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03.03.2014 Aufrufe

wozu ¿kultur Dr. Tobias Engelsing Dr. Tobias Engelsing Direktor der Städtischen Museen Konstanz Öffentliche Kulturinstitutionen stehen seit einigen Jahren unter einem zunehmenden Rechtfertigungsdruck. Publikumsferne und mangelnde Wirtschaftlichkeit sind die Hauptvorwürfe. Das jüngste Beispiel lieferte in dieser Rubrik „Wozu Kultur“, Südkurier-Chefredakteur Stefan Lutz: Theater, Museen, Orchester und Opernhäuser neigten als öffentliche Zuschussbetriebe zu Trägheit, Opulenz, und „zum Elfenbeinturm“. Seine pauschale Schelte: „Öffentlich finanzierte Kultur wird viel zu oft nur für eine sehr schmale, wenn auch sehr lautstarke Zielgruppe gemacht.“ Die Forderung des Chefredakteurs: Kultur müsse für alle interessant sein. Der Appell ist nicht ganz taufrisch: Nach dem Zweiten Weltkrieg hatte die junge deutsche Demokratie zuerst die „Bildung für alle“ und dann die „Kultur für alle“ zum Politikziel ausgerufen. Daraus folgte eine von tatsächlicher Nachfrage unabhängige hoch subventionierte Angebotspolitik. Was Lutz kritisiert widerspricht seiner Grundforde - rung: Die hohe Subvention sichert breiten Schichten den Zugang zur Kultur. Der Einritt in die Städtischen Museen Konstanz kostet beispielsweise nur 3 bis 4 Euro, mit vielen Reduzierungsmöglichkeiten: Das sind die guten Wirkungen öffentlicher Kultursubvention. Denn wir stehen zu unserem Auftrag der kulturellen Bildung. Und wir rich- 4

ten unsere Angebote in sorgfältiger Planung darauf aus, dass Gebildete und weniger Gebildete, Migranten, Zugezogene und Touristen etwas Interessantes bei uns finden. Solche Arbeit ist lokal und landesweit erfolgreich: Im Jahr 2012 haben 14,5 Millionen Menschen die 1300 Museen in Baden-Württemberg besucht, eine erneute Zunahme zu den Vorjahren. Kein Museum, kein Theater setzt auf nur eine „lautstarke Zielgruppe“, wie Lutz mutmaßt. Längst haben selbst die konservativeren Museen gelernt, Sonderausstellungen und Führungen, unterhaltsame Events, Exkursionen und Jugendprogramme an den Interessen möglichst differenzierter Zielgruppen zu orientieren. Unsere Kontrollorgane achten dabei in aller Regel genau darauf, ob wir unsere letztlich schmalen Veranstaltungsetats nachhaltig einsetzen. Weder Trägheit und Opulenz, noch Verschwendung von Steuergeldern sind das Problem. Das Problem ist der sinkende Stellenwert, den die Gesellschaft der schulischen und außerschulischen kulturellen Bildung der nächsten Generation einräumt. Problematisch ist auch die in den Medien zunehmend interessensleitende Mentalität der Superlative. Wer undifferenziert eine hauptsächlich populäre Massenkultur fordert, landet beim „König der Löwen“ und bei der hundertsten Blockbuster-Ausstellung mit Grafiken von Chagall oder Picasso. Dafür Steuergeld aufzuwenden, widerspräche dem öffentlichen Bildungsauftrag. Zum Bildungsauftrag gehören auch Gedenkausstellungen für vergessene Künstler einer Region, Vorträge und Lesungen jenseits des Marktgeschreis oder Führungen zu finsteren Themen der Geschichte. Aber haben sie eine Chance angemessen beachtet zu werden in der skandalisierenden Medienwelt unserer Tage? i Tobias Engelsing, geboren 1960, Dr. phil., Studium der Geschichte, Rechtswissenschaft und Politik. Seit 2007 Direktor der Städtischen Museen in Konstanz. Zuvor mehrere Jahre Lokalchef bei der Tageszeitung Südkurier. Schreibt für verschiedene Zeitungen, hat zahlreiche Publikationen zu historischen Themen veröffentlicht, engagiert sich ehrenamtlich in den Gremien mehrerer Kulturstiftungen und ist Lehrbeauftragter der Universität Konstanz. 5

wozu ¿kultur<br />

Dr. Tobias Engelsing<br />

Dr. Tobias Engelsing Direktor der Städtischen Museen Konstanz<br />

Öffentliche Kulturinstitutionen stehen seit einigen Jahren<br />

unter einem zunehmenden Rechtfertigungsdruck. Publikumsferne<br />

und mangelnde Wirtschaftlichkeit sind die<br />

Hauptvorwürfe. Das jüngste Beispiel lieferte in dieser Rubrik<br />

„Wozu Kultur“, Südkurier-Chefredakteur Stefan Lutz:<br />

Theater, Museen, Orchester und Opernhäuser neigten<br />

als öffentliche Zuschussbetriebe zu Trägheit, Opulenz,<br />

und „zum Elfenbeinturm“. Seine pauschale Schelte: „Öffentlich<br />

finanzierte Kultur wird viel zu oft nur für eine sehr<br />

schmale, wenn auch sehr lautstarke Zielgruppe gemacht.“<br />

Die Forderung des Chefredakteurs: Kultur müsse<br />

für alle interessant sein.<br />

Der Appell ist nicht ganz taufrisch: Nach dem Zweiten<br />

Weltkrieg hatte die junge deutsche Demokratie zuerst<br />

die „Bildung für alle“ und dann die „Kultur für alle“ zum<br />

Politikziel ausgerufen. Daraus folgte eine von tatsächlicher<br />

Nachfrage unabhängige hoch subventionierte Angebotspolitik.<br />

Was Lutz kritisiert widerspricht seiner Grundforde -<br />

rung: Die hohe Subvention sichert breiten Schichten den<br />

Zugang zur Kultur. Der Einritt in die Städtischen Museen<br />

Konstanz kostet beispielsweise nur 3 bis 4 Euro, mit vielen<br />

Reduzierungsmöglichkeiten: Das sind die guten Wirkungen<br />

öffentlicher Kultursubvention. Denn wir stehen<br />

zu unserem Auftrag der kulturellen Bildung. Und wir rich-<br />

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