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Elementsynthese durch Neutroneneinfang - Institut für Theoretische ...

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Entstehung der chemischen Elemente<br />

im Kosmos<br />

H.-P. Gail<br />

<strong>Institut</strong> für <strong>Theoretische</strong> Astrophysik, Heidelberg<br />

WS 2011/12


9. <strong>Elementsynthese</strong> <strong>durch</strong> <strong>Neutroneneinfang</strong><br />

Die zunehmenden Dichten und Temperaturen im Sterninneren bei fortschreitender<br />

Entwicklung der Sterne erlauben es, daß die abstoßende<br />

Coulombbarriere für Kernrektionen bei Kernen mit zunehmender<br />

Kernladungszahl Z überwunden werden kann. Durch Brennprozesse,<br />

an denen geladene Teilchen beteiligt sind, können auf diese Weise alle<br />

Kerne bis zur Eisenspitze aufgebaut werden. Der scharfe Abfall der<br />

Elementhäufigkeiten von A = 1 bis A ≈ 50, siehe Abb. 9.??, spiegelt<br />

deutlich die Tatsache wider, daß die zunehmende Höhe der Coulombbarriere<br />

die Synthese von Elementen mit zunehmendem Z immer stärker<br />

behindert. Die einzige Ausnahme ist die ausgeprägte Häufigkeitsspitze<br />

beim Eisen (A = 56), die aus der besonders großen Bindungsenergie pro<br />

Nukleon bei diesem Kern herrührt, die dessen Bildung stark begünstigt.<br />

Seite: 9.1


9. <strong>Elementsynthese</strong> <strong>durch</strong> <strong>Neutroneneinfang</strong><br />

Wenn die Elemente jenseits der Eisenspitze auf die gleiche Weise synthetisiert<br />

würden wie die Elemente bis zur Eisenspitze, dann würde sich<br />

der scharfe Abfall der Häufigkeiten jenseits der Eisenspitze fortsetzen,<br />

weil die Höhe der Coulombbarriere bei Reaktionen zwischen geladenen<br />

Teilchen immer weiter zunimmt. Tatsächlich fällt die Häufigkeit jenseits<br />

der Eisenspitze wesentlich langsamer ab als vor der Eisenspitze, wie der<br />

Abb. 9.1 zu entnehmen ist. Das ist nur damit zu erklären, daß die Elemente<br />

mit A > 56 in Prozessen synthetisiert werden, an denen ein neutrales<br />

Teilchen beteiligt ist. Das einzige Teilchen, das hierfür in Frage<br />

kommt, ist das Neutron. Suess und Urey haben deswegen darauf hingewiesen,<br />

daß <strong>Neutroneneinfang</strong> ein möglicher Prozeß für die Bildung<br />

dieser Elemente ist. Da in diesem Prozeß keine Coulombbarriere überwunden<br />

werden muß, können die Kerne auch noch Neutronen mit außerordentlich<br />

geringer Energie einfangen. Tatsächlich nehmen <strong>Neutroneneinfang</strong>querschnitte<br />

mit abnehmender Neutronenenergie stark zu.<br />

Deswegen könen schwere Elemente bei mäßig hohen Temperaturen da<strong>durch</strong><br />

synthetisiert werden, daß man leichtere Kerne einem Fluß von<br />

Neutronen aussetzt.<br />

Seite: 9.2


<strong>Elementsynthese</strong> <strong>durch</strong> <strong>Neutroneneinfang</strong><br />

Abbildung 9.1: Häufigkeit kosmischer Elemente jenseits der Eisenspitze. Beachte die<br />

Häufigkeitsspitzen bei abgeschlossenen Schalen mit Neutronenzahlen N = 50, N = 82<br />

und N = 126 und die breiteren Spitzen bei 4 bis 10 Masseneinheiten darunter.<br />

Seite: 9.3


9. <strong>Elementsynthese</strong> <strong>durch</strong> <strong>Neutroneneinfang</strong><br />

Diese Folgerung wird <strong>durch</strong> die Existenz von Doppelspitzen in der Verteilung<br />

der Elementhäufigkeiten mit zunehmendem A gestützt, die offensichtlich<br />

mit der hohen Stabilität von Kernen mit gefüllten Schalen<br />

bei den Neutronenzahlen N = 50, 82 und 126 (magische Zahlen) zusammenhängen.<br />

Die Details der <strong>Elementsynthese</strong> <strong>durch</strong> Neutronenanlagerung<br />

wurden von Burbidge, Burbidge, Fowler und Hoyle [?] ausgearbeitet<br />

und 1957 publiziert und unabhängig davon von Cameron (1957).<br />

Von Burbidge et al. und Cameron wurde postuliert, daß Fe und andere<br />

Kerne mittlerer Masse das Ausgangsmaterial darstellen, aus denen<br />

<strong>durch</strong> <strong>Neutroneneinfang</strong> und nachfolgende β–Zerfälle die schweren Elemente<br />

aufgebaut werden. Die β–Zerfälle sind in diesem Zusammenhang<br />

erforderlich bzw. unvermeidlich, weil Kerne mit zunehmendem Neutronenüberschuß<br />

instabil gegenüber β–Zerfall werden und die Lebensdauern<br />

mit zunehmendem Uberschuß immer kürzer werden. β–Zerfälle<br />

sorgen dafür, daß sich die Kerne nach <strong>Neutroneneinfang</strong> immer wieder<br />

in Kerne höherer Stabilität umwandeln.<br />

Seite: 9.4


9.1. Der s- und der r-Prozeß<br />

Der Prozeß des Aufbaus immer massereicherer Kerne vollzieht in vielen<br />

aufeinanderfolgenden Einzelschritten, in denen die Masse des Kerns<br />

jeweils um eine Masseneinheit größer wird. In diesem Zusammenhang<br />

sind zwei verschiedene Fälle zu unterscheiden:<br />

• Aufeinanderfolgende Neutroneneinfänge erfolgen in so großen<br />

Zeitabständen, daß β–instabile Kerne, die in der Reaktionssequenz<br />

auftreten, immer genügend Zeit haben, um in einen stabilen Kern zu<br />

zerfallen. Dann entwickeln sich die Kerne praktisch längs der Talsohle<br />

der Fläche m(A, Z) (Weizsäckersche Massenformel). Dieser Prozeß<br />

wurde von Burbidge, Burbidge, Fowler und Hoyle s-Prozeß getauft,<br />

wobei s für langsam (slow) steht.<br />

Seite: 9.5


Der s- und der r-Prozeß<br />

• Aufeinanderfolgende Neutroneneinfänge erfolgen so schnell, daß β–<br />

Zerfälle in der Nähe der Talsohle der m(A, Z)-Fläche viel zu große<br />

Halbwertszeiten haben, um den Kern in die Talsohle zurückzutreiben.<br />

Die Kerne erklimmen“ dann einen Teil des Hangs, bis <strong>durch</strong><br />

”<br />

zunehmenden Neutronenüberschuß die Bindungsenergien pro Neutron<br />

so groß geworden sind, daß Photodissoziation von Neutronen<br />

und <strong>Neutroneneinfang</strong> gleich wahrscheinlich werden. Gelegentliche<br />

β–Zerfälle lassen die Kernladungszahl und da<strong>durch</strong> A allmählich anwachsen.<br />

Dieser Prozeß wurde von Burbidge, Burbidge, Fowler und<br />

Hoyle r-Prozeß getauft, wobei r für schnell (rapid) steht.<br />

Seite: 9.6


Der s- und der r-Prozeß<br />

Beide Prozesse unterscheiden sich in einem Teil ihrer jeweiligen Produkte.<br />

Es gibt Kerne, die <strong>durch</strong> den s-Prozeß nicht gebildet werden können,<br />

aber <strong>durch</strong> den r-Prozeß, und umgekehrt solche, die <strong>durch</strong> den r-Prozeß<br />

nicht gebildet werden können, aber <strong>durch</strong> den s-Prozeß. Bei der Gruppe<br />

der Kerne, die in beiden Prozessen gebildet werden können, sind<br />

im allgemeinen die relativen Häufigkeiten, mit denen diese Kerne im<br />

s- und im r-Prozeß gebildet werden, deutlich voneinander verschieden.<br />

Daß tatsächlich zwei verschiedene Prozesse an der Bildung der schweren<br />

Elemente beteiligt sind, kann aus der Häufigkeitsverteilung der Elemente<br />

erschlossen werden. Außer den Häufigkeitsspitzen bei den magischen<br />

Neutronenzahlen N = 50, 82 und 126 gibt es jeweils eine Häufigkeitsspitze<br />

bei N = 46, 76 und 116, also etwas unterhalb der magischen<br />

Zahlen. Diese Kerne können nicht im s-Prozeß entstanden sein, weil<br />

der <strong>Neutroneneinfang</strong>querschnitt für magische Kerne besonders klein ist<br />

und sich beim s-Prozeß die Kerne bei den magischen Zahlen stauen“, ”<br />

weil dort der <strong>Neutroneneinfang</strong> zum nächsten Kern besonders schwierig<br />

ist.<br />

Seite: 9.7


Der s- und der r-Prozeß<br />

Die Kerne der zweiten Häufigkeitsspitzen stammen aus dem r-Prozeß,<br />

wenn Kerne mit hohem Neutronenüberschuß gebildet werden. Dabei<br />

werden selbstverständlich ebenfalls Kerne mit magischen Neutronenzahlen<br />

mit deutlich größerer Häufigkeit als die Nachbarkerne gebildet.<br />

Wenn diese Kerne später <strong>durch</strong> β–Zerfälle in stabile Kerne übergehen,<br />

dann verringert sich ihre Neutronenzahl und die Protonenzahl nimmt<br />

zu. Die zweite Häufigkeitsspitze in den Elementhäufigkeiten bei etwas<br />

geringerer als magischer Neutronenzahl stammt von Kernen, die im r-<br />

Prozeß mit magischen Neutronenzahlen gebildet wurden.<br />

Der r-Prozeß erklärt auch die Existenz der Aktiniden Th, U und Pu im<br />

Kosmos. Diese können wegen der kurzen Lebensdauern der Kerne mit<br />

Z = 84, . . . , 89 gegenüber α–Zerfall nicht <strong>durch</strong> den s-Prozeß gebildet<br />

werden, da <strong>Neutroneneinfang</strong> <strong>durch</strong> 209 Bi (einziger stabiler Bi Kern)<br />

zu 210 Po führt, das mit einer Halbwertszeit von 138 d in 206 Pb zerfällt.<br />

Da<strong>durch</strong> entsteht <strong>durch</strong> <strong>Neutroneneinfang</strong> wieder 209 Bi und das Spiel<br />

wiederholt sich. Beim r-Prozeß wird <strong>durch</strong> eine Serie rasch aufeinander<br />

folgender Neutroneneinfänge die Stabilitätslücke bei den Kernen mit<br />

Z = 84, . . . , 89 umgangen.<br />

Seite: 9.8


Der s- und der r-Prozeß<br />

Daß die Hypothese, daß schwere Kerne <strong>durch</strong> <strong>Neutroneneinfang</strong> im s-<br />

und r-Prozeß gebildet werden können, auch vernünftig ist, wird <strong>durch</strong><br />

folgende Tatsachen untermauert:<br />

• Nur etwa 3% der Elemente im Bereich der Eisenspitze wird benötigt,<br />

um alle Elemente mit A ≥ 70 zu synthetisieren. Es ist also mehr als<br />

genug Ausgangsmaterial vorhanden.<br />

• Zu bestimmten Phasen der Sternentwicklung können im Inneren der<br />

Sterne tatsächlich ausreichend hohe Neutronenflüsse erzeugt werden,<br />

damit diese Prozesse wirksam werden können.<br />

• <strong>Neutroneneinfang</strong>querschnitte für niederenergetische Neutronen sind<br />

bei schweren Kernen sehr groß. Diese absorbieren die Neutronen geradezu<br />

begierig. Leichte Kerne haben im Vergleich dazu nur sehr<br />

kleine Einfangquerschnitte. Für diese Elemente können der s-Prozeß<br />

und der r-Prozeß nicht wirksam werden.<br />

• Die Struktur der Häufigkeitsverteilung der schweren Kerne kann<br />

zwanglos mit dem <strong>Neutroneneinfang</strong> erklärt werden.<br />

Seite: 9.9


Der s- und der r-Prozeß<br />

• Die Tatsache, daß in den Spektren von S-Sternen Tc vorhanden ist,<br />

und daß bei diesem Element kein einziges stabiles Isotop existiert,<br />

zeigt, daß in AGB Sternen der Aufbau schwerer Elemente <strong>durch</strong> <strong>Neutroneneinfang</strong><br />

abläuft. Diese Sterne sind in ihren Inneren nicht heiß<br />

und dicht genug, daß die Bildung eines Kerns wie Tc <strong>durch</strong> Reaktionen<br />

zwischen geladenen Teilchen möglich wäre.<br />

Die beiden möglichen Prozesse für die <strong>Elementsynthese</strong> <strong>durch</strong> <strong>Neutroneneinfang</strong><br />

laufen in zwei unterschiedlichen Umgebungen ab:<br />

• Der s-Prozeß ist hauptsächlich während der thermisch pulsenden<br />

Phase auf dem oberen AGB aktiv, in geringem Umfand auch bei<br />

Supernovaexplosionen vom Typ II.<br />

• Der r-Prozeß läuft während der Supernovaexplosion vom Typ II ab.<br />

Nur dort entstehen kurzfristig so hohe Neutronenflüsse, wie sie für<br />

diesen Prozeß erforderlich sind.<br />

Seite: 9.10


9.2. <strong>Neutroneneinfang</strong>querschnitte<br />

Die Neutronen, die im Sterninneren erzeugt werden, werden sehr schnell<br />

thermalisiert. Im Mittel hat sich ihre Geschwindigkeitsverteilung nach<br />

einigen Stößen mit Protonen an deren Geschwindigkeitsverteilung angepaßt.<br />

Die mittlere Zeit zwischen zwei Stößen ist<br />

τst = 1<br />

nvσ . (260)<br />

Die mittlere Teilchendichte im kompakten Kern ist<br />

n ≈ ρ mp<br />

≈ 104 g cm −3<br />

mp<br />

, (261)<br />

die mittlere Geschwindigkeit der Stoßpartner ist<br />

√<br />

kT<br />

v = , (262)<br />

mp<br />

und der mittlere Streuquerschnitt der n-p-Streuung ist σ ≈ 10 −26 cm 2 .<br />

Seite: 9.11


<strong>Neutroneneinfang</strong>querschnitte<br />

Bei einer Temperatur von T ≈ 10 8 K ist die Relaxationszeit zur thermischen<br />

Geschwindigkeitsverteilung von der Größenordnung τst = 10 −10 s.<br />

Die wahrscheinlichste Energie, bei der der Einfang geschieht, ist E0 =<br />

kT . Die Temperatur in der He Brennzone, in der der s-Prozeß abläuft,<br />

ist T ≈ 10 8 . . . 6 × 10 8 K. Die typische Energie der Neutronen bei diesen<br />

Temperaturen beträgt E0 ≈ 30 keV. Für diese Energie werden die<br />

<strong>Neutroneneinfang</strong>querschnitte für die Berechnung der Synthese der Elemente<br />

im s-Prozeß benötigt.<br />

Seite: 9.12


<strong>Neutroneneinfang</strong>querschnitte<br />

Abbildung 9.2: <strong>Neutroneneinfang</strong>querschnitte im Energiebereich 6 bis 200 keV für die<br />

Nd Isotope. Die Linien stellen eine Anpassung <strong>durch</strong> σ(E) ∝ 1/E b dar<br />

Seite: 9.13


<strong>Neutroneneinfang</strong>querschnitte<br />

Man definiert in diesem Zusammenhang einen mittleren <strong>Neutroneneinfang</strong>querschnitt<br />

〈σ〉 <strong>durch</strong><br />

〈σv〉 = 〈σ〉vth , (263)<br />

wobei vth = √ 2kT /m die thermische Geschwindigkeit ist. Im Prinzip<br />

ist 〈σ〉 <strong>durch</strong> den Mittelwert<br />

〈σ〉 = √ 2 1<br />

π<br />

(kT ) 2 ∫ ∞<br />

0<br />

dE σ(E)E e − E kT (264)<br />

bestimmt. σ(E) muß <strong>durch</strong> Messung über den interessierenden Energiebereich<br />

bestimt werden, wenn starke Resonanzen im Spiel sind, oder<br />

wenn im r-Prozeß ein breites Energieintervall zur Reaktion beiträgt.<br />

Meistens sind die Einfangquerschnitte relativ langsam variable Funktionen<br />

der Energie (vergl. Abb. 9.2) und man kann 〈σ〉 <strong>durch</strong> σ(E0)<br />

approximieren.<br />

Seite: 9.14


<strong>Neutroneneinfang</strong>querschnitte<br />

Es wurde eine spezielle Technik entwickelt, die Neutronen <strong>durch</strong> die Reaktion<br />

7 Li (p, n) 7 Be mit einer mittleren Energie E0 ≈ 25 kEV und einer<br />

Energieverteilung erzeugt, die fast perfekt einer Maxwellverteilung entspricht.<br />

Damit können alle interessierenden Querschnitte im relevanten<br />

Energiebereich gemessen werden, wobei die Messung direkt den Mittelwert<br />

〈σ〉 liefert.<br />

Durch die Bemühungen einer großen Zahl von Arbeitsgruppen sind heute<br />

die <strong>Neutroneneinfang</strong>querschnitte für eine große Zahl von Kernen mit<br />

der erforderlichen Genauigkeit gemessen. Die Abb. 9.3 zeigt die Variation<br />

der gemessene Einfangquerschnitte mit der Neutronenzahl im Kern.<br />

Folgendes ist festzustellen:<br />

Seite: 9.15


<strong>Neutroneneinfang</strong>querschnitte<br />

Abbildung 9.3: Gemessene mittlere <strong>Neutroneneinfang</strong>querschnitte 〈σ〉 bei einer Energie<br />

von E0 = 30 keV in Abhängigkeit von der Anzahl N der Neutronen im Kern.<br />

Besonders auffällig sind die ausgeprägten Minima bei den abgeschlossenen Neutronenschalen<br />

mit Z = 28, 50, 82 und N = 50, 82 und 126<br />

Seite: 9.16


<strong>Neutroneneinfang</strong>querschnitte<br />

1. Leichte Kerne haben sehr viel kleinere <strong>Neutroneneinfang</strong>querschnitte<br />

als schwere Kerne mit N > 28, A > 60. Das liegt zu einem guten Teil<br />

an der sehr viel kleineren Dichte der Energieniveaus in leichten Kernen,<br />

sodaß nur wenige Resonanzen zu 〈σ〉 beitragen. Neutronen werden fast<br />

ausschließlich von den schweren Kernen eingefangen. <strong>Neutroneneinfang</strong><br />

spielt für die Synthese der leichten Kerne keine Rolle. Allerdings kann<br />

der s-Prozeß zu meßbaren Häufigkeitsverschiebungen seltener Isotope<br />

führen (z.B. 29 Si relativ zu 28 Si.<br />

2. Bei den magischen Neutronenzahlen N = 8, 20, 28, 50, 82 und 126<br />

ist der Einfangquerschnitt drastisch kleiner als für benachbarte, nichtmagische<br />

Kerne. Dies liegt an einer drastisch reduzierten Dichte von<br />

Energieniveaus von Kernen mit abgeschlossenen Neutronenschalen im<br />

Vergleich zu benachbarten Kernen.<br />

3. Abgesehen von den Minima von 〈σ〉 bei den magischen Neutronenzahlen<br />

variiert 〈σ〉 mit N im Bereich der schweren Kerne nur wenig.<br />

Seite: 9.17


9.3 Synthese schwerer Kerne <strong>durch</strong> <strong>Neutroneneinfang</strong><br />

9.3.0 Synthese schwerer Kerne im s-Prozeß<br />

Durch den Einfang eines Neutrons wird die Massenzahl eines Kerns um<br />

eins erhöht, während die Kernladungszahl konstant bleibt<br />

(Z, A)<br />

+n<br />

−→<br />

−γ<br />

(Z, A + 1)<br />

+n<br />

−→<br />

−γ<br />

(Z, A + 2)<br />

Diese Reaktionskette kann ablaufen, solange die dabei entstehenden<br />

Kerne stabil sind. Wenn der erste instabile Kern auftritt, dann hängt<br />

das Ergebnis weiterer Prozesse von der Stromdichte der Neutronen, die<br />

auf den Kern auftreffen, und von der Lebensdauer des Kerns gegenüber<br />

β–Zerfall ab.<br />

+n<br />

−→<br />

−γ<br />

Seite: 9.18


Synthese schwerer Kerne im s-Prozeß<br />

Wenn die Lebensdauer<br />

1<br />

τnγ =<br />

(265)<br />

nn〈σ〉vth<br />

für den <strong>Neutroneneinfang</strong> sehr viel größer als die Lebensdauer τβ gegenüber<br />

β–Zerfall ist, dann heißt das Netzwerk von Kernreaktionen<br />

der s-Prozeß. In diesem Fall wird während des Prozesses eine Sequenz<br />

von Kernen <strong>durch</strong>laufen, die dicht dem Minimum der M(A, Z)-Fläche<br />

folgt.<br />

Entsprechend gibt es noch viele weitere Isotope, die auf diesem Wege<br />

nicht erreicht werden können. Diese werden im r-Prozeß und im<br />

p-Prozeß aufgebaut, die anschließend betrachtet werden.<br />

Einen Ausschnitt aus der Nuklidkarte und den Reaktionspfad, der beim<br />

s-Prozeß <strong>durch</strong>laufen wird, zeigt die Abb. 9.4. Betrachte folgenden Abschnitt<br />

der Reaktionskette, beginnend bei 127 J. Das ist der einzige stabile<br />

Jodkern:<br />

Seite: 9.19


Synthese schwerer Kerne im s-Prozeß<br />

+n<br />

127 J<br />

−→<br />

−γ<br />

128 J (266)<br />

+β<br />

128 J<br />

−→ 128 Xe τβ = 25m (267)<br />

+n<br />

128 Xe<br />

−→<br />

−γ<br />

129 Xe (268)<br />

+n<br />

129 Xe<br />

−→<br />

−γ<br />

130 Xe (269)<br />

+n<br />

130 Xe<br />

−→<br />

−γ<br />

131 Xe (270)<br />

+n<br />

131 Xe<br />

−→<br />

−γ<br />

132 Xe (271)<br />

+n<br />

132 Xe<br />

−→<br />

−γ<br />

133 Xe (272)<br />

+β<br />

133 Xe<br />

−→ 133 Cs τβ = 5.3d (273)<br />

+n<br />

133 Cs<br />

−→<br />

−γ<br />

134 Cs (274)<br />

+β<br />

134 Cs<br />

−→ 134 Ba τβ = 2.3a (275)<br />

+n<br />

134 Ba<br />

−→<br />

−γ<br />

135 Ba (276)<br />

Danach werden die stabile Ba Isotope aufgebaut. Man erkennt sofort:<br />

Die stabilen Xe-Isotope 124 Xe, 126 Xe, 134 Xe, 136 Xe können <strong>durch</strong> den<br />

s-Prozeß nicht erreicht werden. Das erfordert andere Prozesse.<br />

Seite: 9.20


Synthese schwerer Kerne im s-Prozeß<br />

Abbildung 9.4: Ausschnitt aus der Nuklidkarte mit dem s-Prozeß Pfad <strong>durch</strong> die<br />

Elemente in diesem Massenbereich.<br />

Seite: 9.21


Synthese schwerer Kerne im s-Prozeß<br />

Die β-Zerfallszeiten der Kerne, die auf den s-Prozeß Reaktionspfad auftreten,<br />

sind typischerweise von der Größenordnung einiger Sekunden<br />

bis einige Jahre. Die Bedingung für den s-Prozeß war τnγ ≫ τβ. Das ist<br />

eine Bedingung an die Größe von τnγnn:<br />

und dann<br />

τnγ =<br />

1<br />

nn〈σv〉 ≫ τ β ⇒ nnτβ ≪ 1<br />

〈σv〉<br />

nnτnγ ≈ 1<br />

〈σv〉 .<br />

Damit beispielsweise Zerfälle mit einigen Jahren Halbwertszeit schneller<br />

als der <strong>Neutroneneinfang</strong> ablaufen, muß τnγ mindestens etwa 10 Jahre<br />

sein. Bei einem typischen Querschnitt von 〈σ〉 ≈ 10 −25 cm 2 und einer<br />

Geschwindigkeit von v = 3 × 10 8 cm s −1 bei E0 = 30 keV ist 〈σv〉 ≈<br />

4 × 10 16 s cm −3 . Bei τnγ = 10 a folgt nn ≈ 10 8 Neutronen pro cm 3 .<br />

Diese Dichte darf nn im Sterninneren nicht übersteigen, damit auch die<br />

langsameren β-Zerfälle längs der Reaktionskette noch schneller ablaufen<br />

als Neutroneneinfänge.<br />

Seite: 9.22


Synthese schwerer Kerne im s-Prozeß<br />

Eine andere Bedingung ergibt sich bei der Neutronenzahl N = 61. Es<br />

gibt keinen stabilen Kern mit dieser Neutronenzahl, nur den relativ<br />

langlebigen instabilen Kern 107 Pd mit einer Halbwertszeit von τβ = 7 ×<br />

10 6 a. Damit der s-Prozeß über diesen Kern hinaus weiter kommt, muß<br />

τnγ deutlich kürzer als diese Zeit sein. Das ergibt die Bedingung nn 10 2<br />

Neutronen pro cm 3 . Ähnliche Probleme ergeben sich bei N = 35, 39,<br />

45, 89, 115 und 123. An diesen Stellen kann wegen langlebiger instabiler<br />

Kerne die Bedingung τnγ ≪ τβ nicht ohne weiteres eingehalten werden.<br />

Der s-Prozeß endet beim 209 Bi, weil danach der kurzlebige (τα = 138 d)<br />

α-instabile aber β-stabile Kern 210 Po folgt, dessen Zerfall zum 206 Pb<br />

zurückführt. Noch schwerere Kerne sind deswegen <strong>durch</strong> den s-Prozeß<br />

nicht erreichbar.<br />

Seite: 9.23


9.3.1 Synthese schwerer Kerne im r-Prozeß<br />

Das andere Extrem zum s-Prozeß ist der Fall, wenn <strong>Neutroneneinfang</strong><br />

auf einer so kurzen Zeitskala erfolgt, daß diese klein gegenüber der<br />

kürzesten Zeitskala für β-Zerfall ist, die in der Nähe der stabilen Kerne<br />

auftritt, z.B. τβ ≈ 10 −3 s. Die Sequenz von Reaktionen, die in diesem<br />

Fall auftritt, wird als r-Prozeß bezeichnet.<br />

Auch dieser r-Prozeß bnötigt zum Start Kerne, an den die Neutronen<br />

angelagert werden können. Und auch in diesem Prozeß dienen die 56 Fe<br />

Kerne und in gewissem Umfang die Kerne in der Umgebung der Eisenspitze<br />

als Ausgangsmaterial. Bei sehr raschem <strong>Neutroneneinfang</strong> werden<br />

nacheinander immer neutronenreichere Kerne gebildet, bis die Zeit für<br />

Photodissoziation der Neutronen, die mit wachsendem Neutronenüberschuß<br />

und dabei abnehmender Bindungsenergie der Neutronen, in die<br />

Größenordnung der Anlagerungszeit für Neutronen kommt. Ab dann<br />

wachsen die Kerne <strong>durch</strong> gelegentliche β-Zerfälle und weitere Neutronenanlagerung<br />

auf der neutronenreichen Flanke der M(A, Z)-Fläche zu<br />

immer größeren A und Z. Für eine Konkurrenz des <strong>Neutroneneinfang</strong>s<br />

mit β Zerfallszeiten von 10 −4 Sekunden ist eine Neutronendichte von<br />

nn ≈ 3 × 10 20 Neutronen pro cm 3 erforderlich. Diese Dichte kann nicht<br />

<strong>durch</strong> Brennprozesse im Sterninneren erreicht werden. Hier kommen<br />

nur explosive Prozesse in Frage, beispielsweise in Supernovae.<br />

Seite: 9.24


Synthese schwerer Kerne im r-Prozeß<br />

Abbildung 9.5: Ausschnitt aus der Nuklidkarte mit dem s-Prozeß Bildungspfad und<br />

den Pfaden für die β-Zerfälle nach dem Abschalten der Neutronenquelle für den r-<br />

Prozeß.<br />

Seite: 9.25


Synthese schwerer Kerne im r-Prozeß<br />

Wenn die Neutronenquelle für den r-Prozeß erlischt, dann zerfallen die<br />

kurzlebigen β-instabilen Kerne, die im r-Pozeß gebildet wurden, und bewegen<br />

sich bei konstantem A und wachsendem Z zum Stabilitätstal der<br />

M(A, Z)-Fläche. Dies ist in Abb. 9.5 an einem Ausschnitt der Nuklidkarte<br />

dargestellt. Dabei können alle Kerne gebildet werden, die auf der<br />

neutronenreichen Seite des s-Prozeß Pfades liegen und vom s-Prozeß<br />

selbst nicht erreicht werden können. Beim Xe sind das beispielsweise<br />

die beiden Isotope 134 Xe und 136 Xe. Solche Kerne werden nur <strong>durch</strong> den<br />

r-Prozeß gebildet.<br />

Wie aus der Abb. 9.5 unmittelbar ersichtlich ist, kann ein großer Teil<br />

der Kerne, die im s-Prozeß gebildet werden, auch ebensogut <strong>durch</strong> den<br />

r-Prozeß gebildet werden. Es gibt aber auch Kerne (insgesamt 28) die<br />

nur <strong>durch</strong> den s-Prozeß gebildet werden können, weil ein stabiler Kern<br />

auf dem β-Zerfallspfad von der neutronenreichen Seite her auf dem Weg<br />

davorliegt, sodaß die β-Zerfallskette an diesem davorliegenden Kern endet.<br />

Seite: 9.26


Synthese schwerer Kerne im r-Prozeß<br />

Beim Xe sind das beispielsweise folgende beiden Kerne (vergl. Abb. 9.5):<br />

128 Xe (<strong>durch</strong><br />

128 Te abgeschirmt)<br />

130 Xe (<strong>durch</strong><br />

130 Te abgeschirmt)<br />

Die abschirmenden Kerne ihrerseits können nicht <strong>durch</strong> den s-Prozeß<br />

sondern nur im s-Prozeß gebildet werden.<br />

Durch den r-Prozeß können die α-instabilen Kerne zwischen Po und Ac<br />

umgangen werden. Da<strong>durch</strong> wird die Bildung der schweren, instabilen,<br />

aber sehr langlebigen Kerne im Berech der Aktiniden möglich. Aber<br />

auch dieser Pfad endet, wenn die Lebensdauer der massereichsten Kerne<br />

gegenüber spontaner Spaltung kurz gegenüber der Zeitskala für weitere<br />

Neutronenanlagerung und β-Zerfälle wird.<br />

Seite: 9.27


9.3.2 Synthese schwerer Kerne im p-Prozeß<br />

Durch keinen der beiden vorangehenden Prozesse können die Kerne auf<br />

der protonenreichen Seite des s-Prozeß Pfades gebildet werden, die im<br />

s-Prozeß nicht erreicht werden. Beim Xe gilt dies für die Isotope 124 Xe<br />

und 126 Xe, vergl. Abb. 9.5. Die Bildung dieser Kerne erfordert einen der<br />

folgenden Prozesse:<br />

• Protoneneinfang,<br />

• die Reaktion (p, n),<br />

• Positronenerzeugung und Einfang eines Positrons.<br />

Der Prozeß, der zur Bildung der protonenreichen Kerne führt, wird als<br />

p-Prozeß bezeichnet. Dieser Prozeß ist immer noch nicht völlig aufgeklärt.<br />

Generell haben die Kerne, die im p-Prozeß erzeugt werden<br />

müssen, eine um 10 −2 bis 10 −3 mal kleinere Häufigkeit als die Kerne,<br />

die im s- oder r-Prozeß erzeugt werden.<br />

Seite: 9.28


9.3.3 Trans-Eisen Elemente<br />

Die Trans-Eisen Elemente werden also in drei verschiedenen Prozessen<br />

aufgebaut: Im s-, r- und p-Prozeß. Diese Schlußfolgerung von Burbidge,<br />

Burbidge, Fowler und Hoyle sowie von Cameron aus dem Jahre 1957 ist<br />

auch heute immer noch unverändert gültig.<br />

Seite: 9.29


9.4 Häufigkeitsverteilung der s-Prozeß Elemente<br />

Die Häufigkeit nA eines im s-Prozeß gebildeten Isotops ist <strong>durch</strong> folgende<br />

Ratengleichung bestimmt:<br />

d nA<br />

d t<br />

= nnnA−1〈σv〉A−1 − nnnA〈σv〉A − 1<br />

τβ,A<br />

nA + 1<br />

τβ,A−1<br />

nA−1 . (277)<br />

A ist eine Ordnungszahl längs des s-Prozeß Pfades (nicht unbedingt<br />

mit dem Atomgewicht identisch). Der erste Term ist der Gewinn von<br />

A <strong>durch</strong> <strong>Neutroneneinfang</strong> von A − 1, der zweite der Verlust von A<br />

<strong>durch</strong> den nächsten <strong>Neutroneneinfang</strong>, der dritte der Verlust von A<br />

<strong>durch</strong> β-Zerfall von A nach A + 1 und der vierte der Gewinn von A<br />

<strong>durch</strong> β-Zerfall von A − 1 nach A. Bei Gewinn und Verlust dominiert<br />

jeweils einer der beiden Prozesse: <strong>Neutroneneinfang</strong> oder β-Zerfall. Das<br />

System der Differentialgleichungen (277) bestimmt die Häufigkeit der<br />

Isotope, die im s-Prozeß gebildet werden.<br />

Seite: 9.30


Häufigkeitsverteilung der s-Prozeß Elemente<br />

Nach Annahme sind die β-Zerfallszeiten kurz im Vergleich zu den Einfangszeiten<br />

für Neutronen. Für einen β-instabilen Kern gilt dann<br />

d nA<br />

d t<br />

= nnnA−1〈σv〉A−1 − 1<br />

τβ,A<br />

nA . (β − instabil) (278)<br />

Wenn sich nn und nA−1 auf Zeitskalen ändern, die lang gegenüber τβ<br />

sind, dann können diese Größen als konstant angenommen werden. Die<br />

Lösung von (278) mit der Anfangsbedingung nA(0) = 0 ist<br />

(<br />

)<br />

nA(t) = nnnA−1τβ,A〈σv〉A−1 1 − e −t/τ β,A<br />

. (279)<br />

Die Teilchendichte von A strebt also auf der kurzen Zeitskala τβ,A gegen<br />

die konstante Dichte<br />

nA,eq(t) = nnnA−1τβ,A〈σv〉A−1 . (280)<br />

Seite: 9.31


Häufigkeitsverteilung der s-Prozeß Elemente<br />

Die Dichte des β-instabilen Isotops ist also zu jedem Zeitpunkt <strong>durch</strong><br />

die Dichte des stabilen Elternisotops A − 1 gemäß (280) gegeben und<br />

paßt sich auf der kurzen Zeitskala τβ,A allen langsamen Änderungen von<br />

nA−1 an. Die Änderung der Teilchenzahl des Kerns von A+1, der <strong>durch</strong><br />

den Zerfall von A entsteht, ist<br />

d nA+1<br />

d t<br />

= + 1<br />

τβ,A<br />

nA − nnnA+1〈σv〉A+1 , (281)<br />

da im s-Prozeß auf den β-instabilen Kern A wieder ein stabiles Isotop<br />

folgt. Mit (280) gilt<br />

d nA+1<br />

d t<br />

= + 1<br />

τβ,A<br />

nnnA−1τβ,A〈σv〉A−1 − nnnA+1〈σv〉A+1<br />

= nnnA−1〈σv〉A−1 − nnnA+1〈σv〉A+1 , (282)<br />

Der kurzlebige, instabile Kern A ist in dieser Gleichung ganz herausgefallen.<br />

Seite: 9.32


Häufigkeitsverteilung der s-Prozeß Elemente<br />

Wenn die Voraussetzungen für den s-Prozeß erfüllt sind, dann kann statt<br />

(277) das einfachere Gleichungssystem<br />

d nA<br />

d t<br />

= nnnA−1〈σv〉A−1 − nnnA〈σv〉A (283)<br />

verwendet werden, in dem nur die stabilen Isotope betrachtet werden,<br />

und in der A dann das Atomgewicht ist. Die Dichte der instabilen Zwischenkerne<br />

ist <strong>durch</strong> (280) und die Lösung für die stabilen Kerne eindeutig<br />

festgelegt.<br />

Seite: 9.33


Häufigkeitsverteilung der s-Prozeß Elemente<br />

Mit den Definitionen 〈σv〉 = 〈σ〉vth und<br />

folgt die Differentialgleichung<br />

τ =<br />

∫ t<br />

0<br />

dt ′ vthnn (284)<br />

d nA<br />

d τ = 〈σ〉 A−1nA−1 − 〈σ〉anA . (285)<br />

Die Änderung der Häufigkeiten hängt nur von der Zahl der Neutronen<br />

pro Flächeneinheit τ ab, die während der Dauer der Bestrahlungszeit t<br />

auf die Materie aufgetroffen sind.<br />

Seite: 9.34


Häufigkeitsverteilung der s-Prozeß Elemente<br />

Abbildung 9.6: Produkt des <strong>Neutroneneinfang</strong>querschnitts (bei E0 = 30 keV) und der<br />

Isotopenhäufigkeit im Sonnensystem als Funktion der atomaren Masse A für Isotope,<br />

die ausschließlich <strong>durch</strong> den s-Prozeß erzeugt werden.<br />

Seite: 9.35


Häufigkeitsverteilung der s-Prozeß Elemente<br />

In einem Zustand, in dem sich fast ein Gleichgewicht zwischen der Erzeugung<br />

und der Zerstörung der Isotope eingestellt hat, gilt dann<br />

〈σ〉AnA = const. (286)<br />

Die Häufigkeit der Isotope ist dann umgekehrt proportional zum <strong>Neutroneneinfang</strong>querschnitt.<br />

Da der <strong>Neutroneneinfang</strong>querschnitt über<br />

weite Bereiche nur wenig variiert, sollte na nahezu konstant sein. Nur in<br />

der Nähe der magischen Neutronenzahlen, in denen 〈σ〉 besonders klein<br />

ist, sollten lokale Maxima in der Häufigkeit auftreten. Das ist auch genau<br />

das, was man an der Häufigkeitsverteilung der Trans-Eisen-Elemente<br />

feststellt. Für quantitative Vergleiche können allerdings nur die Isotope<br />

verwendet werden, die ausschließlich <strong>durch</strong> den s-Prozeß erzeugt werden.<br />

Abbildung 9.6 zeigt, daß für solche Isotope in Bereichen zwischen<br />

den magischen Zahlen 〈σ〉 = const gut erfüllt ist.<br />

Seite: 9.36


Häufigkeitsverteilung der s-Prozeß Elemente<br />

Abbildung 9.7: Berechnete Verteilung 〈σ〉 für verschiedene Intensitäten der Neutronenbestrahlung.<br />

Seite: 9.37


Häufigkeitsverteilung der s-Prozeß Elemente<br />

Bei den magischen Neutronenzahlen ist 〈σ〉 sehr klein. Für solche<br />

Isotope ist die Annahme dnA/dt = 0 nicht mehr gerechtfertigt. Bei<br />

vollständigem Gleichgewicht müßte 〈σ〉 = const über den ganzen Bereich<br />

von 56 Fe bis 209 Bi gelten, was aber nicht der Fall ist. Bei der s-<br />

Prozeß <strong>Elementsynthese</strong> wurde also kein vollständiges Gleichgewicht erreicht.<br />

Deswegen muß der Syntheseprozeß als Funktion der Bestrahlung<br />

<strong>durch</strong> Neutronen untersucht werden. Ein gutes Maß für die gesamte<br />

Strärke der Bestrahlung <strong>durch</strong> Neutronen ist die Gesamtzahl der Neutronen,<br />

die eingefangen wurden<br />

nc =<br />

∑<br />

209<br />

A=56<br />

(A − 56) n A(τ )<br />

n56<br />

. (287)<br />

Die Verteilung der Elementhäufigkeiten <strong>durch</strong> Produktion im s-Prozeß<br />

in Abhängigkeit von nc zeigt Abb. 9.7. Die tatsächliche Verteilung kann<br />

mit keiner Lösung des Systems (285) reproduziert werden. Man muß<br />

dazu offensichtlich Lösungen mit verschiedenen nc überlagern. Da die<br />

tatsächliche Elementhäufigkeit das Resultat der Vermischung von Material<br />

aus sehr unterschiedlichen Sternen ist, ist das auch gar nicht anders<br />

zu erwarten.<br />

Seite: 9.38


Häufigkeitsverteilung der s-Prozeß Elemente<br />

Sei ρ(τ ) die Wahrscheinlichkeitsverteilung, daß die Neutronenbestrahlungsstärken<br />

von 56 Fe zwischen τ und τ + dτ liegt. Die Häufigkeit eines<br />

bestimmten Isotops ist dann<br />

〈σ〉¯nA =<br />

∫ ∞<br />

0<br />

dτ 〈σ〉AnA(τ )ρ(τ ) . (288)<br />

Wenn ρ(τ ) bekannt ist, ist damit nA eindeutig bestimmt. Da sich ρ(τ )<br />

aus der Modellierung von Sternentwicklung, <strong>Elementsynthese</strong> im Stern<br />

und Massenverlustprozessen nicht bestimmen läßt, weil über die einzelnen<br />

Prozesse noch nicht genügend Informationen vorliegen, muß man<br />

versuchen, <strong>durch</strong> probieren eine passende Form für ρ(τ ) zu finden.<br />

Seite: 9.39


Häufigkeitsverteilung der s-Prozeß Elemente<br />

Es hat sich gezeigt, daß die Häufigkeitsverteilung der s-Prozeß Elemente<br />

mit einer exponentiellen Verteilung<br />

ρ(τ ) = N56<br />

1<br />

τ0<br />

e − τ τ 0 (289)<br />

reproduziert werden kann. Dieses ρ ist auf die Dichte der 56 Fe Kerne<br />

normiert ∫ ∞<br />

dτ ρ(τ ) = N56 . (290)<br />

0<br />

Das ist aber nicht die einzig mögliche Form. Befriedigende Anpassungen<br />

können auch mit einigen anderen Annahmen über ρ(τ ) erhalten werden.<br />

Seite: 9.40


Häufigkeitsverteilung der s-Prozeß Elemente<br />

Der Ansatz (289) führt zu einer einfachen Lösung für die gemittelte<br />

Häufigkeit der s-Prozeß Isotope. Multipliziere die Differentialgleichung<br />

(285) mit (289) und integriere über τ<br />

∫ ∞<br />

dτ ρ(τ ) d N a<br />

d τ = 〈σ〉 A−1¯nA−1 − 〈σ〉a¯nA .<br />

0<br />

Auf der linken Seite wird partiell integriert. Dabei ist zu beachten daß<br />

nA(0) = 0 und ρ(∞) = 0. Es folgt<br />

∫ ∞<br />

dτ ρ(τ ) d N a<br />

0<br />

d τ = 1<br />

〈σ〉Aτ0<br />

und damit<br />

〈σ〉A¯nA = 〈σ〉 A−1¯nA−1<br />

1 + 1<br />

〈σ〉 A τ0<br />

. (291)<br />

Seite: 9.41


Häufigkeitsverteilung der s-Prozeß Elemente<br />

Diese mittlere Verteilung hat folgende Eigenschaften:<br />

1. Im Massenbereich zwischen abgeschlossenen Neutronenschalen ist<br />

der Querschnitt sehr groß und damit auch 〈σ〉Aτ0. In diesem Bereich<br />

gilt für die mittlere Verteilung wieder 〈σ〉AnA = const, wie es auch beobachtet<br />

wird.<br />

2. Im Bereich abgeschlossener Neutronenschalen ist 〈σ〉Aτ0 ≪ 1 und<br />

die gemittelte Häufigkeit nimmt über einige Massenzahlen in jedem<br />

Schritt stark ab. Dies entspricht dem raschen Abfall der Häufigkeit der<br />

s-Prozeß Elemente im Bereich der magischen Zahlen, der in der kosmischen<br />

Häufigkeitsverteilung beobachtet wird.<br />

Die gemittelte Lösung (291) gibt die Eigenschaften der Häufigkeitsverteilung<br />

der s-Prozeß Elemente gut wieder. Das wird als Beleg dafür<br />

betrachtet, daß die Vorstellungen über den Ursprung dieser Elemente<br />

im Prinzip richtig sind.<br />

Seite: 9.42


Häufigkeitsverteilung der s-Prozeß Elemente<br />

Die freien Parameter in der Verteilung (289) sind τ0 und N56. Diese<br />

müssen <strong>durch</strong> eine Anpassung an die beobachteten Häufigkeiten bestimmt<br />

werden. Praktisch scheint man hierfür mindestens zwei Verteilungen<br />

von der Form (289) zu benötigen, wo<strong>durch</strong> in (291) im Nenner<br />

zwei Terme von der Form 1/στ auftreten. Wenn man N56 <strong>durch</strong> das<br />

Verhältnis zur kosmischen Häufigkeit von 56 Fe ausdrückt, dann ergibt<br />

sich als beste Anpassung<br />

τ01 = 0.06 Neutronen ,<br />

mb<br />

f1 = 2.7% , nc1 = 1.1<br />

τ02 = 0.24 Neutronen ,<br />

mb<br />

f1 = 0.09% , nc1 = 8.2<br />

Praktisch alle s-Prozeß Elemente wurden in der zweiten Komponente<br />

mit starker Neutronenbestrahlung erzeugt. Die schwache erste Komponente<br />

ist für den raschen Abfall der Häufigkeit im Bereich zwischen dem<br />

Saatkern 56 Fe und den Kernen im Bereich der abgeschlossenen Schale<br />

N = 80 verantwortlich.<br />

Seite: 9.43


Häufigkeitsverteilung der s-Prozeß Elemente<br />

Die kleine Zahl insgesamt eingefangener Neutronen von 8.2 im zweiten<br />

Prozeß darf nicht dahingehend interpretiert werden, daß nicht genügend<br />

Neutronen eingefangen wurden um 209 Bi bilden zu können. Sie besagt<br />

nur, daß zu den schwersten Kernen nur die seltensten Ereignisse mit<br />

besonders großem τ beigetragen haben.<br />

Seite: 9.44


9.5 Verzweigungen beim s-Prozeß<br />

Der Synthesepfad im s-Prozeß ist nur dann völlig eindeutig definiert,<br />

wenn entweder τβ ≪ τnγ oder τβ ≫ τnγ. Diese Bedingungen sind längs<br />

des Pfades fast überall erfüllt, sodaß der Syntheseweg dort eindeutig<br />

feststeht. An einigen Stellen längs Pfades kommen jedoch β-instabile<br />

Kerne mit Lebensdauern von einigen tausend Jahren vor. Hier erfolgt<br />

eventuell die Anlagerung eines weiteren Neutrons, ehe die Kerne einen<br />

β-Zerfall erleiden. Dann kommt es an dieser Stelle zu einer lokalen Verzweigung<br />

des Synthesepfades im s-Prozeß.<br />

Als Beispiel hierfür sei die Verzeigung bei 79 Se betrachtet. Abbildung 9.8<br />

zeigt einen Ausschnitt aus der Nuklidkarte im Bereich dieses Kerns. Die<br />

Lebensdauer des 79 Se Kerns von 6.5 × 10 4 a gegenüber β-Zerfall ist so<br />

hoch, daß mit einiger Wahrscheinlichkeit ein <strong>Neutroneneinfang</strong> zum 80 Se<br />

erfolgt statt eines β-Zerfalls zum 79 Br. Es gibt zwei Möglichkeiten:<br />

Seite: 9.45


Verzweigungen beim s-Prozeß<br />

Abbildung 9.8: Verzweigung des s-Prozeß Synthesepfads bei 79 Se.<br />

Seite: 9.46


Verzweigungen beim s-Prozeß<br />

• Wenn erst ein β-Zerfall erfolgt, dann geht der s-Prozeß Pfad <strong>durch</strong><br />

79 Br,<br />

80 Kr und<br />

81 Kr zum<br />

82 Kr. Der<br />

82 Kr Kern ist zwar ebenfalls β-<br />

instabil, hat aber eine so große Lebensdauer, daß er in diesem Zusammenhang<br />

als stabil betrachtet werden kann (an dieser Stelle kommt<br />

es zu keiner Verzeigung).<br />

• Wenn am 79 Se zuerst ein <strong>Neutroneneinfang</strong> erfolgt, dann geht der<br />

s-Prozeß Pfad <strong>durch</strong> 80 Se und 81 Br zum 82 Kr.<br />

Beim 82 Kr vereinigen sich die beiden Teilpfade wieder. Von Bedeutung<br />

ist nun, daß 80 Kr und 82 Kr Isotope sind, die nur <strong>durch</strong> den s-Prozeß erzeugt<br />

werden können. Das 80 Kr wird dabei nur <strong>durch</strong> den Pfad erzeugt,<br />

der auf den β-Zerfall von 79 Se folgt. Das gilt auch für das 81 Kr Isotop,<br />

aber dieses ist in Material aus dem Planetensystem, an dem solche<br />

Isotopenhäufigkeiten bestimmt werden, natürlich völlig verschwunden.<br />

Seite: 9.47


Verzweigungen beim s-Prozeß<br />

Das 82 Kr Isotop wird <strong>durch</strong> beide Zweige des s-Prozeß Pfades erzeugt.<br />

Ein nennenswerter Beitrag des p-Prozesses zur Erzeugung von 80 Kr und<br />

82 Kr ist nicht anzunehmen, weil die Häufigkeit von 78 Kr, das nur im<br />

p-Prozeß erzeugt werden kann, ziemlich klein ist. Das relative Häufigkeitsverhältnis<br />

von 80 Kr und 82 Kr ist unter diesen Umständen<br />

〈σ〉A¯n80 Kr<br />

=<br />

〈σ〉A¯n82 Kr<br />

1<br />

τβ( 79 Se)<br />

1<br />

τβ( 79 Se) + 1<br />

τnγ( 79 Se)<br />

. (292)<br />

Aus dem beobachteten Isotopenverhältnis ergibt sich direkt das Verhältnis<br />

der Zeitskalen τβ/τnγ für 79 Se. Daraus kann man auf die Bedingungen<br />

schließen, unter denen der s-Prozeß abgelaufen ist.<br />

Seite: 9.48


Verzweigungen beim s-Prozeß<br />

Im Prinzip bestimmt (292) die Neutronendichte nn während des Ablaufs<br />

des s-Prozesses, wenn die β-Zerfallsrate bekannt ist. Für diese darf aber<br />

nicht ohne weiteres die im Laboratorium gemessene Rate τβ verwendet<br />

werden, denn im Stern kann die β-Zerfallsrate völlig anders als im Laboratorium<br />

sein. Hierfür gibt es zwei Gründe.<br />

Zum einen können β-Zerfälle <strong>durch</strong> Entartung des Elektronengases behindert<br />

werden, wenn die möglichen Elektronenzustände im Kontinuum<br />

schon besetzt sind und für den zum Zerfall bereiten Kern kein freier<br />

Elektronenzustand verfügbar ist, in den das Elektron emittiert werden<br />

könnte.<br />

Zum anderen können β-Zerfälle auch von angeregten Zuständen aus erfolgen,<br />

die bei den hohen Temperaturen im Sterninneren besetzt sind,<br />

aber nicht unter den Verhältnissen im Laboratorium. Es gibt Fälle, in<br />

denen der Grundzustand stabil oder praktisch stabil gegenüber β-Zerfall<br />

ist, während die Lebensdauer eines angeregten Zustands gegenüber β-<br />

Zerfall nur kurz ist.<br />

Seite: 9.49


Verzweigungen beim s-Prozeß<br />

Abbildung 9.9: Die Verzweigung des s-Prozesses bei 176 Lu, verursacht <strong>durch</strong> einen<br />

angeregten Zustand mit kurzer β-Zerfallszeit.<br />

Seite: 9.50


Verzweigungen beim s-Prozeß<br />

Fortsetzung: Die Verzweigung des s-Prozesses bei 176 Lu.<br />

Seite: 9.51


Verzweigungen beim s-Prozeß<br />

Ein Beispiel für den raschen β-Zerfall eines im Grundzustand stabilen<br />

Kerns über einen angeregten Zustand ist 176 Lu, siehe Abb. 9.9. Dieser<br />

hat im Grundzustand gegenüber Zerfall in 176 Hf eine Lebensdauer von<br />

3.6 × 10 10 a, ist also nach allen praktischen Maßstäben stabil. 127 keV<br />

über dem Grundzustand (7 − ) existiert ein metastabiler angeregter Zustand<br />

(1 − ), von dem aus praktisch kein γ Ubergang in den Grundzustand<br />

möglich ist, der aber mit einer Lebensdauer von 3.7 h einen β-<br />

Zerfall in 176 Hf erleidet. Dieser Zustand wird <strong>durch</strong> <strong>Neutroneneinfang</strong><br />

<strong>durch</strong> 175 Lu mit einer Wahrscheinlichkeit von 64% bevölkert und geht<br />

<strong>durch</strong> β-Zerfall anschließend in 176 Hf über. In den anderen 34% aller<br />

Fälle erfolgt der radiative n-Einfang in den Grundzustand von 176 Lu.<br />

Von dort aus führt ein <strong>Neutroneneinfang</strong> zu 177 Lu und nachfolgender β-<br />

Zerfall zu 177 Hf. Durch diese besonderen Umstände kommt es an dieser<br />

Stelle zu einer Verzweigung im s-Prozeß.<br />

Seite: 9.52


Verzweigungen beim s-Prozeß<br />

Die Analyse der genauen Umstände unter denen es zu einer Verzweigung<br />

im s-Prozeß Pfad kommt und der Häufigkeiten bestimmter Isotope<br />

an den Verzweigungen liefert Informationen über Neutronendichten und<br />

Temperaturen am Ort, an dem der s-Prozeß abgelaufen ist. Die Ergebnisse<br />

passen in etwa zu den Verhältnissen, die in der He-Brennzone in<br />

AGB Sternen vorherrschen. Sie sind aber nicht eindeutig, weil wegen<br />

der Unterschiede in den Objekten, die zur beobachteten Elementverteilung<br />

beigetragen haben, die Neutronendichten und Temperaturen in<br />

den einzelnen Objekten doch recht unterschiedlich sind.<br />

Seite: 9.53


9.6 Der r-Prozeß<br />

Unter den schweren Kernen mit A > 70 gibt es 27 Isotope, die ausschließlich<br />

im r-Prozeß und 28 Isotope, die ausschließlich im s-Prozeß<br />

gebildet werden können. Der große Rest der stabilen Isotope kann in beiden<br />

Prozessen erzeugt werden. Ein kleiner Teil kann nur im p-Prozeß erzeugt<br />

werden. Außerdem gibt es die langlebigen instabilen Kerne 232 Th,<br />

235 U,<br />

238 U und<br />

244 Pu, die auf keinen Fall im s-Prozeß erzeugt werden,<br />

da dieser beim 209 Bi endet. Diese Kerne müssen auf jeden Fall <strong>durch</strong><br />

schnellen <strong>Neutroneneinfang</strong> synthetisiert werden, da sich nur so die Stabilitätslücke<br />

zwischen 209 Bi und 232 Th umgehen läßt, in der die Kerne<br />

kurze α-Zerfallszeiten haben (siehe Tab. 9.1).<br />

Seite: 9.54


Der r-Prozeß<br />

Tabelle 9.1: α-Zerfallszeiten der längstlebigen Isotope in der Stabilitätslücke<br />

zwischen 209 Bi und 232 Th.<br />

209<br />

Isotop Po<br />

210 At<br />

222 Rn<br />

223 Fr<br />

226 Ra<br />

222 Ac<br />

τα 103 a 8.3 h 3.82 d 22 m 1600 a 21.6 a<br />

Seite: 9.55


Der r-Prozeß<br />

Abbildung 9.10: Häufigkeitsverteilung der r-Prozeß Elemente, bestimmt als Differenz<br />

der solaren Häufigkeiten der Nuklide und des theoretisch bestimmten Anteils der s-<br />

Prozeß Elemente.<br />

Seite: 9.56


Der r-Prozeß<br />

Den Anteil der Isotope, die im r-Prozeß erzeugt werden, erhält man<br />

da<strong>durch</strong>, daß zuerst die Häufigkeit der im s-Prozeß erzeugten Isotope<br />

<strong>durch</strong> eine Anpassung eines theoretischen Modells an die Isotope, die<br />

ausschließlich im s-Prozeß erzeugt werden, bestimmt und dann von der<br />

gesamten beobachten Häufigkeitsverteilung der Isotope den Anteil der<br />

im s-Prozeß erzeugten Isotope subtrahiert. Der verbleibende Rest ist<br />

annähernd die Häufigkeitsverteilung der Isotope, die im r-Prozeß erzeugt<br />

wurden. Das Ergebnis einer solchen Bestimmung ist in Abb. 9.10<br />

dargestellt.<br />

Merkliche Unsicherheiten entstehen bei dieser Vorgehensweise da<strong>durch</strong>,<br />

daß die <strong>Neutroneneinfang</strong>querschnitte sehr genau bekannt sein müssen,<br />

damit die Differenz zwischen der beobachteten und Häufigkeit und dem<br />

Modell nicht nur die Meßungenauigkeiten der 〈σ〉A widerspiegelt. Die<br />

ausgeprägten Maxima bei A ≈ 80, 130 und 195 zeigen, daß die Differenz<br />

nicht allein auf Unsicherheiten in 〈σ〉A beruht, da diese Differenzen weit<br />

über den Meßungenauigkeiten von 〈σ〉A liegen.<br />

Seite: 9.57


9.6.1 Synthese schwerer Kerne im r-Prozeß<br />

Der Mechanismus der <strong>Elementsynthese</strong> im r-Prozeß läuft ähnlich wie im<br />

s-Prozeß ab, nur daß im Fall des r-Prozesses <strong>durch</strong> eine hone Neutronendichte<br />

die Einfangrate für Neutronen in der Nähe des Stabilitätstals<br />

kurz gegenüber den β-Zerfallszeiten ist.<br />

Ein bestimmter Kern (Z, A) wandelt sich dann schnell <strong>durch</strong> eine Serie<br />

von Neutroneneinfängen in das sehr neutronenreiche Isotop (Z, A + i)<br />

um. Die β-Zerfallszeiten für neutronenreiche Kerne sind sehr kurz, sie<br />

liegen im Bereich 10 −3 . . . 10 0 Sekunden. Bei τnγ ≤ 1 ms (um mit den<br />

schnellsten β-Zerfällen zu konkurrieren) ist eine Neutronendichte von<br />

n10 19 cm −3 erforderlich.<br />

Seite: 9.58


Häufigkeitsverteilung der s-Prozeß Elemente<br />

Abbildung 9.11: Unterschied zwischen r-Prozeß und s-Prozeß.<br />

Seite: 9.59


Synthese schwerer Kerne im r-Prozeß<br />

Mit zunehmendem Neutronenüberschuß nehmen die Bindungsenergien<br />

der Neutronen immer mehr ab. Bei sehr großem Neutronenüberschuß<br />

würde die Bindungsenergie Q → 0 gehen. Bei kleinen Neutronenbindungsenergien<br />

wird bei hohen Temperaturen eine Photodissoziation des<br />

Kerns möglich, bei der ein Photon absorbiert und ein Neutron emittiert<br />

wird. Dies begrenzt die Zahl der Neutronen, die insgesamt an einen<br />

Kern angelagert werden können, auf die Anzahl an Neutronen, bei der<br />

die Rate für den <strong>Neutroneneinfang</strong> und die Photodissoziationsrate miteinander<br />

ins Gleichgewicht kommen<br />

1<br />

τnγ<br />

= 1<br />

τγn<br />

. (293)<br />

Für die Änderung der Teilchendichte gilt die Ratengleichung<br />

d n(Z, N)<br />

d t<br />

= 1 n(Z, N −1)−<br />

τnγ τ γn<br />

n(Z, N)− 1 n(Z, N)+ 1<br />

τnγ<br />

τγn<br />

n(Z, N +1) .<br />

(294)<br />

Seite: 9.60


Synthese schwerer Kerne im r-Prozeß<br />

Im thermodynamischen Gleichgewichtszustand muß jeder einzelne Prozeß<br />

für sich im Gleichgewichtszustand sein (Prinzip der detaillierten<br />

Gleichgewichts). Im thermodynamischen Gleichgewicht gilt dann notwendigerweise<br />

1 ◦ 1 ◦<br />

n (Z, N − 1) = n (Z, N) , (295)<br />

τnγ<br />

◦<br />

wobei n die Teilchenzahlen im thermodynamischen Gleichgewichtszustand<br />

sind. Also hat man<br />

1<br />

τγn<br />

= 1<br />

τnγ<br />

τγn<br />

◦<br />

n (Z, N − 1)<br />

n (Z, N)<br />

◦<br />

. (296)<br />

Diese Beziehung zwischen den Raten 1/τγn und 1/τnγ muß notwendigerweise<br />

erfüllt sein, und da sie eine Beziehung zwischen mikroskopischen<br />

Raten ist, die nur von den mikroskopischen Prozessen und den Eigenschaften<br />

der beteiligten Teilchen abhänget, muß sie auch dann noch<br />

gelten, wenn kein thermodynamisches Gleichgewicht im Gesamtsystem<br />

vorliegt. Nur das Strahlungsfeld muß ein Schwarzkörperstrahlungsfeld<br />

sein.<br />

Seite: 9.61


Synthese schwerer Kerne im r-Prozeß<br />

Für das Verhältnis n ◦ (Z, N − 1)/ n ◦ (Z, N) der Teilchendichten kann das<br />

Massenwirkungsgesetz für die Reaktion<br />

(Z, N − 1) + n ←→ (Z, N)<br />

verwendet werden. Dieses hat folgende Form<br />

◦<br />

n (Z, N − 1)n n<br />

◦<br />

= 2<br />

n (Z, N)<br />

U(Z, N − 1)<br />

U(Z, N)<br />

( )3<br />

2πm nkT 2<br />

e Q n<br />

h 3 kT . (297)<br />

Daraus kann für gegebene Neutronendichten nn und Temperatur T<br />

die Bindungsenergie Qn bestimmt werden, für die τnγ = τγn gilt. Bei<br />

T = 10 9 K und nn = 10 24 findet man beispielsweise Qn ≈ 2 MeV. Die<br />

Bestimmung der Neutronenzahl, bei der die Bindungsenergie des letzten<br />

Neutrons auf diesen Wert abgesunken ist, erfordert eine genaue Kenntnis<br />

der Bindungsenergien sehr neutronenreicher Kerne, die aber wegen<br />

deren kurzer Lebensdauern nur sehr schlecht produziert und untersucht<br />

werden können. Man ist deswegen hauptsächlich auf semiempirische Methoden<br />

zur Bestimmung der Bindungsenergie angewiesen, die nicht sehr<br />

genau sind.<br />

Seite: 9.62


Synthese schwerer Kerne im r-Prozeß<br />

An dem Punkt, an dem bei zunehmendem Neutronenüberschuß τnγ =<br />

τγn erreicht ist, endet die effektive Anlagerung von Neutronen. Der<br />

Kern befindet sich dann auf der Flanke der M(Z, N)/c 2 -Fläche weit<br />

oberhalb des Stabilitätstales. Eine weitere Anlagerung von Neutronen<br />

ist nur nach einem vorausgegangenen β-Zerfall möglich, wenn bei Z + 1<br />

das Gleichgewicht τnγ = τγn erst bei einer größeren Neutronzahl erreicht<br />

wird als bei Z. Für jedes Z gibt es deswegen auf der M(Z, N)/c 2 -Fläche<br />

einen Haltepunkt, über den hinaus der Kern effektiv keine weiteren<br />

Neutronen anlagert, an dem ein Kern nach Erreichen dieses Punkts solange<br />

verbleibt, bis ein β-Zerfall erfolgt. Das Wachstum der Kerne kann<br />

deswegen bei gegebener Temperatur T bereits <strong>durch</strong> die Kernladungszahl<br />

Z und <strong>durch</strong> die Teilchendichten nZ der Kerne mit einer Kernladung<br />

Z beschrieben werden, denn die Neutronenzahl im Haltepunkt ist<br />

bereits eindeutig <strong>durch</strong> Z festgelegt.<br />

Seite: 9.63


Synthese schwerer Kerne im r-Prozeß<br />

Ein Wechsel von einem Z zum nächsten Z erfolgt <strong>durch</strong> einen β-Zerfall.<br />

Die Ratengleichungen für den r-Prozeß lauten demnach<br />

d nz<br />

d t = 1<br />

τβ,Z−1<br />

nZ−1 − 1<br />

τβ,Z<br />

nZ . (298)<br />

Die Anfangsbedingung für die Integration der Gleichungen lautet<br />

⎧<br />

⎪⎨ n56 Fe fürZ = 26<br />

nZ(0) =<br />

. (299)<br />

⎪ ⎩<br />

0 fürZ > 26<br />

Das ist formal dem s-Prozeß sehr ähnlich. Im Gleichgewicht würde sich<br />

eine Verteilung mit<br />

nZ τ −1<br />

β,Z = const<br />

einstellen, wobei τβ die Halbwertszeit für β-Zerfall am Haltepunkt ist.<br />

Seite: 9.64


Synthese schwerer Kerne im r-Prozeß<br />

Der r-Prozeß treibt die Kerne zur neutronenreichen Seite des Stabilitätstales<br />

mit einem Neutronenüberschuß im Bereich von 10 . . . 20.<br />

Wenn der Reaktionspfad einen Kern mit magischer Neutronenzahl Nm<br />

(Nm = 50, 82, 126) am Haltepunkt erreicht, dann hat der nächste Kern<br />

mit N = Nm+1 eine sehr kleine Bindungsenergie. Nach einem β-Zerfall<br />

eines Kerns mit magischer Neutronenzahl (Z, Nm) liegt der Haltepunkt<br />

bei Z + 1 deswegen wiederum bei Nm. Wenn die Neutronenzahl im r-<br />

Prozeß also einen der magischen Werte erreicht hat, dann folgt zunächst<br />

eine Serie von Reaktionen, bei denen die Neutronenzahl konstant gleich<br />

Nm bleibt, während sich Z und A in jedem Schritt jeweils um eins<br />

erhöhen. Auf jeden β-Zerfall, der Z um eins erhöht und N um eins erniedrigt<br />

folgt ein <strong>Neutroneneinfang</strong>, der Z fest läßt und N wieder auf<br />

den Wert Nm erhöht. Erst wenn sich der Kern auf diese Weise soweit<br />

an das Stabilitätstal angenähert hat, daß die Neutronenbindungsenergie<br />

Qn für Nm+1 wieder in den Bereich der Bindungsenergien von ≈ 8 MeV<br />

kommt, kann die Neutronenzahl am Haltepunkt wieder nicht-magisch<br />

werden und die Neutronenzahl weiter anwachsen.<br />

Seite: 9.65


Synthese schwerer Kerne im r-Prozeß<br />

Abbildung 9.12: s- und r-Prozeß Pfad in der (N, Z)-Ebene.<br />

Seite: 9.66


Synthese schwerer Kerne im r-Prozeß<br />

Der r-Prozeß endet, wenn die Kerne instabil gegenüber spontaner oder<br />

neutroneninduzierter Spaltung werden, und die Spaltungsrate gleich der<br />

Anlagerungsrate für Neutronen wird, was bei Amax ≈ 270 eintritt. Die<br />

genaue Größe von Amax ist wegen der Unsicherheiten bezüglich der Bindungsenergien<br />

und der Spaltungsbarrieren für diese Kerne nur ungenau<br />

bekannt. Die Spaltungsreaktion führt die Spaltprodukte etwa bei<br />

Amax/2 in den Prozeß zurück. Im Massenbereich zwischen Amax/2 und<br />

Amax stellt sich ein Zyklus ein, in dem ein stetiger Strom <strong>durch</strong> die Reaktionskette<br />

fließt. Die Isotope im Bereich zwischen Amax/2 und Amax<br />

wachsen in der Teilchenzahl stetig an, solange die Neutronenquelle aktiv<br />

ist und solange noch genügend Saatkerne vorhanden sind, bei denen die<br />

Reaktionskette startet.<br />

Seite: 9.67


Synthese schwerer Kerne im r-Prozeß<br />

Nach dem Ende der Neutronenbestrahlung beginnen die Kerne A <br />

Amax <strong>durch</strong> β-Zerfälle ihre Kernladung zu erhöhen. Wenn dabei die<br />

Grenze für spontane Spaltung überschritten wird, dann kommt es zur<br />

Spaltung. Dies scheint für die allerschwersten Kerne, die im r-Prozeß erzeugt<br />

werden, unausweichlich zu sein. Nur Kerne mit A ≤ 256 können<br />

wahrscheinlich <strong>durch</strong> β-Zerfälle schließlich das Gebiet der Stabilität gegenüber<br />

β-Zerfall zu erreichen, ohne vorher <strong>durch</strong> Spaltung in leichteren<br />

Kerne umgewandelt zu werden. Aber auch im Bereich der Stabilität<br />

gegenüber β-Zerfall sind die schwersten Kerne immer noch instabil gegenüber<br />

α-Zerfall. Das betrifft alle Kerne mit Z > 83 (Bi).<br />

Um die relative Häufigkeit der r-Prozeß Elemente zu berechnen, müssen<br />

die Details der Kerneigenschaften weit außerhalb des Tals der β-<br />

Stabilität bekannt sein. Wegen der kurzen Lebensdauer der Kerne sind<br />

diese im Laboratorium kaum herstellbar, um ihre Eigenschaften experimentell<br />

zu bestimmen. Die Eigenschaften müssen deswegen aus semiquantitativen<br />

Modellen abgeschätzt werden, die nur ungenaue Ergebnisse<br />

liefern.<br />

Seite: 9.68


Synthese schwerer Kerne im r-Prozeß<br />

Ein weiterer wesentlicher Unsicherheitsfaktor ist die mangelhafte<br />

Kenntnis der genauen Eigenschaften der Umgebung, in der der r-Prozß<br />

abläuft. Die meisten Rechnungen nehmen deswegen die Temperatur<br />

und die Neutronendichte sowie die Zeitdauer der Neutronenbestrahlung<br />

als freie Parameter an und versuchen <strong>durch</strong> Lösung des Ratennetzwerks<br />

und Vergleich mit der Häufigkeit von Isotopen, die nur <strong>durch</strong><br />

den r-Prozeß gebildet werden können, die Werte der Parameter festzulegen.<br />

Es ergeben sich je nach Modell Temperaturen von einigen 10 9 K,<br />

Neutronendichten nn 10 16 pro cm 3 und Bestrahlungsdauern von einigen<br />

Sekunden. Mit solchen Modellen kann die Häufigkeitsverteilung<br />

annähernd reproduziert werden, was dafür spricht, daß die im Kosmos<br />

vorhandenen Kerne der Sorten, die nur im r-Prozeß gebildet werden<br />

auch tatsächlich auf diese Weise gebildet wurden.<br />

Seite: 9.69


Synthese schwerer Kerne im r-Prozeß<br />

Abbildung 9.13: Häufigkeitsverteilung der r-Prozeß Nuklide nach einer theoretischen<br />

Modellrechnung (untere Kurve) und solare Häufigkeiten dieser Nuklide (obere Kurve).<br />

Seite: 9.70


9.6.2 Quellen der r-Prozeß Elemente<br />

Unsicher ist nur die genaue Umgebung in der der r-Prozeß abläuft.<br />

Die erforderlichen Temperaturen, die hohen Neutronendichten und die<br />

kurzen Zeitskalen lassen praktisch nur explosive Ereignisse zu. In Frage<br />

kommen:<br />

• Explosives brennen in He, C, O und Si reichen Zonen beispielsweise<br />

in Supernovae.<br />

• Durch Neutrinos getriebene Supernova Stoßwellen, in denen (ν, n)<br />

Reaktionen auftreten.<br />

• Nova-Ausbrüche(?)<br />

• Zusammenstöße zwischen kompakten Objekten.<br />

Alle diese Prozesse sind hinreichend komplex, daß es bis jetzt nicht<br />

endgültig möglich war, auf der Basis von Modellrechnungen zu entscheiden,<br />

wo der r-Prozeß wirklich abläuft.<br />

Seite: 9.71


9.7 Der p-Prozeß<br />

Es gibt 40 stabile Kerne (von 74 Sc bis 196 Hg), die auf der protonenreichen<br />

Seite des Gebiets der β-Stabilität liegen, die weder vom s- noch vom r-<br />

Prozeß erreicht werden können. Gemeinsames Charakteristikum dieser<br />

Kerne ist u.a. die 10 −3 bis 10 −2 -mal kleinere Häufigkeit im Vergleich<br />

zu s-Prozeß Isotopen. Als Produktionsmechanismen kommen für solche<br />

Kerne folgende Prozesse in Frage:<br />

Seite: 9.72


Der p-Prozeß<br />

1. Protoneneinfang:<br />

(A, Z) + p −→ (A + 1, Z + 1) + γ .<br />

Wegen der Coulombbarrieren kann Protoneneinfang nur für kleine A<br />

eine Rolle spielen.<br />

2. Photodissoziation:<br />

(A, Z) + γ −→ (A − 1, Z) + n .<br />

Photodissoziation kommt hauptsächlich für große A in Frage, wenn die<br />

Nukleonen etwas lockerer gebunden sind.<br />

3. Positroneneinfang:<br />

(A, Z) + e + −→ (A + 1, Z + 1) + γ .<br />

4. Neutrinostreuung:<br />

(A, Z) + ν −→ (A − 1, Z) + n + ν ′ .<br />

Seite: 9.73


Der p-Prozeß<br />

Die ersten beiden Prozese setzen eine sehr hohe Temperatur (T > 10 9 K)<br />

voraus, der erste um die Coulombabstoßung zu überwinden, der zweite<br />

um genügend energiereiche Photonen zu haben.<br />

Die Umgebung, in der der p-Prozeß abläuft, ist noch immer nicht genau<br />

bekannt. Für die schweren p-Isotope kommt wahrscheinlich eine<br />

sehr heiße Umgebung mit T = 2 . . . 3 × 10 9 K in Frage, in der vorher<br />

synthetisierte schwere Kerne eine Reihe von (γ, p), (γ, n) und (γ, α)<br />

Reaktionen <strong>durch</strong>machen, wobei u.a. eine kleine Menge p-reicher Kerne<br />

entsteht. Die passenden Bedingungen für diesen Prozeß findet man<br />

nach neueren Modellrechnungen, wenn ein C-O-Weißer Zwerg als Supernova<br />

vom Typ Ia explodiert. Das könnte die gefundenen Häufigkeiten<br />

der schweren (A > 100) p-Isotope erklären. Es bleiben aber Diskrepanzen.<br />

Eine ander Möglichkeit ist der ν-Prozeß, bei dem <strong>durch</strong> Streuung eines<br />

Neutrinos im Kernbereich einer Supernova ein Neutron aus einem Kern<br />

herausgestoßen“ wird. Auf diese Weise könnten einige der p-Isotope<br />

”<br />

gebildet werden, deren Produktion sonst bisher nicht erklärt werden<br />

kann.<br />

Seite: 9.74

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