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ExÜ vom 06.03.2009 (Prof. Proelß)

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Die Rechtsauffassung K’s ist in zweierlei Hinsicht unzutreffend. Zum einen hat das BVerfG<br />

vorliegend nur zu prüfen, ob § 90a StGB – und nicht das Festlegen der Hymne durch den<br />

Bundespräsidenten (mit oder ohne Mitwirken des Bundeskanzlers) – gegen den Parlamentsvorbehalt<br />

verstößt. Letzteres ist bereits deswegen nicht der Fall, weil § 90a StGB formelles<br />

Bundesrecht darstellt und damit dem Gesetzesvorbehalt genügt. Dass § 90a StGB auf einen<br />

außerstrafrechtlichen Anknüpfungspunkt verweist, nämlich auf den Briefwechsel zwischen<br />

Bundeskanzler und Bundespräsident, betrifft allein den Inhalt, nicht aber die Quelle der<br />

Norm. Die Verweisung in § 90a StGB ist demnach eine Frage der Bestimmtheit des Tatbestandes.<br />

Ein Verstoß gegen den Parlamentsvorbehalt liegt nicht vor. 12<br />

Davon abgesehen, wird der Parlamentsvorbehalt primär durch einen wesentlichen Grundrechtseingriff<br />

ausgelöst, der hier nicht vorliegt. Beeinträchtigungen des Schutzbereichs eines<br />

Grundrechts (hier des Art. 2 Abs. 1 GG) erfolgen in der Regel durch „klassische Grundrechtseingriffe“,<br />

also einem „rechtsförmigen Vorgang, der unmittelbar und gezielt durch ein <strong>vom</strong><br />

Staat verfügtes, erforderlichenfalls zwangsweise durchzusetzendes Ge- oder Verbot, also imperativ,<br />

zu einer Verkürzung grundrechtlicher Freiheiten führt“ (enger Eingriffsbegriff). 13 Das<br />

Hoffmann Haydn’sche Lied, das bei staatlichen Anlässen oder bei sportlichen (Groß-) Veranstaltungen<br />

gespielt wird, stellt keinen gezielten Eingriff in die Freiheitssphäre des Bürgers<br />

dar. Nach h.M. genügen zwar auch rein faktische Einwirkungen auf ein Grundrecht, wenn sie<br />

der unmittelbaren Einwirkung gleichstehen bzw. nahekommen (weiter Eingriffsbegriff). 14 Das<br />

ist bei der Festlegung der Nationalhymne freilich nicht der Fall. Zwar besteht etwa bei großen<br />

Sportveranstaltungen Anlass, die Nationalhymne mitzusingen. Verpflichtend ist dies jedoch<br />

nicht. Es steht jedermann frei, ob er mitsingen möchte oder nicht. Daher ist auch nichts für eine<br />

Zustimmungsbedürftigkeit unter Gesichtspunkten eines objektiven Wesentlichkeitsvorbehalts,<br />

der unabhängig <strong>vom</strong> Kriterium eines Grundrechtsingriffs zur Anwendung gelangen<br />

könnte, ersichtlich.<br />

III.<br />

Verstoß gegen Bestimmtheitsgrundsatz, Art. 103 Abs. 2 GG?<br />

1. § 90a Abs. 1 Nr. 2 StGB als verfassungswidriges Blankettgesetz?<br />

Dadurch dass § 90a StGB mit der Gesetzesformulierung „Hymne der Bundesrepublik<br />

Deutschland“ auf einen außerstrafrechtlichen Anknüpfungspunkt verweist, könnte der Bestimmtheitsgrundsatz<br />

verletzt sein. Der Bestimmtheitsgrundsatz nach Art. 103 Abs. 2 GG erfordert,<br />

dass die Strafbarkeit so konkret umschrieben ist, dass Tragweite und Anwendungsbereich<br />

der Straftatbestände zu erkennen sind und sich durch Auslegung ermitteln lassen. 15 Ein<br />

Verstoß gegen das Bestimmtheitsgebot kann dann vorliegen, wenn ein Blankettstrafgesetz auf<br />

eine untergesetzliche Regelung verweist, ohne dass die Fälle der Strafbarkeit bereits auf<br />

Grund des Gesetzes vorausgesehen werden können. 16<br />

Diese Konstellation liegt hier jedoch nicht vor. Zum einen liegt bei § 90a StGB schon keine<br />

Verweisung im technischen Sinn vor. Zum anderen handelt es sich bei den beiden Briefwechseln,<br />

aus denen die Hymne hervorging, nicht um untergesetzliche Rechtsnormen. Als solche<br />

kämen hier allenfalls Rechtsverordnung und Verwaltungsakt in Betracht. Beide Handlungs-<br />

12 Dieses Ergebnis ist unzweifelhaft. Eine abw. Ansicht wäre falsch.<br />

13 BVerfGE 105, 279 (300).<br />

14 BVerfGE aaO; Sodan/Ziekow, Grundkurs Öffentliches Recht, § 24 Rn. 8; krit. gegenüber der „Eingriffs“-<br />

Terminologie Ipsen, Staatsrecht II, Rn. 123 ff.<br />

15 St. Rspr. des BVerfG, s. nur BVerfGE 75, 329 (340 f.).<br />

16 BVerfGE 14, 245 (252 f.); Degenhart, in: Sachs, Grundgesetz, Art. 103 Rn. 60.<br />

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