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ExÜ vom 06.03.2009 (Prof. Proelß)

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Gericht von der Verfassungswidrigkeit des Gesetzes überzeugt sein muss. Bloße Zweifel oder<br />

Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit der Norm reichen im Gegensatz zu Art. 93 Abs. 1<br />

Nr. 2 GG nicht aus. 4<br />

Die Strenge bei der Überzeugungsbildung wird mit dem damit einhergehenden Begründungszwang<br />

auf Seiten des vorlegenden Gerichts gerechtfertigt (mittelbar trägt sie wohl auch zur<br />

Entlastung des überlasteten BVerfG bei). Der Richter soll gezwungen werden, die Vereinbarkeitsfrage<br />

sachgerecht zu durchdenken, um unnötige oder leichtfertige Vorlagen zu vermeiden.<br />

5 Hier war R nicht von der Verfassungswidrigkeit des § 90a Abs. 1 Nr. 2 StGB überzeugt;<br />

er hatte vielmehr nur „Zweifel“ an der Vereinbarkeit mit dem Grundgesetz. Die Richtervorlage<br />

ist deshalb mangels Vorlagegrundes unzulässig.<br />

2. Verfassungskonforme Auslegung<br />

Art. 100 Abs. 1 GG verlangt nicht nur, dass das vorlegende Gericht die angegriffene Norm<br />

aus eigener Überzeugung für verfassungswidrig hält. Das BVerfG hat zudem das Gebot des<br />

Vorrangs der verfassungskonformen Auslegung aufgestellt. Danach ist eine ausreichende<br />

Überzeugung des Gerichts von der Verfassungswidrigkeit des Gesetzes dann nicht gegeben,<br />

wenn die Vorschrift in eine Richtung interpretierbar ist, die mit dem Grundgesetz in Einklang<br />

steht. In einem solchen Fall habe diese Interpretation den Vorzug vor anderen Auslegungsmöglichkeiten.<br />

Eine Richtervorlage sei dann unzulässig. 6<br />

An dieser Rspr. (sie besitzt wohl ebenfalls einen gewissen Entlastungseffekt für das BVerfG)<br />

wird teilweise kritisiert, dass sie die Anforderungen an eine Richtervorlage, insbesondere wegen<br />

der oft ohnehin problematischen verfassungskonformen Auslegung, zu sehr überspanne.<br />

Hinnehmbar sei sie allenfalls dann, wenn ein Gericht die Möglichkeit verfassungskonformer<br />

Auslegung selbst einräume. Für überzogen wird die Vorgabe des BVerfG jedenfalls dann gehalten,<br />

wenn das vorlegende Gericht eine verfassungskonforme Auslegung auch dann vornehmen<br />

müsse, wenn es selbst diese Möglichkeit nicht einmal in Betracht gezogen habe. 7<br />

Dem ist freilich entgegen zu halten, dass jeder fachrichterlichen Überzeugungsbildung eine<br />

Gesetzesauslegung, unabhängig von ihrer Schwierigkeit, vorauszugehen hat. Zu den <strong>vom</strong><br />

Richter anzuwenden Auslegungsmethoden gehört auch die verfassungskonforme Auslegung.<br />

Dies gilt umso mehr, als das vorlegende Gericht ein Gesetz vorlegt, weil es dies für verfassungswidrig<br />

hält. 8<br />

Vorliegend hat der Strafrichter am Amtsgericht Kiel die Strafbarkeit K’s bejaht, nachdem er<br />

Wortlaut, Systematik, Gesetzeszweck und Entstehungsgeschichte des § 90a StGB geprüft hatte.<br />

Da R keine verfassungskonforme Auslegung erwogen hat, verstößt dieses Unterlassen –<br />

unabhängig <strong>vom</strong> theoretischen Ergebnis dieser Auslegung – gegen das Gebot des Vorrangs<br />

der verfassungskonformen Auslegung. R’s Richtervorlage ist daher auch aus diesem Grund<br />

unzulässig (a.A. gut vertretbar).<br />

4 BVerfGE 1, 184 (189); 78, 104 (117); Benda / Klein, Verfassungsprozessrecht, Rn. 819; Dollinger, in: Umbach<br />

/ Clemens / Dollinger, BVerfGG, § 80 Rn. 53; Meyer, in: Münch / Kunig, Band 3, Art. 100 Rn. 21; Pieroth, in:<br />

Jarass / Pieroth, Art. 100 Rn. 10.<br />

5 Maunz / Schmidt-Bleibtreu / Klein / Bethge, BVerfGG, § 80 Rn. 21 u. 296.<br />

6 BVerfGE 22, 373 (377); 90, 145 (170) und h.L., s. nur Pieroth, in: Jarass / Pieroth, Art. 100 Rn. 10; Sieckmann,<br />

in: v. Mangoldt / Klein / Starck, Bonner Grundgesetz, Art. 100 Rn. 34.<br />

7 Benda / Klein, VerfProzR, Rn. 825.<br />

8 Dollinger, in: Umbach / Clemens / Dollinger, BVerfGG, § 80 Rn. 56.<br />

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