fehlende Substanz gerade<br />

die kosmologische Konstante sein sollte<br />

o<strong>der</strong> wenigstens etwas, was sich ähnlich<br />

wie sie verhält, indem es die Ausdehnung<br />

des Universums beschleunigt, statt<br />

sie abzubremsen.<br />

Auf diese Weise ergeben alle bisherigen<br />

Bestimmungen kosmologischer Parameter<br />

ein konsistentes Bild. Wir können<br />

ein Friedmann-Modell angeben, in<br />

das so gut wie alle kosmologischen Messungen<br />

hervorragend passen. Dieses Modell,<br />

von dem wir annehmen, dass es unser<br />

Universum tatsächlich beschreibt,<br />

ist dadurch gekennzeichnet, dass es zu<br />

etwa dreißig Prozent aus Materie und<br />

etwa siebzig Prozent aus kosmologischer<br />

Konstante besteht, was immer das sein<br />

mag. Altersabschätzungen, die Entstehung<br />

<strong>der</strong> leichten Elemente, direkte und<br />

indirekte Abschätzungen <strong>der</strong> Massendichte,<br />

die Temperaturschwankungen im<br />

40 Sterne und Weltraum September 2007


CMB und die anhand <strong>der</strong> Typ-Ia-Supernovae<br />

rekonstruierte kosmische Expansionsrate<br />

fügen sich in dieses Bild. Es stellt<br />

uns vor das große Rätsel, was die Dunkle<br />

Materie und die kosmologische Konstante<br />

sein könnten.<br />

Strukturen im Universum<br />

Zwei weitere kosmologische Messungen<br />

bestätigen zumindest, dass das Universum<br />

zu dreißig Prozent seiner kritischen<br />

Dichte aus Dunkler Materie besteht. Beide<br />

betreffen die großräumigen Strukturen,<br />

die das Universum durchziehen.<br />

Die Verteilung <strong>der</strong> Galaxien im Raum<br />

zeigt, dass es im Universum zusammenhängende<br />

Strukturen gibt, die Größen<br />

von etwa 100 Millionen Lichtjahren erreichen<br />

können. Große Leerräume werden<br />

von dünnen Filamenten umgeben, und<br />

wo Filamente sich schneiden, finden sich<br />

Galaxienhaufen. Die Theorie <strong>der</strong> Strukturbildung<br />

im Universum macht die be-<br />

<br />

Abb. 8: Die Explosion einer Supernova<br />

vom Typ Ia verläuft im Detail<br />

sehr kompliziert. Erst kürzlich<br />

gelang es Wolfgang Hillebrandt<br />

und seinen Mitarbeitern am Max-<br />

Planck-<strong>Institut</strong> für Astrophysik in<br />

Garching, die turbulente Ausbreitung<br />

<strong>der</strong> nuklearen Brennfront<br />

im Kern einer solchen Supernova<br />

realistisch zu simulieren.<br />

Hillebrandt et al./MPA<br />

G A L I L E O - I h r A s t r o s p e z i a l i s t<br />

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1 h<br />

2dF GRS-Kollaboration<br />

12 h<br />

11 h<br />

10 h<br />

0.25 0.2<br />

Rotverschiebung z<br />

0.15 0.1<br />

0.25<br />

Rotverschiebung z<br />

0.05 0.1 0.15 0.2 0.25<br />

3 h<br />

2 h<br />

13 h<br />

0.5<br />

0 h<br />

14 h<br />

2.5 2<br />

1.5 1<br />

Milliarden Lichtjahre<br />

0.5 1 1.5 2 2.5<br />

Milliarden Lichtjahre<br />

22 h<br />

23 h<br />

<br />

Abb. 9: Die großräumige Verteilung<br />

<strong>der</strong> Galaxien, abgeleitet<br />

aus einer in Australien durchgeführten<br />

spektroskopischen Durchmusterung<br />

des Südhimmels (vgl.<br />

Abb. 1 in <strong>Teil</strong> 1).<br />

merkenswerte Vorhersage, dass diesen<br />

Strukturen bereits im noch sehr jungen<br />

Universum eine wichtige Längenskala<br />

aufgeprägt wurde.<br />

Heute ist die gesamte Strahlungsenergiedichte<br />

im Universum, die im Wesentlichen<br />

vom CMB beigetragen wird, vernachlässigbar<br />

klein. Geht man aber in<br />

<strong>der</strong> Zeit zurück und verfolgt, wie sich<br />

die Dichten <strong>der</strong> Strahlung und <strong>der</strong> Materie<br />

im dann schrumpfenden Universum<br />

verhalten haben, so stellt man fest, dass<br />

die Strahlungsdichte gegenüber <strong>der</strong> Materiedichte<br />

immer weiter zunimmt. Es<br />

gab also einen Zeitpunkt, vor dem nicht<br />

Materie, son<strong>der</strong>n Strahlung das Verhalten<br />

des Universums dominierte. Davon<br />

haben wir bereits im Zusammenhang<br />

mit <strong>der</strong> Entstehung <strong>der</strong> leichten Elemente<br />

Gebrauch gemacht, weil sie so früh stattfand,<br />

dass nur die Strahlungsdichte für ihren<br />

Verlauf maßgeblich war.<br />

Der Zeitpunkt, zu dem die Strahlungsdichte<br />

unter die Materiedichte fiel, markiert<br />

das Ende einer für die Entwicklung<br />

<strong>der</strong> kosmischen Strukturen sehr wichtigen<br />

Zeitspanne. Multipliziert man sie<br />

mit <strong>der</strong> Lichtgeschwindigkeit, so erhält<br />

man eine physikalische Länge. Sie gibt an,<br />

über welche Strecken hinweg sich zwei<br />

hypothetische Beobachter bis zum Ende<br />

<strong>der</strong> strahlungsdominierten Phase verständigen<br />

konnten, da sich kein Signal schneller<br />

als mit Lichtgeschwindigkeit ausbreiten<br />

kann. Strukturen, die kleiner als diese<br />

Horizontlänge am Ende <strong>der</strong> strahlungsdominierten<br />

Phase waren, konnten so<br />

lange nicht anwachsen, bis endlich Materie<br />

zu dominieren begann. Dadurch wurde<br />

diese Horizontlänge für alle späteren<br />

Strukturen eine charakteristische Größe.<br />

Aus <strong>der</strong> Temperatur des CMB kennen<br />

wir die heutige Strahlungsdichte, denn<br />

alle an<strong>der</strong>en Beiträge dazu sind gegenüber<br />

dem CMB völlig vernachlässigbar.<br />

Wenn es uns gelingt, diese charakteristische<br />

Größe kosmischer Strukturen etwa<br />

anhand <strong>der</strong> Galaxienverteilung zu bestimmen,<br />

kennen wir die Horizontlänge<br />

am Ende <strong>der</strong> strahlungsdominierten<br />

Phase und können daraus berechnen, wie<br />

lange sie gedauert hat. Daraus kann dann<br />

die Materiedichte bestimmt werden.<br />

Mit etwa 200 Millionen Lichtjahren<br />

ist die charakteristische Länge sehr groß.<br />

Um sie bestimmen zu können, muss man<br />

die Galaxienverteilung innerhalb kosmischer<br />

Volumina ausmessen, die eine<br />

solche Strecke bequem einschließen können.<br />

<strong>Das</strong> ist erst seit wenigen Jahren möglich,<br />

wurde aber in zwei unabhängigen<br />

großen Durchmusterungsprojekten unternommen.<br />

Beide konnten auf diese<br />

Weise bestätigen, dass die Materiedichte<br />

im Universum wesentlich geringer als die<br />

kritische Dichte ist.<br />

Während die Verteilung <strong>der</strong> Galaxien<br />

offensichtlich leuchtende Strukturen abbildet<br />

(Abb. 9), kann <strong>der</strong> Gravitationslinseneffekt<br />

auch Dunkle Strukturen finden<br />

(Abb. 10). Wegen <strong>der</strong> großräumigen<br />

Strukturen im Universum muss das Licht<br />

von je<strong>der</strong> entfernten Quelle abgelenkt und<br />

damit dem Gravitationslinseneffekt unterworfen<br />

sein. Sein Astigmatismus sorgt<br />

dafür, dass weit entfernte Quellen messbar<br />

verzerrt erscheinen, und dass diese<br />

Verzerrungen auf relativ großen Winkelskalen<br />

am Himmel kohärent sind, also für<br />

ausreichend eng benachbarte Galaxien<br />

etwa gleich groß und gleich ausgerichtet<br />

sind. <strong>Das</strong> gesamte Universum zwischen<br />

den Quellen und uns als Beobachtern<br />

wirkt <strong>der</strong>gestalt als Linse und prägt dem<br />

fernen extragalaktischen Himmel ein charakteristisches<br />

Verzerrungsmuster auf.<br />

Es ist eine <strong>der</strong> faszinierenden kosmologischen<br />

Errungenschaften <strong>der</strong> vergangenen<br />

wenigen Jahre, dass dieser Effekt<br />

tatsächlich messbar wurde. Zunächst bedecken<br />

genügend schwache und weit entfernte<br />

Galaxien den Himmel wie eine fein<br />

gemusterte Tapete. Es gibt so viele von ihnen,<br />

dass <strong>der</strong> Mond einige Zehntausend<br />

davon bedeckt. Erst dadurch, dass die<br />

Verzerrung aufgrund des Gravitationslinseneffekts<br />

an <strong>der</strong>art vielen Objekten<br />

vermessen werden kann, wird sie über-<br />

42 Sterne und Weltraum September 2007


haupt nachweisbar, denn die typischen<br />

Verzerrungen sind sehr schwach. Wären<br />

die verzerrten Objekte ursprünglich<br />

kreisförmig, würden sie durch den Gravitationslinseneffekt<br />

zu Ellipsen, <strong>der</strong>en<br />

Hauptachsen sich um wenige Prozent unterschieden.<br />

Trotz zahlreicher Schwierigkeiten<br />

im Detail ist es inzwischen gelungen,<br />

den schwachen kosmischen Gravitationslinseneffekt<br />

nicht nur zweifelsfrei<br />

nachzuweisen, son<strong>der</strong>n ihn auch recht<br />

genau auszumessen.<br />

Lei<strong>der</strong> erlauben es diese Messungen<br />

nicht, die mittlere Materiedichte im Universum<br />

direkt zu bestimmen, weil <strong>der</strong><br />

Gravitationslinseneffekt nicht nur von<br />

ihr abhängt, son<strong>der</strong>n auch von <strong>der</strong> mittleren<br />

Amplitude <strong>der</strong> kosmischen Dichteschwankungen.<br />

Letztere lässt sich aber<br />

auch auf an<strong>der</strong>e Weise abschätzen, zum<br />

Beispiel anhand <strong>der</strong> Anzahl massereicher<br />

Galaxienhaufen. Kombiniert man solche<br />

Messungen mit dem schwachen Gravitationslinseneffekt,<br />

so wird das Ergebnis<br />

abermals bestätigt, dass (baryonische<br />

und Dunkle) Materie nur zu etwa dreißig<br />

Prozent zur Gesamtdichte des Universums<br />

beiträgt.<br />

Konsistenz in <strong>der</strong> <strong>Kosmologie</strong><br />

Diese Ergebnisse gewinnen zusätzliche<br />

Überzeugungskraft, wenn sie nicht jedes<br />

für sich genommen, son<strong>der</strong>n in ihrem<br />

Zusammenspiel betrachtet werden.<br />

Erinnern wir uns: Grundlage <strong>der</strong> mo<strong>der</strong>nen<br />

<strong>Kosmologie</strong> sind die Feldgleichungen<br />

<strong>der</strong> Allgemeinen Relativitätstheorie Einsteins.<br />

Verbunden mit zwei Symmetrieannahmen,<br />

nämlich denen <strong>der</strong> Isotropie<br />

und <strong>der</strong> Homogenität, folgt aus ihnen die<br />

Klasse <strong>der</strong> Friedmann-Modelle. Grundsätzlich<br />

sind Friedmann-Modelle möglich,<br />

die einen Urknall vermeiden, aber<br />

einige einfache Beobachtungen zeigen,<br />

dass unser Universum nicht von dieser<br />

Art sein kann. Wenn also überhaupt ein<br />

Friedmann-Modell zur Beschreibung unseres<br />

Universums in Frage kommt, dann<br />

nur eines, das sich aus einem Urknall heraus<br />

entwickelt hat.<br />

Zunächst muss geprüft werden, ob das<br />

Universum tatsächlich als so symmetrisch<br />

angesehen werden kann, wie die Friedmann-Modelle<br />

es annehmen. Für die Isotropie<br />

um uns spricht vieles, am überzeugendsten<br />

aber die fast perfekte Richtungsunabhängigkeit<br />

des CMB. <strong>Das</strong>s unsere<br />

Position im Universum gegenüber an<strong>der</strong>en<br />

nicht bevorzugt sei, ist eine Annahme,<br />

die wir nicht mehr gewohnt sind, in Frage<br />

zu stellen. Seit Kopernikus gehen wir unwi<strong>der</strong>sprochen<br />

davon aus, dass wir nicht<br />

im Mittelpunkt <strong>der</strong> Welt stehen. Auf dieser<br />

Grundlage erscheint uns die Annahme<br />

ganz natürlich, dass jedem Beobachter<br />

das Universum isotrop erscheinen muss,<br />

wenn es uns isotrop erscheint. Dann muss<br />

das Universum aber zumindest in sehr<br />

guter Näherung auch homogen sein.<br />

Die grundlegenden Symmetrieannahmen<br />

<strong>der</strong> Friedmann-Modelle scheinen<br />

also gerechtfertigt zu sein. Dann kommt<br />

eine Reihe von Hinweisen dazu, dass sich<br />

unser Universum zumindest qualitativ<br />

wie ein Friedmann-Universum verhält.<br />

Die Galaxienflucht war <strong>der</strong> erste davon,<br />

hinzu kamen dann die Häufigkeit des<br />

Heliums als Hinweis auf eine frühe heiße<br />

Phase, das perfekte Planck-Spektrum des<br />

CMB, das nicht nur zeigte, dass <strong>der</strong> CMB<br />

thermischen Ursprungs ist, son<strong>der</strong>n auch,<br />

dass sich das Universum gerade so ausgedehnt<br />

und abgekühlt hat, wie es für ein<br />

Friedmann-Universum zu erwarten ist.<br />

Legt man also die Allgemeine Relativitätstheorie<br />

zu Grunde und vertraut mit<br />

guten Gründen den Symmetrieannahmen,<br />

so erscheint es zwingend, dass das<br />

Universum zumindest in sehr guter Näherung<br />

durch ein Friedmann-Modell beschrieben<br />

werden muss. Dann bleibt die<br />

Frage, ob es einen einzigen Satz von Parametern<br />

gibt, die das Universum nicht nur<br />

in einem momentanen Zustand, son<strong>der</strong>n<br />

auch in seiner Entwicklung konsistent zu<br />

beschreiben vermögen. Dabei kommt ins<br />

Spiel, dass verschiedene kosmologische<br />

Messungen den Zustand des Universums<br />

zu ganz verschiedenen Zeiten überprüfen.<br />

Die Entstehung leichter Elemente war<br />

etwa drei Minuten nach dem Urknall abgeschlossen.<br />

Die gemessenen Häufigkeitsverhältnisse<br />

lassen auf eine Baryonendichte<br />

schließen, die etwa vier Prozent<br />

<strong>der</strong> kritischen Dichte beträgt. Auch<br />

aus den Temperaturschwankungen im<br />

CMB lässt sich eine Baryonendichte bestimmen,<br />

die den Wert aus den Häufigkeitsverhältnissen<br />

<strong>der</strong> leichten Elemente<br />

bestätigt. Aber <strong>der</strong> CMB entstand 400 000<br />

Jahre nach dem Urknall! <strong>Das</strong>s diese beiden<br />

Messungen <strong>der</strong> Baryonendichte trotz<br />

ihres enormen zeitlichen Abstands übereinstimmen,<br />

bestätigt die Konsistenz des<br />

einen Friedmann-Modells, mit dem wir<br />

unser Universum beschreiben möchten.<br />

Messungen <strong>der</strong> mittleren Materiedichte<br />

sind mit Hilfe des CMB ebenso<br />

möglich wie mit Hilfe des Gravitationslinseneffekts<br />

o<strong>der</strong> <strong>der</strong> typischen Längenskala<br />

in den kosmischen Strukturen.<br />

Beide überprüfen aber den Entwicklungszustand<br />

des Universums Milliarden von<br />

Jahren nach dem Urknall, also wesentlich<br />

später als <strong>der</strong> CMB. Trotzdem stimmen<br />

sie mit einem Friedmann-Modell überein.<br />

Diese nicht nur momentane, son<strong>der</strong>n<br />

auch zeitliche Konsistenz <strong>der</strong> Friedmann-<br />

Modelle verleiht ihnen einen kaum antastbaren<br />

Status, wenn man nicht die beiden<br />

Grundlagen in Zweifel ziehen will,<br />

auf denen sie beruhen: die Allgemeine<br />

Relativitätstheorie und zwei Symmetrieannahmen.<br />

Ausgedrückt in genaueren Zahlen sind<br />

heute 4.2 Prozent <strong>der</strong> kritischen Dichte<br />

Groupe INC, Stéphane Colombi, IAP<br />

<br />

Abb. 10: <strong>Das</strong> Licht entfernter<br />

Galaxien wird durch den Gravitationslinseneffekt<br />

großer kosmischer<br />

Strukturen vielfach abgelenkt,<br />

bevor es bei uns ankommt.<br />

Der Astigmatismus des<br />

Effekts verursacht kleine, aber<br />

messbare Verzerrungen, die<br />

Rückschlüsse auf die Strukturen<br />

aus Dunkler Materie erlauben.<br />

Sterne und Weltraum September 2007<br />

43


aryonisch, und 24.3 Prozent bestehen<br />

aus Dunkler Materie. Die kosmologische<br />

Konstante trägt gerade so viel bei, dass<br />

die Dichte insgesamt kritisch wird, was<br />

sich daran ablesen lässt, dass unser Universum<br />

räumlich entwe<strong>der</strong> flach o<strong>der</strong> im<br />

Rahmen <strong>der</strong> Messgenauigkeit von einem<br />

flachen Universum nicht zu unterscheiden<br />

ist. Daraus ergibt sich für das heutige<br />

Alter des Universums ein Wert von 13.7<br />

Milliarden Jahren.<br />

Inflation und Dunkle Energie<br />

Mit diesem großen Erfolg des kosmologischen<br />

<strong>Standardmodell</strong>s ist die <strong>Kosmologie</strong><br />

sicher nicht am Ende, aber zweifellos<br />

ist sie in eine neue Phase eingetreten.<br />

Während noch vor recht kurzer Zeit<br />

selbst die wichtigsten kosmologischen<br />

Parameter in Frage standen, steht das kosmologische<br />

Rahmenmodell heute so gut<br />

wie fest. Gleichzeitig stellt es uns vor eine<br />

Reihe schwerwiegen<strong>der</strong> Probleme.<br />

Literaturhinweise<br />

M. Bartelmann: Der kosmische Mikrowellenhintergrund.<br />

SuW 5/2000,<br />

S. 330 – 337<br />

H. Schulz: Dunkle Energie, Antrieb<br />

für die Expansion des Universums.<br />

<strong>Teil</strong> 1: SuW 10/2001, S. 854 – 861,<br />

<strong>Teil</strong> 2: SuW 11/2001, S. 948 – 955<br />

W. Hillebrandt, F. Röpke: Supernovae<br />

vom Typ Ia – die Physik <strong>der</strong> Explosionen.<br />

SuW 5/2005, S. 22 – 28<br />

B. Leibundgut: <strong>Kosmologie</strong> mit Supernovae<br />

vom Typ Ia. SuW 5/2005,<br />

S. 30 – 37<br />

V. Springel: Die Millennium-Simulation.<br />

Auf den Spuren <strong>der</strong> Galaxien,<br />

SuW 11/2006, S. 30 – 40<br />

SuW Dossier 1/2006 »Struktur des<br />

Kosmos«, Spektrum <strong>der</strong> Wissenschaft<br />

Verlagsgesellschaft mbH,<br />

ISSN 1612 4618<br />

SuW Special 1/2006 »Unsere kosmische<br />

Heimat – das neue Bild<br />

<strong>der</strong> Milchstraße«, Spektrum <strong>der</strong><br />

Wissenschaft Verlagsgesellschaft<br />

mbH, ISSN 1434 2057<br />

<br />

Abb. 11: Während <strong>der</strong> (hypothetischen!)<br />

Phase <strong>der</strong> kosmologischen<br />

Inflation wurde das Universum<br />

innerhalb sehr kurzer Zeit<br />

extrem stark ausgedehnt. Dabei<br />

wurden Quantenfluktuationen so<br />

stark vergrößert, dass sie zu Vorläufern<br />

heutiger Strukturen werden<br />

konnten.<br />

Zunächst müssen wir zur Kenntnis<br />

nehmen, dass fast alle Materie im Universum<br />

dunkel ist, o<strong>der</strong> jedenfalls nicht von<br />

<strong>der</strong> baryonischen Art, wie wir sie kennen.<br />

Aus <strong>der</strong> Tatsache, dass die Temperaturschwankungen<br />

im CMB im Bereich von einigen<br />

zehn Mikro- statt Millikelvin liegen,<br />

müssen wir schließen, dass die Dunkle Materie<br />

nicht mit Licht wechselwirken kann.<br />

Am plausibelsten erscheinen uns schwach<br />

wechselwirkende Elementarteilchen, aber<br />

wir haben keinen <strong>der</strong> wahrscheinlichen<br />

Kandidaten bisher auch entdeckt. Möglicherweise<br />

werden Experimente wie <strong>der</strong><br />

Large Hadron Colli<strong>der</strong>, <strong>der</strong> noch 2007 am<br />

Cern in Genf den Betrieb aufnehmen soll,<br />

eine Antwort auf die Frage liefern, woraus<br />

die Dunkle Materie besteht.<br />

Wir verstehen auch, wie kosmische<br />

Strukturen zu ihrer heutigen Amplitude<br />

angewachsen sein können, wenn wir davon<br />

ausgehen, dass sie im jungen Universum<br />

angelegt worden waren. Aber worin<br />

liegt ihr Ursprung? Wodurch wurden sie<br />

angelegt? Es stellt sich heraus, dass die ergänzende<br />

Theorie <strong>der</strong> kosmologischen<br />

Inflation hervorragend dafür geeignet<br />

sein kann, eine Antwort auf diese Frage<br />

zu geben, obwohl sie ursprünglich dazu<br />

geschaffen worden war, die räumliche<br />

Flachheit des Universums zu erklären.<br />

Wie erwähnt, ist Flachheit eine instabile<br />

Eigenschaft <strong>der</strong> Friedmann-Modelle,<br />

weil sie sich davon weg bewegen, falls<br />

sie nicht von Anfang an perfekt räumlich<br />

flach waren. Die kosmologische Inflation<br />

erklärt die Flachheit dadurch, dass sie eine<br />

Entwicklungsphase annimmt, in <strong>der</strong> sich<br />

das Universum sehr rasch sehr stark ausgedehnt<br />

hat (Abb. 10). Dadurch mag sein<br />

Krümmungsradius so groß geworden<br />

sein, dass er bis heute als beinahe unendlich<br />

erscheint und das Universum damit<br />

als räumlich flach.<br />

Wenn es eine solche Phase gab, dann<br />

müssen in ihr auch die unvermeidlichen<br />

Quantenfluktuationen extrem vergrößert<br />

worden sein, die es im sehr jungen<br />

Universum gegeben haben muss. Die Inflation<br />

kann dafür gesorgt haben, dass<br />

ursprünglich subatomar kleine Quantenfluktuationen<br />

so stark vergrößert wurden,<br />

dass sie zu Vorläufern <strong>der</strong> heutigen<br />

kosmischen Strukturen werden konnten.<br />

Für diese atemberaubende These spricht<br />

inzwischen alle Evidenz. Insbeson<strong>der</strong>e<br />

folgen aus ihr eine Reihe statistischer<br />

Eigenschaften solcherart entstandener<br />

Strukturen, die offenbar genau denen<br />

entsprechen, die wir an den kosmischen<br />

Strukturen beobachten können. Obwohl<br />

es noch keinen direkten Nachweis <strong>der</strong><br />

kosmologischen Inflation gibt, liefert sie<br />

inzwischen die einzige plausible Theorie<br />

für die räumliche Flachheit, den Ursprung<br />

kosmischer Strukturen und eine<br />

Reihe weiterer Eigenschaften des kosmologischen<br />

<strong>Standardmodell</strong>s.<br />

Wenn es eine Inflation gab, was mag<br />

sie getrieben haben? <strong>Teil</strong>chenphysiker<br />

sind nicht darum verlegen, eine physikalische<br />

Antwort darauf zu geben. Sie können<br />

zeigen, dass ein genügend stark mit<br />

sich selbst wechselwirkendes, einfaches<br />

Quantenfeld genau dazu führen kann,<br />

dass sich das Universum beschleunigt<br />

ausdehnt. Sie postulieren also ein solches<br />

Feld, das Inflatonfeld, als Ursache <strong>der</strong> kosmologischen<br />

Inflation.<br />

Wir mussten aber auch feststellen,<br />

dass das Universum heute abermals eine<br />

Phase beschleunigter Expansion durchläuft,<br />

was wir oben <strong>der</strong> kosmologischen<br />

Konstante zugeschrieben hatten. Aus vielen<br />

Gründen ist die kosmologische Konstante<br />

aus <strong>der</strong> Sicht <strong>der</strong> Allgemeinen Relativitätstheorie<br />

etwas sehr einfaches, aus<br />

<strong>der</strong> Sicht <strong>der</strong> <strong>Teil</strong>chenphysik aber etwas<br />

höchst unbefriedigendes. Also liegt es<br />

nahe, als Ursache <strong>der</strong> heutigen beschleunigten<br />

Expansion ebenso wie für die<br />

kosmologische Inflation ein geeignetes<br />

Quantenfeld anzunehmen, das üblicherweise<br />

als Kosmonfeld, Quintessenz o<strong>der</strong><br />

mit einem Oberbegriff als Dunkle Energie<br />

bezeichnet wird. Auf <strong>der</strong> Suche nach <strong>der</strong><br />

Dunklen Energie, von <strong>der</strong> wir fast nichts<br />

wissen, außer dass sie für die beschleunigte<br />

Ausdehnung des Universums verantwortlich<br />

sein soll, befinden wir uns an<br />

einem bescheidenen Anfang. Ohne Zweifel<br />

sind die Inflation, die Dunkle Materie<br />

und die Dunkle Energie die wichtigsten<br />

Rätsel, die uns das sonst so erfolgreiche<br />

kosmologische <strong>Standardmodell</strong> aufgibt.<br />

Sehr wahrscheinlich wird uns ihre Beantwortung<br />

in eine neue Ära <strong>der</strong> Physik begleiten.<br />

<br />

Matthias Bartelmann<br />

ist Direktor am <strong>Institut</strong><br />

für Theoretische Astrophysik,<br />

einem <strong>der</strong> drei<br />

<strong>Institut</strong>e des Zentrums<br />

für Astronomie <strong>der</strong> Universität<br />

Heidelberg,<br />

und Mitherausgeber<br />

von SuW.<br />

44 Sterne und Weltraum September 2007


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Sterne und Weltraum September 2007<br />

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