ADHS & verwandte Störungen im Entwicklungsverlauf
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<strong>ADHS</strong> & <strong>verwandte</strong> <br />
Störungen <strong>im</strong> <br />
<strong>Entwicklungsverlauf</strong> <br />
-‐ update 2010 B3 (Exkurs) -‐ <br />
Vortrag von Dr. Lucien NICOLAY <br />
Freitag, den 24. September <strong>im</strong> Treff-‐adhs <br />
ADHD-‐Awareness-‐week 2010
<strong>ADHS</strong> & <strong>verwandte</strong> <br />
Störungen <strong>im</strong> <br />
<strong>Entwicklungsverlauf</strong> <br />
-‐ update 2010 B -‐ <br />
Schwerpunkt B3: <br />
Exkurs: Traumaentwicklungsstörung
Traumaentwicklungsstörung -‐ <br />
eine neue Diagnose <strong>im</strong> DSM-‐V? <br />
Pro: Viele gut erforschte Traumafolgen werden mit der <br />
PTSD-‐Diagnose nur unzureichend beschrieben. Gerade <br />
Opfer von schweren & sequenziellen Kindheitstraumata <br />
ent wickeln häufig eine BreitbandsymptomaZk mit vielen <br />
komorbiden psychischen Störungen, darunter auch <br />
Schwierigkeiten der Aufmerksamkeits-‐ & Verhaltens-steuerung<br />
sowie affekZve & physiologische DysregulaZon <br />
sowie Schwierigkeiten der SelbstregulaZon & Beziehungs-gestaltung.<br />
<br />
N.B.: Diese schwer zu behandelnde Gruppe profiZert von <br />
einen traumaspezifischen psychotherapeut. Zugang!
Traumaentwicklungsstörung -‐ <br />
eine neue Diagnose <strong>im</strong> DSM-‐V? <br />
Contra: Mit so einer Beschreibung würde man die vom <br />
DSM verlangte rein deskripZve Beschreibung von <br />
Symptomen verlassen, da äZologische Aspekte <strong>im</strong> <br />
Vordergrund stünden; zudem könnten komorbide <br />
Störungen mit ihren biologischen Aspekten <br />
möglicherweise übersehen werden.
Traumaentwicklungsstörung <br />
Kontext <br />
TraumaZsierung & Vernachlässigung treten <strong>im</strong> Kindes-alter<br />
zumeist nicht isoliert, sondern in Umwelten auf, die <br />
verschiedene psychosoziale Risikofaktoren akkumulieren. <br />
80% der traumaZschen Ereignisse von K.& J. erfolgen in <br />
ihrem unmifelbaren sozialen Umfeld. Familien, in denen <br />
die Kinder vernachlässigt, körperlich misshandelt & <br />
sexuell missbraucht werden, weisen sehr häufig noch <br />
andere Risikofaktoren auf, wie psychische Störung der <br />
Eltern, Armut, beengte Wohnverhältnisse, soziale <br />
IsolaZon, ... Kindl. TraumaZsierungen scheinen zudem <br />
das Risiko für weitere traumaZsche Ereignisse auf dem <br />
Lebensweg zu erhöhen.
Die Entwicklungsverläufe <br />
von vielen sequenziell traumaZsierten PaZenten (zudem <br />
häufig biologische Risikofaktoren!) offenbaren fast <br />
regelhaj, dass sie bereits als Säuglinge unter <br />
RegulaZonsstörungen lifen, <strong>im</strong> Vorschulalter eine <br />
Bindungsstörung mit/ohne Enthemmung aufwiesen, <strong>im</strong> <br />
Schulalter kam dann eine HyperkineZsche Störung des <br />
Sozialverhaltens hinzu oder eine kombinierte Störung des <br />
Sozialverhaltens & der EmoZonen in der Adoleszenz, <br />
schlussendlich wurde dann (ab 17) eine <br />
Persönlichkeitsstörung, nicht selten in KombinaZon mit <br />
Substanzmissbrauch, selbstverletzendem Verhalten und <br />
affekZven Störungen diagnosZziert.
Im Sinne der Entwicklungsheterotopie ist demnach davon <br />
auszugehen, dass sich dieselben grundlegenden Defizite <br />
( z.B. in der EmoZonsregulaZon, Selbstwirksamkeits-erwartung,<br />
DissoziaZonsneigung, Bindung) in <br />
unterschiedlichen Entwicklungsaltersstufen ganz <br />
unterschiedlich auswirken & dort alterstypische <br />
psychopathologische Symptome zur Folge haben. <br />
Diagnosekriterien & Symptombereiche (n. Kolk.u.a., 2009): <br />
• Symptome affekZver & physiologischer DysregulaZon / <br />
DissoziaZon, <br />
• Probleme bei der Verhaltens-‐ & Aufmerksamkeitssteuerung, <br />
• Schwierigkeiten der SelbstwertregulaZon & Beziehungsgestaltung, <br />
• sowie Symptome der einfachen PosfraumaZschen <br />
Belastungsstörung
Diagnosekriterien für eine Traumaentwicklungs-störung<br />
(Kolk, 2009) <br />
A. TraumaZsche Erfahrungen & Vernachlässigung <br />
Das Kind, der Jugendliche oder Erwachsene erlebte <br />
über mindestens 1 Jahr hinweg mehrere extrem <br />
belastende Lebensereignisse und/oder wurde Opfer <br />
von interpersoneller Gewalt. Die belastenden Lebens-ereignisse<br />
beginnen in der Kindheit oder dem frühen <br />
Jugendalter <br />
1) Direkte, wiederholte traumaZsche Erfahrung von <br />
zwischenmenschlicher Gewalt (inkl. sexueller Missbrauch) <br />
2) Ernsthaje Unterbrechung der schützenden & fürsorglichen <br />
Versorgung des Kindes, wiederholte Trennungen von den <br />
Hauptbezugspersonen, schwerer & überdauernder emoZonaler <br />
Missbrauch.
B. AffekZve & physiologische DysregulaZon <br />
Das Kind weist für seinen Entwicklungsstand deutlich <br />
beeinträchZgte FerZgkeiten <strong>im</strong> Bereich der Erregungs-‐ <br />
& EmoZonsregulaZon auf. Dies beinhaltet mindestens <br />
2 der folgenden Verhaltensweisen: <br />
1) Unfähigkeit, extreme Gefühlszustände (z.B. Angst, Scham, <br />
Ärger) zu modulieren, zu tolerieren & sich in solchen <br />
emoZonalen SituaZonen selbstständig wieder zu beruhigen. <br />
Dies beinhaltet schwere & anhaltende Wutanfälle oder <br />
Fixierung auf die negaZve EmoZon mit DissoziaZon (z.B. <br />
Erstarren vor Angst) <br />
2) Schwierigkeiten bei der RegulaZon von körperlichen <br />
FunkZonen & Sinneswahrnehmungen (z.B. persisZerende <br />
Schlafstörungen, Schwierigkeiten mit der Ausscheidung, <br />
wechselnder AppeZt, Hypo-‐ & HyperreakZvität auf <br />
Berührungen, Gerüche, Geräusche, DesorienZerung bei <br />
Übergängen <strong>im</strong> Alltag)
... AffekZve & physiologische DysregulaZon <br />
3) Verminderte Bewusstheit für Sinneseindrücke, EmoZonen & <br />
körperliche Zustände. <br />
4) Eingeschränkte Fähigkeiten, eigene EmoZonen oder <br />
körperliche Zustände zu beschreiben. <br />
C. Schwierigkeiten der Aufmerksamkeits-‐ & <br />
Verhaltenssteuerung <br />
1) Beschäjigung mit Bedrohungen & potenzieller Gefahr oder <br />
eingeschränkte Fähigkeit, Gefahren wahrzunehmen, <br />
einschließlich der Missdeutung & FehlinterpretaZon von <br />
sicherheitsrelevanten Hinweisreizen. <br />
2) Eingeschränkte Fähigkeit, sich selbst zu schützen, einschl. <br />
Hochrisikoverhaltensweisen & SensaZon Seeking.
... Schwierigk. der Aufm.keits-‐ & Verh.steuerung <br />
3) ProblemaZsche Versuche der Selbstberuhigung (z.B. <br />
Stereotypien, rhythmische Bewegungen, zwanghajes <br />
Masturbieren) <br />
4) Habituelles oder reakZves selbstverletzendes Verhalten <br />
5) Unfähigkeit, zielgerichtetes Verhalten zu iniZieren oder <br />
aufrechtzuerhalten <br />
D. Schwierigkeiten der SelbstregulaZon & <br />
Beziehungsgestaltung <br />
Das Kind weist für seinen Entwicklungstand ein <br />
unterentwickeltes Bewusstsein für seine persön-liche<br />
IdenZtät & Verstrickung in Beziehungen auf.
... Schwierigk. der Selbstregul. & Beziehungsgestaltung <br />
1) Intensive Beschäjigung mit der Sicherheit von <br />
Bezugspersonen oder anderen geliebten Personen <br />
(beinhaltet altersunangemessenes Fürsorgeverhalten). <br />
Schwierigkeiten, Trennungen von Bezugspersonen zu <br />
tolerieren & ablehnendes oder ignorierendes Verhalten <br />
be<strong>im</strong> Wiedersehen nach Trennungen. <br />
2) PersisZerendes negaZves Selbstbild, Abscheu vor der <br />
eigenen Person, Ohnmachtsgefühle, Gefühle der <br />
Hilflosigkeit, Wertlosigkeit. Insuffizienzgefühle, <br />
Selbstwirksamkeit & Schadhajigkeit. <br />
3) Extremes & überdauerndes Misstrauen, Widerstand oder <br />
Mangel an Reziprozität in vertrauten sozialen Beziehungen <br />
mit Gleichaltrigen & Erwachsenen <br />
4) ReakZve verbale oder körperliche Aggression gegenüber <br />
Gleichaltrigen, Bezugspersonen oder anderen Erwachsenen.
... Schwierigk. der Selbstregul. & Beziehungsgestaltung <br />
5) Unangemessene (exzessive & promiske) Versuche vertraute/<br />
inZme Kontakte herzustellen (dies kann sexuelle oder <br />
körperliche InZmität beinhalten, ist aber nicht auf diese <br />
beschränkt). Übermäßiges Zutrauen zu weitestgehend <br />
unbekannten Erwachsenen & Gleichaltrigen (ohne <br />
Rückversicherung bei Bezugspersonen). <br />
6) Eingeschränkte Fähigkeit, Empathie zu regulieren, z.B. <br />
eingeschränkte Empathiefähigkeit & Intoleranz gegenüber <br />
dem Leiden, dem Ausdruck von Unbehagen oder negaZven <br />
Gefühlen von anderen Personen oder übertriebene <br />
Ansprechbarkeit & Beschäjigung mit dem Leiden von <br />
anderen Menschen.
E. PosfraumaZsche Belastungsstörung <br />
Das Kind weist mindestens 1 Symptom in mindestens 2 <br />
der drei Symptomcluster (B, C oder D) der PTBS auf. <br />
B. Beharrliches traumaPsches Wiedererleben des <br />
Traumaereignisses auf folgende Art & Weisen (mindestens 1 <br />
Symptom) : <br />
1. wiederkehrende eindringliche belastende Erinnerungen an das Ereignis <br />
in Form von Bildern, Gedanken oder Wahrnehmungen, bei Kindern auch <br />
Wiederholungsspiele zu Themen oder Aspekten des Traumas <br />
2. wiederkehrende belastende Träume von dem Ereignis; bei Kindern <br />
stark beängsPgende Träume ohne wiedererkennbaren Inhalt) <br />
3. Handeln oder fühlen, als ob das traum. Ereignis wiederkehrt (Gefühl, es <br />
wiederzuerleben, Illusionen, HalluzinaPonen, dissoziaPve <br />
Feedbackepisoden , ...), bei jüngeren Kindern: traumaspezifische <br />
Neuinszenierung möglich
4. intensive psychische Belastung bei der KonfrontaPon mit internalen oder <br />
externalen Hinweisreizen, die einen Aspekt des traumaPschen Ereignisses <br />
symbolisieren oder an Aspekte desselben erinnern <br />
5. körperliche ReakPonen bei der KonfrontaPon mit internalen oder <br />
externalen Hinweisreizen, die einen Aspekt des traumaPschen Ereignisses <br />
symbolisieren oder an Aspekte desselben erinnern. <br />
C. Anhaltende Reizvermeidung oder Abflachung der allgemeinen <br />
Reagibilität (vor Trauma nicht vorhanden); mind. ein Symptom:<br />
1. bewusstes Vermeiden von Gedanken, Gefühlen oder Gesprächen, die <br />
mit Trauma in Verbindung stehen, <br />
2. bewusstes Vermeiden von AkPvitäten, Orten oder Menschen, die <br />
Erinnerungen an Trauma wachrufen, <br />
3. Unfähigkeit, einen wichPgen Aspekt des Traumas zu erinnern, <br />
4. deutlich vermindertes Interesse oder verminderte Teilnahme an <br />
wichPgen AkPvitäten, <br />
5. Gefühl der Losgelöstheit oder Eneremdung von anderen, <br />
6. eingeschränkte Bandbreite des Affekts (Unfähigkeit, zärtliche Gefühle zu <br />
empfinden), <br />
7. Gefühl einer eingeschränkten Zukunj (z.B. erwartet nicht, Karriere, Ehe, <br />
Kinder oder normallanges Leben zu haben)
D. Anhaltende Symptome erhöhten Arousals d.h. einer <br />
erhöhten psychischen SensiPvität und Erregung (nicht <br />
vorhanden vor der Belastung) einem der folgenden <br />
Merkmale: <br />
a. Ein-‐ & Durchschlafstörungen <br />
b. Reizbarkeit oder Wutausbrüche <br />
c. KonzentraPonsschwierigkeiten <br />
d. Hypervigilanz / übermäßige Wachsamkeit <br />
e. Erhöhte Schreckhajigkeit / übertriebene SchreckreakPon <br />
F. Dauer der SymptomaZk <br />
Mindestens 1 Symptom der Traumaentwicklungs-störung<br />
aus den Bereichen B,C & D persisZert über 6 <br />
Monate.
G. TeilhabebeeinträchZgung <br />
Die Schwierigkeiten wirken sich auf mindestens 2 der <br />
folgenden FunkZonsbereiche aus. <br />
Schule: Leistungsprobleme, Klassenwiederholungen, Umschu-lungen,<br />
Disziplinprobleme, Konflikte mit dem Schulpersonal, <br />
schulvermeidendes Verhalten, Schulausschluss, ,Lernstörungen, <br />
die nicht oder nicht nur mit klassischen Teilleistungsstörungen <br />
erklärbar sind <br />
Familie: Konflikte, Vermeidung, Passivität, Weglaufen, <br />
Versuche, Familienmitglieder emoZonal oder körperlich zu <br />
verletzen, Nicht Erfüllen von wichZgen familiären <br />
Verpflichtungen. <br />
Gleichaltrigengruppe: IsolaZon, Vermeidung, permanente <br />
Konflikte mit Gleichaltrigen, Beteiligung an Gewalfaten oder <br />
Risikoverhaltensweisen, deviante Gleichaltrigengruppe, alters-inadäquate<br />
Peergrupe.
... TeilhabebeeinträchZgung <br />
Kr<strong>im</strong>inalität: Sich steigernde Delikte, Anklagen, <br />
Inhajierungen, Arreste, Vorstrafen, Missachtung des <br />
Gesetzes & moralischer Standards. <br />
Gesundheit: Körperliche Symptome, die nicht voll-ständig<br />
durch somaZsche DegeneraZon oder Verlet-zungen<br />
erklärt werden können. Verdauungstrakt, <br />
neurologische Erkrankungen, Unterleibsschmerzen, <br />
kardiovaskuläre oder Atemwegs-‐Symtome, proprio-zepZve<br />
Probleme, schwere Kopfschmerzen (inkl. <br />
Migräne), chronische Schmerzen oder chronische <br />
Müdigkeit.
QUELLEN / FACHLITERATUR <br />
Schmid, M., Fegert, J.M. & Petermann, F. (2010). <br />
Traumaentwicklungsstörung: Pro und Contra. <br />
Kindheit & Entwicklung, 19 (1), 47-‐63). (hier auch <br />
weitere Literatur zum Thema)
Merci fir Äer <br />
ausdauernd <br />
Opmierksamkeet! <br />
Dr. paed. Lucien NICOLAY <br />
ADHD-‐Awareness-‐week <br />
24. September 2010