Hier - Die Linke
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Änderungsantrag: S.14.<br />
Antragsteller: KV Heidelberg/Rhein-Neckar<br />
Änderungsanträge zum<br />
Leitantrag des Parteivorstandes zu Änderungen<br />
der Bundessatzung<br />
an die 2. Tagung des 2. Parteitages der Partei<br />
DIE LINKE, 21. bis 23. Oktober 2011 in Erfurt<br />
Der Parteitag möge beschließen:<br />
Änderungsantrag S.14.1.<br />
§ 8 Abs. 1 Satz 1<br />
soll wie folgt geändert werden:<br />
„Zu allen politischen Fragen Sachfragen in der Partei<br />
kann ein Mitgliederentscheid (Urabstimmung)<br />
stattfinden.“<br />
Begründung: Der Ausdruck „politische Fragen“ ist zu<br />
unpräzise. In einer politischen Partei haben letztlich alle<br />
Fragen, denen eine besondere Relevanz zugeschrieben<br />
wird, eine politische Bedeutung. Bereits beim letzten<br />
Mitgliederentscheid zur „Doppelspitze“ der Parteiführung<br />
gab es Debatten (und einen Anfechtungsversuch bei der<br />
Schiedskommission), ob es sich wirklich um eine<br />
„politische Frage“ im engeren Sinne oder um eine bloße<br />
Organisationsfrage handele. Eine solche Unterscheidung<br />
wird sich in einer politischen Partei niemals trennscharf<br />
vornehmen lassen. Deshalb wird beantragt, den Ausdruck<br />
„politische Fragen“ durch den Begriff „Sachfragen“ zu<br />
ersetzen. Er grenzt präzise ab, worum es geht: Alle Arten<br />
von Fragen, denen eine so hohe Relevanz zugeschrieben<br />
wird, dass dies 5000 Mitglieder durch ihre Unterschrift<br />
verlangen, sollen einem Mitgliederentscheid zugänglich<br />
sein. <strong>Die</strong>s im Unterschied und in Abgrenzung zu<br />
Personalfragen, also Wahlen, die allein Mitglieder- und<br />
Delegiertenversammlungen vorbehalten bleiben. Eine<br />
solche Abgrenzung ist sinnvoll, weil die persönliche<br />
Vorstellung von Kandidaten bei Wahlen von<br />
entscheidender Bedeutung zur Beurteilung von deren<br />
Eignung sein kann, deshalb die Beschränkung auf<br />
Mitglieder- und Delegiertenversammlungen. Eine<br />
Sachfrage hingegen lässt sich argumentativ durch eine<br />
Gegenüberstellung von Pro- und Contra-Argumenten<br />
beurteilen, dazu ist keine persönliche Anwesenheit<br />
erforderlich. <strong>Die</strong> Wahl von Vorständen und Vorsitzenden<br />
ist nach dem Parteiengesetz ohnehin Mitglieder- und<br />
Delegiertenversammlungen vorbehalten, dazu darf also<br />
gar kein verbindlicher Mitgliederentscheid durchgeführt<br />
werden. Höchstens eine unverbindliche<br />
Mitgliederbefragung, die ggf. auch völlig unabhängig von<br />
§ 8 „Mitgliederentscheide“ erfolgen könnte (was wir aber<br />
aus dem oben genannten Grund nicht für sinnvoll halten,<br />
zumal es Mitglieder- und Delegiertenversammlungen in<br />
einer zentralen Funktion entwerten würde).<br />
Änderungsantrag S.14.2.<br />
§ 8 Abs. 3<br />
soll wie folgt geändert werden:<br />
249<br />
„Stimmberechtigt sind alle Mitglieder. Der dem<br />
Mitgliederentscheid zugrunde liegende Antrag ist<br />
beschlossen, wenn ihm bei einer Beteiligung von<br />
mindestens einem Viertel der Mitglieder eine einfache<br />
Mehrheit zustimmt.“<br />
Begründung: Solche Beteiligungsquoren zusätzlich zur<br />
Mehrheitsentscheidung werden in der neueren<br />
politikwissenschaftlichen Fachdiskussion abgelehnt<br />
(siehe z.B. Otmar Jung: Zur Problematik des<br />
Beteiligungsquorums. In: Jahrbuch für Direkte<br />
Demokratie 2009, S. 40-65, Nomos, Baden-Baden).<br />
Beteiligungsquoren sind unnötig, weil die hohe Relevanz<br />
des Themas für die Mitglieder bereits durch das<br />
vorausgehende Unterschriftenquorum gewährleistet ist<br />
(5000 Mitglieder müssen unterschreiben, damit es<br />
überhaupt zum Mitgliederentscheid kommt).<br />
Beteiligungsquoren führen zu keiner Steigerung der<br />
Abstimmungsbeteiligung, sondern sie reduzieren die<br />
Abstimmungsbeteiligung deutlich, weil manche durch ein<br />
Fernbleiben von der Abstimmung auf ein Scheitern des<br />
Begehrens hoffen. <strong>Die</strong>ser Effekt ist empirisch<br />
nachgewiesen. Beteiligungsquoren führen zu einer<br />
Verzerrung des Ergebnisses: Wenn sich Mitglieder<br />
enthalten wollen, weil sie die Entscheidung den<br />
Abstimmenden überlassen wollen, wird ihre Enthaltung<br />
durch das Quorum wie eine Nein-Stimme gewertet.<br />
Umgekehrt kann es dazu kommen, dass die Abgabe von<br />
Nein-Stimmen zum Erreichen des Quorums und damit zur<br />
Annahme (!) des Begehrens führt. <strong>Die</strong> Abgabe der „Nein“-<br />
Stimmen hätte dann genau das Gegenteil von dem<br />
bewirkt, was die Abstimmenden wollten.<br />
Beteiligungsquoren führen häufig zu Boykottstrategien:<br />
Statt sich einer argumentativen Auseinandersetzung um<br />
das Pro und Contra des Anliegens zu stellen,<br />
boykottieren Gegner des Begehrens den politischen<br />
Dialog, um der Sache möglichst wenig Aufmerksamkeit<br />
zukommen zu lassen, in der Hoffnung, dass dann auch<br />
die Beteiligung gering ist und das Quorum verfehlt wird.<br />
Das ist für die demokratische Meinungsbildung und einen<br />
solidarischen Diskurs tödlich. Ein Beteiligungsquorum bei<br />
Mitgliederentscheiden ist<br />
inkonsistent, denn für Mitgliederversammlungen gilt nach<br />
§ 30 Abs. 3 unserer Satzung: „Mitgliederversammlungen<br />
sind unabhängig von der Zahl der Anwesenden<br />
beschlussfähig, wenn alle teilnahmeberechtigten<br />
Parteimitglieder ordnungsgemäß eingeladen wurden.“<br />
Warum sollte bei Mitgliederentscheiden etwas anderes<br />
gelten? Würde bei Mitgliederversammlungen ein ähnlich<br />
hohes Beteiligungsquorum von 25 % aller Mitglieder<br />
gelten, wären fast alle unsere Versammlungen<br />
beschlussunfähig.<br />
Ein Beteiligungsquorum bei Mitgliederentscheiden steht<br />
in eklatantem Widerspruch zu unseren öffentlichen<br />
politischen Forderungen zur direkten Demokratie: Unsere<br />
Bundestagsfraktion hat mit ihrem 2010 in den Bundestag<br />
eingebrachten Gesetzentwurf 17/1199 für bundesweite<br />
Volksentscheide gefordert, dass diese kein<br />
Beteiligungsquorum beinhalten dürfen. Zum aktuell<br />
bevorstehenden Volksentscheid zu „Stuttgart 21“ in<br />
Baden-Württemberg haben die <strong>Linke</strong>, die SPD und die<br />
Grünen in ihren Landtagswahlprogrammen gefordert (und<br />
SPD und Grüne auch in ihrem Koalitionsvertrag<br />
festgeschrieben), dass das Quorum bei Volksentscheiden<br />
in Baden-Württemberg abgeschafft werden soll, ähnlich