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ExÜ vom 06.03.2009 (Prof. Proelß)

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1.2 Geschützte Verhaltensweisen<br />

Nach Art. 5 Abs. 3 GG geschützt ist nicht nur die eigentliche künstlerische Tätigkeit, d.h. die<br />

Schöpfung des Kunstwerkes („Werkbereich“), sondern auch dessen Darbietung und Verbreitung<br />

(„Wirkbereich“). Der Schutzbereich erfasst daher jede Form der Vermittlung des Kunstwerkes.<br />

32 Danach fallen sowohl die Dichtung selbst wie auch das Verbreiten des „Neuen<br />

Deutschlandliedes“ durch die Flugblätter, d.h. die „künstlerische Aktion“, in den Anwendungsbereich<br />

von Art. 5 Abs. 3 GG. 33<br />

1.3 Politischer Gehalt<br />

Trotz Betroffenheit des Werk- und Wirkbereichs der Kunstfreiheit könnte eine Eröffnung des<br />

Schutzbereichs dahinstehen, weil K mit seiner Aktion seinen Unmut über die bestehenden sozialen<br />

Missstände in Deutschland Ausdruck verleihen möchte. Insofern könnte die Meinungsfreiheit<br />

des Art. 5 Abs. 1 GG dem Art. 5 Abs. 3 Satz 1 1. Alt. GG als lex specialis vorgehen.<br />

Das Bundesverfassungsgericht sieht in ständiger Rechtsprechung indes umgekehrt in der<br />

Kunstfreiheit gegenüber der Meinungsfreiheit eine lex specialis. 34 Demgegenüber möchte eine<br />

in der Literatur vertretene Auffassung immer dann, wenn Kunst in der politischen Auseinandersetzung<br />

instrumentalisiert wird, den Schwerpunkt auf Art. 5 Abs. 1 GG legen, wohingegen<br />

der Schutzbereich des Art. 5 Abs. 3 Satz 1 1. Alt. GG zurückzutreten habe. 35<br />

Gegen die Auffassung des Bundesverfassungsgericht spricht, dass im Hinblick auf die<br />

schrankenlose Gewährleistung von Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG derjenige, der sich der Kunst zur<br />

Verdeutlichung seiner Meinung bedient, privilegiert würde. Gegen die zweite Ansicht ist einzuwenden,<br />

dass in Fällen, die durch eine über bloße Kritik hinausgehende künstlerische Tätigkeit<br />

geprägt sind, die besonderen Anforderungen des Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG nicht unterlaufen<br />

werden dürfen. Insbesondere vor dem Hintergrund der verschiedenen Anforderungen<br />

an die Schrankenbestimmung (vgl. Art. 5 Abs. 2 GG: allgemeine Gesetze) erscheint es daher<br />

vorzugswürdig, jeweils beide Schutzbereiche auf ihre Betroffenheit hin zu analysieren, und<br />

erst auf Ebene der Konkurrenzen ein mögliches Zurücktreten von Art. 5 Abs. 1 GG zu untersuchen.<br />

1.4 Ergebnis<br />

Der Schutzbereich von Art. 5 Abs. 3 GG ist damit eröffnet.<br />

2. Eingriff<br />

Eingriffe in die Kunstfreiheit liegen vor, wenn Verhaltensweisen im Werk- oder Wirkbereich<br />

durch Verbote, Sanktionen oder bloß faktische Maßnahmen des Staates behindert oder unmöglich<br />

gemacht werden. 36 Hier wird K in seiner künstlerischen Betätigung durch die drohende<br />

Strafbarkeit des § 90a StGB beschränkt. Ein Eingriff liegt daher vor.<br />

32 Unbestritten, s. BVerfG aaO (Mephisto) Ipsen aaO Rn. 480; Sodan / Ziekow, Grundkurs Öffentliches Recht, §<br />

33 Rn. 3.<br />

33 S. die Originalentscheidung BVerfG aaO (Hymne).<br />

34 Vgl. BVerfGE 30, 173 (191 f.); 81, 298 (306).<br />

35 Ipsen, Staatsrecht II, Rn. 490 ff.<br />

36 S. Sodan / Ziekow aaO Rn. 7.<br />

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