25 J. nur Pressetext - IPSM® - Gruppen
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<strong>25</strong> Joër LGIPA a.s.b.l.<br />
LËTZEBUERGER GESELLSCHAFT FIR<br />
INDIVIDUALPSYCHOLOGIE NOM<br />
ALFRED ADLER<br />
Association sans but lucratif<br />
INSTITUT FIR PSYCHOLOGESCH<br />
GESONDHEETSFËRDERONG<br />
LGIPA-Jubiläumsvorträge von Dr. Lucien NICOLAY<br />
„Wem & Wie vermag Psychagogik heute zu helfen?“<br />
(Sa., 20. April 2013 , Festsaal des Centre de Logopédie von 9 bis 13 Uhr)<br />
„Wie vermag Psychotherapie heute zu heilen?“<br />
(Mi., den 15. Mai 2013 von 19 bis 22 Uhr in der Schauwenburg in<br />
Bartringen)<br />
PRESSETEXT ZU DEN VORTRÄGEN von Dr. Lucien NICOLAY<br />
Zur Person: Der promovierte Psychologe & Psychotherapeut ist Gründungs- & Ehrenpräsident<br />
der LGIPA; er ist seit über 20 Jahren Dozent für Klinische Psychologie &<br />
Psychotherapie sowie Lehrtherapeut & Lehranalytiker im In- & Ausland.<br />
Seit nunmehr <strong>25</strong> Jahren sind die Fach-Mitglieder der LGIPA asbl aktiv in der<br />
Gesundheitsförderung und Prävention, in der Beratung und Psychotherapie, in<br />
der Ausbildung von Laien und Fachleuten, mit dem Ziel das ganzheitliche<br />
Wohlbefinden von bestimmten Zielgruppen zu verbessern und Leiden zu<br />
verhindern oder zu lindern. Einen Überblick über den Beitrag der LGIPA zur<br />
Prävention und Gesundheitsförderung in Luxemburg haben Helmut Gehle und<br />
Lucien Nicolay bereits vor einigen Jahren präsentiert (siehe LGIPA-Homepage<br />
oder arc-bulletin 117 / 2009 der ANCES).<br />
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REFERAT vom 10. April 2013 anlässlich der Generalversammlung der LGIPA:<br />
SEELISCHE STÖRUNGEN ALS VOLKSKRANKHEITEN<br />
AKZEPTIEREN, VERHINDERN, LINDERN, HEILEN?<br />
Problemlage: Einige Fakten zur seelischen Gesundheit in der Bevölkerung<br />
Die Bedeutung der seelischen Gesundheit für das Wohlergehen wird<br />
international zunehmend hervorgehoben, wohl auch, weil heute schon die<br />
psychischen Erkrankungen die Hauptrolle bei Erwerbsminderungen und Frühberentungen<br />
spielen, - besonders Im Falle von Komorbidität (gleichzeitiges<br />
Vorliegen von mehreren seelischen Störungen). Die gesellschaftliche Last<br />
psychischer Störungen ist so hoch, dass es sich lohnt ihnen verstärkt entgegen zu<br />
wirken. Häufig sind psychische Erkrankungen auch von somatischen<br />
Erkrankungen begleitet; bei psychischen Störungen ist nicht <strong>nur</strong> die psychische,<br />
sondern auch die körperliche gesundheitsbezogene Lebensqualität bedeutsam<br />
reduziert. Insgesamt geht man in den letzten Jahren nicht von einer Zunahme der<br />
psychischen Gesundheitsstörungen, sondern von einer Verlagerung (veränderte<br />
Subgruppen-verteilung) aus (nach Wittchen oder Jacobi auf dem DGPPN-<br />
Kongress im November 2012 in Berlin).<br />
Da das Luxemburger Gesundheitssystem erst mit der Einführung der Patienten-<br />
Dossiers über die Grundlage für Prävalenz- und Inzidenzerhebungen sowie<br />
Komorbiditätsanalysen verfügen wird, werden stellvertretend europäische und<br />
deutsche Studien herangezogen. Werden derartige Daten nicht in FELD-<br />
STUDIEN, sondern über vorhandene Routinestatistiken von Praxen und<br />
Gesundheitseinrichtungen erhoben (administrative Epidemiologie/Statistiken),<br />
ist die Repräsentativität eingeschränkt, denn <strong>nur</strong> ein gewisser Teil derjenigen,<br />
die die Kriterien für eine psychische Störung erfüllen, sucht aktiv einen<br />
Diagnostiker oder Therapeuten auf. Auch auf der Grundlage von<br />
Patientendossiers wird es also einen „Inanspruchnahme-Bias“ geben. Was im<br />
Einzelfall zu einer Inanspruchnahme eines bestehenden mehr oder weniger<br />
spezialisierten Angebots führt, ist auf Patientenseite oft komplex und<br />
unterschiedlich: Schweregrad/klinische Bedeutsamkeit, Leidensdruck, Informiertheit,<br />
Gesundheitsverhalten, soziodemografischer oder –kultureller Hintergrund.<br />
Valide epidemiologische Prävalenzstudien basieren auf in größeren Zeitabständen<br />
wiederholten Messungen bei denselben repräsentativen Populationen<br />
mit derselben Methodik hinsichtlich Störungskriterien, Erhebungsmethode und<br />
Stichprobendesign.<br />
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ECNP-Erhebungen von 2005 und 2010 belegen, dass über 38% der<br />
europäischen Population (in D jährlich <strong>nur</strong> 1 Drittel) unter seelischen Störungen<br />
leiden, quasi unabhängig von den Kulturlandschaften oder Ländern, mit<br />
Ausnahme der substanzgebundenen Störungen. Deshalb wird der Begriff<br />
Volkskrankheit benutzt! Wegen der verlängerten Lebensdauer haben allerdings<br />
die Demenzfälle deutlich zugenommen. Die vier am stärksten beeinträchtigenden<br />
und kostenintensivsten Einzel-Krankheiten sind: die Depression, die<br />
Demenzen, der Alkoholmissbrauch und die Schlaganfälle. Die Ko-<br />
/Multimorbidität beträgt wenigstens 40%! Unter den seelischen Störungen sind<br />
die Angststörungen (14% im Total), die unipolare Depression sowie die<br />
Schlaflosigkeit (je 7%), psychosomatische Erkrankungen (> 6%), die Alkoholund<br />
Drogenabhängigkeit (> 4%), die Aufmerksamkeitsstörung mit Hyperaktivität<br />
(5%) am häufigsten. Sie werden gefolgt von der Demenz (1% der 60-<br />
bis 65-Jährigen & 30% der über 85-Jährigen).<br />
Eine vom Robert Koch-Institut (RKI) in Berlin präsentierte Spezialauswertung<br />
des Moduls „Psychische Gesundheit (MH)“ der DEGS-Erhebung (2008-2011)<br />
gibt die Häufigkeits-Reihenfolge der entsprechenden adulten Störungen bei<br />
unseren Nachbarn - sozusagen als relativierender Vergleich - wieder:<br />
Angststörungen (16,2% im Total), Alkoholstörungen (11,2%), Unipolare<br />
Depression (8,2%), Zwangsstörungen (3,8%), Somatoforme Störungen (3,3%),<br />
Bipolare Störungen (2,8%), psychotische Störungen (2,4%), PTBS (2,4%),<br />
Medikamentensucht (1,5%), körperlich bedingte seelische Störungen (0,9%),<br />
Anorexia nervosa (0,7%). Die Prävalenzraten sind prinzipiell bei Frauen etwas<br />
höher als bei Männern; erhebliche Unterschiede gibt es noch immer bezüglich<br />
Angst, Depression und Alkoholstörungen.<br />
Die seelischen Konsequenzen und die Kosten, die durch Aggression und<br />
Kriminalität entstehen, werden in Studien zum Gesundheitsbereich nicht erfasst.<br />
Man bedenke die Zusammenhänge mit Alkohol- und Drogenintoxikation oder<br />
mit antisozialer Persönlichkeitsstörung. Bei erwähnten Studien sind die<br />
Persönlichkeitsstörungen leider nicht erfasst worden. Diese sind in Feld- und<br />
Längsschnittstudien aufwändiger zu diagnostizieren und man geht davon aus,<br />
dass die meisten Betroffenen sowieso noch an anderen psychischen Störungen<br />
leiden.<br />
Prinzipiell sind die psychischen Störungen in allen Alterstufen ähnlich häufig<br />
und selbst unter Kindern sowie jungen Erwachsenen weit verbreitet. Ein<br />
klinisches Vollbild einer Störung zeigen, nach mehreren Untersuchungen, knapp<br />
ein Viertel der männlichen sowie knapp ein Fünftel der weiblichen Kinder und<br />
Jugendlichen. Immer öfter sind auch junge Erwachsene z.B. vom Vollbild einer<br />
Depression betroffen (10% der 18- bis 29-Jährigen nach BKK-Faktenspiegel<br />
05/’12). Insgesamt treten die höchsten Prävalenzraten für symptomatische<br />
seelische Störungen überraschenderweise bei jüngeren Leuten auf. Bei den<br />
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Erwachsenen unter 45 Jahren – also in einem produktiven und reproduktiven<br />
Alter! - leiden 30% innerhalb von 12 Monaten an psychischen Störungen. Die<br />
beruflichen Tätigkeiten sind weit weniger „körperlich“ ausgerichtet , sondern<br />
stellen vor allem Anforderungen in psychomentaler, emotionaler und<br />
kommunikativer Hinsicht. Für den beruflichen Erfolg erweisen sich<br />
Selbstmanagementfähigkeiten als ausschlaggebend! Auch wenn die Prävalenzraten<br />
psychischer Störungen insgesamt nicht zunehmen, ist der Behandlungsbedarf<br />
gewachsen, besonders bei Kindern und Jugendlichen! Die aktuelle<br />
Neuberechnung des „Global Burden of Disease“ der WHO liefert dennoch<br />
Anhaltspunkte, dass die Bedeutung psychischer Störungen und psychischer<br />
Aspekte körperlicher Erkrankungen und Risikofaktoren in den vergangenen<br />
Jahren noch weiter zugenommen hat (Murray u.a. oder Vos u.a. 2013). Nach<br />
Wittchen u.a. (2011) sind 40% der durch nicht-tödlich verlaufenden Krankheiten<br />
produzierten Einschränkungsjahre (YLD; years lived with disability) in Europa<br />
allein auf psychische Störungen zurückzuführen. Unter 110 beurteilten<br />
wichtigsten Ursachen für krankheitsbedingte Einschränkungen (DALY;<br />
Disability adjusted life years, ein Maß zur Abschätzung der verlorenen<br />
Lebensjahre einschließlich Mortalität) nimmt in Europa die unipolare Major<br />
Depression den ersten Platz ein.<br />
Seit Jahren liegt das Lebenszeitrisiko, eine seelische Störung zu entwickeln bei<br />
50%; zeitweise erfüllt jeder 3. bis 4. Erwachsene innerhalb eines Jahres die<br />
Kriterien einer psychischen Störung; für körperliche Krankheiten liegt die Rate<br />
dagegen bei über 60%!<br />
Erschreckend aber ist vor allem die Tatsache, dass seit einem Jahrzehnt<br />
unverändert höchstens ein Drittel (min. 26%) der seelisch Leidenden (in D fast<br />
43%) irgendeine Form professioneller Aufmerksamkeit oder Therapie erhalten.<br />
Wenn, dann startet eine Therapie erst Jahre nach Krankheitsbeginn und<br />
entspricht nicht den Anforderungen an eine adäquate Therapie; - dies gilt<br />
ebenfalls für die Kinder und Jugendlichen!<br />
Prof. Dr. Wittchen, der Leiter der europäischen Studie, beklagte 2011 das<br />
niedrige und vorurteilsgeprägte Informationsniveau in der Bevölkerung sowie<br />
die Fragmentierung der Disziplinen und forderte neben der Aufstockung von<br />
Forschungsbudgets vor allem die frühe Intervention zur Aufhebung der Unter-,<br />
Fehl- Und Mangelversorgung: „Da viele psychische Störungen früh im Leben<br />
beginnen und – unbehandelt – massive Langzeiteffekte auf alle Lebensbereiche<br />
der Betroffenen haben können, müssen psychische Störungen früher und<br />
schneller nach ihrem erstmaligen Auftreten behandelt werden. Nur die gezielte<br />
und umfassende Frühintervention vor allem Jugendlicher kann einen<br />
exponenziell beschleunigten Anstieg der Häufigkeit Schwerstkranker und multimorbider<br />
Fallzahlen in Zukunft verhindern.“<br />
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Gerade in Zeiten von Ressourcenknappheit und Krisen riskieren vor allem die<br />
Schwächsten in der Gesellschaft, nicht adäquat gefördert und behandelt zu<br />
werden. An erster Stelle sind es die Kinder als Symptomträger, die uns darauf<br />
aufmerksam machen, dass wir als Erwachsene in unserer Schutz-, Erziehungsund<br />
Begleitungsfunktion versagt haben.<br />
Die psychische Lage der Erwachsenen spiegelt sich außer in den Symptomen,<br />
die noch zum Teil zu maskieren sind (z.B. Angst, Zwang, Depression), in den<br />
„krankheitsbedingten Ausfalltagen“. Bei nichtkrankgeschriebenen Depressiven<br />
entspricht die errechnete reduzierte Arbeitsleistung pro Monat 2,3 Abwesenheitstagen.<br />
Krankschreibungen aufgrund psychischer Diagnosen haben in den<br />
letzten Jahrzehnten deutlich zugenommen (ab 90-ger Jahren), während in allen<br />
anderen Krankheitsgruppen eine Abnahme der Arbeitsunfähigkeits-Tage<br />
verzeichnet wird. Ein Drittel aller Personen mit seelischen Störungen kommt auf<br />
monatlich NUR einen Fehltag; bei Multimorbidität steigt der Anteil von 63 %<br />
bei drei Diagnosen auf 90% bei fünf Diagnosen (nach Ärzteblatt PP, Heft 2,<br />
Februar 2013). Seelisch am stärksten beansprucht werden die 40- bis 49-<br />
Jährigen, etwas weniger die jeweils 10 Jahre älteren resp. jüngeren. Knapp 14%<br />
dieser Ausfalltage gehen auf das Konto seelischer Störungen, die im Vergleich<br />
zu Erkrankungen des Muskel-Skelett-Systems, des Atmungssystems oder im<br />
Ver-gleich zu Verletzungen und Vergiftungen stetig zunehmen. Die Krankschreibungszeiten<br />
aufgrund körperlicher Diagnosen sind deutlich erhöht, wenn<br />
die Betroffenen zusätzlich psychische Diagnosen aufweisen. Zudem sind<br />
seelische Störungen seit mehr als zehn Jahren der Hauptgrund für das vorzeitige<br />
Ausscheiden aus dem Arbeitsleben (1/3 der Frührentner in D.; Durchschnittsalter<br />
48 Jahre, 3 Jahre vor dem Alter körperlich kranker Frührentner). Es gibt<br />
demnach hochsignifikante Zusammenhänge zwischen psychischen Diagnosen<br />
und negativen Outcomes wie Arbeitsunfähigkeitstage (AU-Tage) oder Frühberentungen.<br />
Zumindest dadurch haben seelische Störungen an Bedeutung<br />
gewonnen!?!<br />
Im Jahr 2011 litten 3,6% (d.h. 6.545) der Erwerbstätigen mit Wohnsitz in<br />
Luxemburg an einer seelischen Störung (Troubles mentaux et de comportement,<br />
TMC), begleitet oder nicht von anderen Krankheiten. Die Inzidenzrate (Neuerkrankungen<br />
im Jahr) liegt etwas niedriger als die Prävalenzrate, nämlich bei<br />
3,4%, was 6.205 Erwerbstätige ausmacht. Die medizinischen Gründe für die<br />
kurzen Krankschreibungen (Episoden unter 3 Wochen) bleiben von Jahr zu Jahr<br />
stabil. Ganz vorne rangieren die Infektionen, die Traumatismen (z.B. Brüche),<br />
und die Krankheiten des Nervensystems sowie „andere Krankheiten“. Erst<br />
danach kommen die seelischen Störungen. Die seelischen Störungen kommen<br />
natürlich auch assoziiert mit diesen häufigsten somatischen vor; die<br />
Komorbidität (TMC mit 18 anderen Kodes) liegt zwischen 15% und 63 %. Bei<br />
den Krankschreibungen wegen (jeweils einer Episode) seelischer Störungen<br />
spielen die Alkoholintoxikation (mit Komplikationen), andere Substanz-<br />
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abhängigkeiten, die Entziehungskur, die Depressionen und die Psychosen die<br />
Hauptrolle. Bei den Krankschreibungen/ Fehlepisoden über 21 Tagen sind die<br />
seelischen Störungen langsam auf dem Vormarsch. Die TMC-Krankheitsepisoden<br />
machen <strong>nur</strong> 5% aller Krankheitsepisoden aus, verursachten aber 15%<br />
der Krankheitstage im Jahr 2011 und belasteten die Gesundheitskasse mit einem<br />
Anteil von 22% (fast 10 Millionen Euro!). Fehlepisoden über 13 Wochen<br />
werden hauptsächlich durch seelische Störungen verursacht. Die längeren<br />
Fehlepisoden gehen vor allem auf das Konto von „Depressionen“ (signifikante<br />
Steigerung von 0,2 - 0,3 % zwischen 2008 und 2011, entspricht 1/3 der<br />
Langzeitabwesenheit). Nach dem Bericht von Thierry MAZOYER von der<br />
IGSS (Inspection Générale de la Sécurité Sociale – Service statistique; 23.<br />
Oktober 2012) wird in Luxemburg im Vergleich zu Belgien oder Deutschland<br />
ein zunehmendes Fernbleiben vom Arbeitsplatz festgestellt, vornehmlich länger<br />
als 3 Wochen! Frauen im Bereich „Handel & Autoreparatur“ sowie Männer im<br />
Bereich „Gesundheit und Soziales“ (hier: erhöhte Anforderungen an<br />
Emotionsregulation!), Erwerbstätige zwischen 30 und 54 Jahren scheinen<br />
vergleichsweise stärker belastet zu sein.<br />
Lösung: Prävention, Psychagogik, Psychotherapie<br />
Aus epidemiologischer Sicht gibt es also gute Argumente dafür, vermehrt in<br />
psychotherapeutische Maßnahmen zu investieren, ebenso wie in klinischpsychologische<br />
und verhaltensmedizinische Interventionen im Bereich<br />
körperlicher Krankheiten, bei denen nachweislich seelische Faktoren mitbeteiligt<br />
sind (Herzinfarkt, Schlaganfall, chronisch obstruktive pulmonale<br />
Erkrankung (VCOPD), Verkehrsunfälle, selbstverletzende oder suizidale<br />
Handlungen, Migräne, Astma, ernährungsbedingte Störungen). Klinisch-psychologisch<br />
und psychotherapeutisch beeinflussbare Faktoren spielen bei einer<br />
Vielzahl von Ursachen für Behinderung und Tod eine Rolle. Als positive<br />
Beispiele von Indikatoren gestiegener Gesundheit aufgrund von politisch<br />
durchgesetzten Maßnahmen unterschiedlicher Art kann man kontinuierlich<br />
sinkende Suizidraten in den letzten Dekaden zählen, oder weniger Verkehrstote,<br />
sinkender Nikotin- und Alkoholkonsum, höhere gesamtgesellschaftliche<br />
Lebensqualität. Trotzdem ist klar, dass körperliche und seelische Störungen mit<br />
alle ihren Konsequenzen niemals ausgemerzt werden können. Sie gehören zum<br />
menschlichen Dasein dazu.<br />
Dr. Nicolay plädiert seit der Gründung des „Institut fir Psychologesch<br />
Gesondheetsfërderong (IPG)“ der LGIPA (2002) dafür, psychischen Störungen<br />
frühzeitig durch niederschwellige Maßnahmen zu begegnen, zwecks Heilung,<br />
aber auch, um schwere Krankheitsverläufe zu verhindern oder auch <strong>nur</strong><br />
hinauszuzögern oder Erkrankungsphasen zu verkürzen. Dazu wurde das IPG in<br />
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Bartringen als Beratungs-, Ausbildungs- & Forschungsstelle geschaffen.<br />
Nicolay plädiert zudem für eine maßgeschneiderte Gesundheitsförderung<br />
und Prävention vor Ort, z.B. in den Betrieben, wie es das Konzept IPGSM<br />
(Individual-Psychologisches Gesundheits- & Selbstmanagement) vorsieht. Im<br />
Rahmen dieses Konzepts wird z.B. über seelische Krankheiten informiert und<br />
das Selbsthilfepotenzial der Menschen wird genutzt. Nicht jeder Mensch, der<br />
mit der Bewältigung seiner psychosozialen Probleme überfordert ist, braucht<br />
eine intensive und aufwändige Psychotherapie. Prävention psychischer Erkrankungen<br />
ist nämlich dann besonders erfolgreich, wenn Menschen in ihren<br />
Lebenswelten erreicht werden (Arbeitsplatz, Schule & Ausbildung, Vereine).<br />
Gesundheitsförderung und Prävention sollen also settingorientiert und zielgruppenspezifisch<br />
organisiert werden. Zudem können diese <strong>nur</strong> dann erfolgreich<br />
sein, wenn sie sowohl die Kompetenzen des Einzelnen stärken (Verhaltensprävention)<br />
als auch angemessene Umweltbedingungen (Verhältnisprävention)<br />
anstreben; dazu müssen maßgeschneiderte Programme angeboten werden.<br />
Indizierte Prävention soll zudem partizipativ und natürlich gendersensibel oder<br />
andere Merkmale von Diversität berücksichtigend (Bildungsniveau, Alter,<br />
kulturelle oder ethnische Besonderheiten, ...) konzipiert sein. Primärprävention<br />
richtet sich demgegenüber nicht an spezielle Ziel- oder Risikogruppen und ist<br />
meistens rein informativ (Information, Aufklärung). Die Vernetzung mit<br />
anderen Einrichtungen wie Suchtberatungsstellen (z.B. CePT) oder Gesundheitszentren<br />
z.B. von Kliniken oder Privatträgern, wie das IPG der LGIPA, ist<br />
vor allem im Rahmen der indizierten Prävention sehr nützlich. Diese<br />
Vernetzung spielt nämlich bei der Früherkennung/-intervention subklinischer<br />
Symptome oder Prodrome eine Rolle; ist die anschließende Präventionsmaßnahme<br />
oder niederschwellige Hilfe effektiv, kann auf eine medizinische<br />
oder psychotherapeutische Standardintervention verzichtet werden. Angesichts<br />
der demografischen Entwicklung (längere Lebensarbeitszeiten, Zunahme<br />
chronischer/chronifizierter Krankheiten/Störungen, ungleich verteilte Gesundheitschancen)<br />
ist eine Stärkung von Prävention und Gesundheitsförderung<br />
langfristig sinnvoll und lohnend! Es geht nicht <strong>nur</strong> darum, die Lebenserwartung<br />
zu steigern sondern für den Einzelnen besonders darum, die Anzahl der<br />
gesunden Lebensjahre und die Lebensqualität zu erhöhen!<br />
Das settingorientierte und zielgruppenspezifische Konzept beinhaltet aber auch,<br />
dass die Berufsgruppen mit einzubeziehen sind, die für die Gestaltung der<br />
jeweiligen Lebenswelten Verantwortung tragen wie z.B. Führungskräfte in<br />
Betrieben auf den unterschiedlichen Ebenen. Dr Nicolay denkt dabei aber<br />
besonders an die Lehrer und die vielfältig intervenierenden Mitarbeiter<br />
(Psychologen, Heil- & Sozialpädagogen, ...) der Grund- und Sekundarschulen<br />
des Landes sowie an die Erzieher und Sozialpädagogen in den Maisons relais,<br />
Tagesstätten und Kinderheimen. Hier geht sein Ansatz deutlich über die<br />
Primärprävention (gesund essen & regelmäßig Sport treiben, verträglich<br />
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miteinander spielen & arbeiten, eine angenehme Atmosphäre schaffen) hinaus.<br />
Für diese Professionelle hat er ein adaptives psychagogisches Konzept<br />
ausgearbeitet und erprobt, das dazu geeignet ist, Risikokinder und gefährdete<br />
Jugendliche in ihrer außerfamiliären Lebenswelt auf mehreren Präventionsstufen<br />
zu begleiten, aber ebenfalls bereits bestehende sozio-emotionale Störungen<br />
aufzulösen. Eine Einführung in das Gesamtkonzept PSYCHAGOGIK findet<br />
am Samstag, dem 20. April von 9 bis 13 Uhr im Festsaal des Centre de<br />
Logopédie statt (siehe Anlage unten).<br />
In seinem dreiteiligen Festvortrag vom 15. Mai „Wie vermag Psychotherapie<br />
heute zu heilen?“ unterstreicht Dr. Nicolay, dass Gesundheit und Menschenwürde<br />
zusammengehören und ein fundamentales Menschenrecht darstellen, in<br />
dem alle Interventionen gründen. Heute gäbe es zudem viele Wege, die eigenen<br />
selbstreflexiven und mitmenschlichen sowie erzieherisch-psychagogischen oder<br />
psychotherapeutisch-kurativen Kompetenzen zu verbessern. Im zweiten Teil<br />
verdeutlicht der Referent anhand von 6 Fragestellungen, worum es bei einer<br />
Psycho-therapie geht, ob und wie sie wirkt. Auch die Nebenwirkungen werden<br />
nicht ausgespart. Es wird deutlich, dass der psychotherapeutische Prozess eine<br />
sehr komplexe Angelegenheit ist, die einer umfangreichen und sorgfältigen<br />
Ausbildung & professioneller Begleitung des Anbieters bedarf. Da der Referent<br />
ein Verfechter der <strong>Gruppen</strong>therapie ist, geht er nicht <strong>nur</strong> auf die<br />
Wirkungsweisen dieses Settings ein, sondern stellt im dritten Teil sein<br />
multimodulares Konzept einer Individual-Psychologischen Selbst-Managementtherapie<br />
in der Gruppe (IPSM ® ) vor, das sowohl störungsübergreifend als auch<br />
störungsorientiert angelegt ist. IPSM ® wird in verschiedenen Varianten seit 2002<br />
in Luxemburg gelehrt und praktiziert; für Lucien Nicolay werden die<br />
Möglichkeiten der <strong>Gruppen</strong>therapie in der europäischen Gesundheitsversorgung<br />
noch viel zu wenig genutzt!<br />
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