Januar-Februar - Internationaler Bodensee-Club eV

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Kunsthaus ART&CARS – Fragen an Manfred Sailer Der Vorsitzende des Stiftungsrates der Südwestdeutschen Kunststiftung prägte während seiner Amtszeit als Bürgermeister von Engen im Hegau das Gesicht dieser Gemeinde, die als Musterbeispiel einer gelungenen Sanierung gilt. Besonders sehenswert sind die nach Entwürfen bekannter Künstler entstandenen modernen Brunnenplastiken, die einen erfrischenden Gegenpol zur mittelalterlichen Stadtarchitektur darstellen. Manfred Sailer war es auch, der der Singener Landesgartenschau ein Kunstprojekt ermöglichte, das der Stadt bleibende neue Glanzlichter aufsetzte. Herr Sailer, was reizt Sie an der Aufgabe, die Sie als Vorsitzender des Stiftungsrates übernommen haben? Das Neue. Eigentlich gibt es genügend Kunstmuseen. Man braucht keine weiteren. Wenn man etwas machen möchte, muss dies etwas Neues sein mit einer neuen Konzeption. Nur dann ist ein neues Projekt interessant und sinnvoll. Und das ist der Grund, warum ich hier gerne mitwirke. Ich finde, dass die Konzeption für dieses Kunsthaus einzigartig ist. Wenn wir uns umschauen, gibt es höchstens in Ansätzen Ähnliches in der südlichen Schweiz. Es wird interessant sein, wenn hier in Singen automobile Kunst ersten Ranges zusammentrifft mit bedeutender bildender Kunst. Und – wenn man den weiteren Außenbereich des künftigen Hauses mit einbezieht – mit Skulpturenkunst von Weltrang. Und das alles in und um ein Gebäude, das selbst Architektur von sehr hoher Qualität zeigen wird. Wenn ich mithelfen kann, dieses zusammenzuführen und mitzugestalten, betrachte ich das als eine reizvolle und auch herausfordernde Aufgabe. Sie sprechen von automobiler Kunst. Eine ungewöhnliche Wortschöpfung. Sind Autos für Sie Kunstwerke? Manche schon. Zwar muss ein Auto zuallererst einmal fahren. Autos werden aber auch gekauft weil sie technisch besonders interessant oder ästhetisch schön sind. Oder weil sie nicht jeder fährt. Auch manches moderne Auto wird eines Tages eine Stil-Ikone sein. Aber hier geht es um Autos aus früherer Zeit. Und da gibt es einige ganz einzigartige Exemplare, die künftig in dem neuen Kunsthaus zu sehen sind. Zum Beispiel eine Invicta aus dem Jahr 1931. Von diesem Auto gibt es weltweit nur wenige Exemplare. Invicta, die „Unbesiegbare“, darüber lassen sich künftig schöne Geschichten erzählen. Zu bewundern sein wird ein Rolls Royce Phantom von 1925, den es über haupt nur ein einziges Mal weltweit gibt, ein Unikat, ein wunderschönes Auto. Beim Anschauen des Bentleys Brookman 1936 dürfte nicht nur den Herren das Herz aufgehen. Faszinierend ist auch die elegante Jaguar E- Type, in die wohl die Damen gerne zu einer sommerlichen Fahrt einsteigen würden. Das sind wahrlich Kunstwerke! Kunstwerke aus vergangenen Zeiten. Bei all dem geht es nicht um den materiellen, sondern um den künstlerischen Wert. Das sind ohne Übertreibung automobile Preziosen. Es ist die ästhetisch schöne Form, die besticht, es ist aber auch die einzigartige Technik, die bei einigen dieser Autos ihrer Zeit voraus war. Allein sich damit zu beschäftigen ist eine Form, sich mit Kunst, in diesem Fall der Ingenieurs-Kunst, auseinanderzusetzen. ART & CARS. Kunst und Autos. Das heißt, diese Autos stehen in den gleichen Räumen, in denen auch andere Kunstwerke ausgestellt sind, so dass ein Dialog stattfindet zwischen Malerei, Bildhauerei und diesen automobilen Skulpturen, ein neuer, sehr reizvoller Spannungsbogen. Nur wenn diese verschiedenen Kunstwerke zusammen zu sehen sind, macht es Sinn. Das ist das Besondere, das Neue dieser Konzeption. Wenn Sie das beschreiben, rückblickend, Baujahre und Entstehungsjahre nennen, ergibt sich unwillkürlich die Frage, ob die Präsentation in diesem neuen Kunsthaus nicht auch ein Stück Kulturgeschichte widerspiegelt. Das kann man ganz sicher sagen, da spiegeln sich auch Kulturgeschichte und technische Entwicklung wider. Wenn wir heute in ein Auto einsteigen erwarten wir, dass es funktioniert. Wir denken nicht weiter nach über die Entwicklung, die dazu geführt hat, dass wir dabei mehr Sicherheit, mehr Geschwindigkeit, mehr Komfort genießen können als früher und dass wir dafür heute sogar weniger Rohstoffe verbrauchen. Auch Bilder spiegeln oft Zeitgeschichte wider. So werden wir in diesem Haus zum Beispiel eine ganze Reihe wichtiger Arbeiten von Otto Dix zeigen, die gesellschaftliche Prozesse in der Vorkriegsund Nachkriegszeit widerspiegeln, bevor er sich in der Nazizeit hierher zurückziehen musste und aus Geldnot seine schönen Bodensee-Motive gemalt hat. Könnte man, zugespitzt sagen, dass ART&CARS in Singen so etwas wie ein Unikat sein wird, das Kunst unterschiedlicher Disziplinen zeigt, die miteinander im Dialog stehen – oder sollte man sagen im Trialog – , Kunst aus verschiedenen Epochen, die auch Geschichte dokumentiert? 12

Ein Unikat ist schon der Entwurf für das Haus. Er stammt von Daniel Binder und zeigt ein wunderschönes Gebäude, das in seiner geschwungenen Architektur für sich selbst bereits ein Kunstwerk darstellt. Wir können die Sammlung also in einem einzigartigen Gebäude präsentieren. Zum zweiten: Friedhelm Möhrle und weitere Singener Kunstfreunde haben die Chance genutzt, Nachlässe mit anspruchsvollen Kunstwerken für die Südwestdeutsche Kunststiftung zu bekommen. Es gibt weltweit wichtige Künstler in dieser Sammlung. Der weitere Teil der Ausstellung sind die automobilen Kunstwerke. Und der dritte Teil des Dialogs oder, wie Sie sagen Trialogs, sind die Skulpturen. Drinnen im Kunsthaus und im Skulpturengarten. Es soll auch ein Bogen geschlagen werden nach draußen über die Aach hinweg zum Singener Stadtgarten und zur Stadt. Dort stehen bereits Skulpturen ersten Ranges, die der Stadt gehören und weltweit zur Spitzenklasse zählen, etwa Kabakov auf der Aachinsel oder Kosuth am Rathaus oder Balkenhol auf dem Maggi-Turm. Oder Beaugrand mit ihrem beliebten Frontierland und Roman Signer im alten Wasserbehälter. Oder Harald F. Müller’s SINGEN oder Nussbaum’s witzige Verkehrsschilder, Kunstwerke, die sich ganz gewollt besonders für Automobilisten überraschend ersch ließen. Ein Skulpturenweg führt also künftig vom Kunsthaus zur Stadt und umgekehrt, so dass sich dem Besucher hier ein Gesamtkunsterlebnis erschließt. Und die Stadt Singen kann, wenn sie will, moderne Kunst als neues Markenzeichen für sich setzen. Lassen Sie uns noch auf das Konstrukt Kunstiftung/ Kunstsammlung schauen. Laut Satzung muss die Sammlung in dem Neubau der Öffentlichkeit zugänglich gemacht und auch gepflegt werden. Um dies in optimaler Weise zu ermöglichen haben die beiden Stifter – Hermann Maier und Gabriela Unbehaun-Maier – sich für alle diesen Bau betreffenden Fragen den Rat von Fachleuten eingeholt, so dass er museumsdidaktisch perfekt sein wird. Die Südwestdeutsche Kunststiftung selbst ist eine gemeinnützige Stiftung mit Sitz in Singen. Gremien der Stiftung sind der Vorstand (mit der Stifterfamilie Maier und Bürgermeister Bernd Häusler) und der Stiftungsrat. Dieser setzt sich zusammen aus Kunstexperten, dazu zählt zum Beispiel der Museumsleiter von Singen Christof Bauer, es arbeiten Finanz-, Steuer- und Bankspezialisten mit und natürlich auch Kunstfreunde. Außerdem gibt es einen kunstwissenschaftlichen Beirat. Für die automobile Kunst wurde ebenfalls ein wissenschaftlicher Beirat eingerichtet. Unter dem Dach der Kunststiftung befindet sich der langjährige Förderverein. Vertreten sind auch die Ehrenmitglieder, welche die Sammlung seinerzeit gegründet haben. Hermann Maier und Gabriela Unbehaun-Maier stiften das Kunsthaus und finanzieren es, sie sind also Mäzene im klassischen Sinn. Die Stadt Singen stellt das Grundstück zur Verfügung, daher ist sie neben den beiden Stiftern mit dem jeweiligen Bürgermeister, der gleichzeitig der Kulturbürgermeister ist, im Vorstand vertreten. Falls die Stiftung irgendwann aufgelöst werden sollte, geht das gesamte Stiftungsvermögen, auch das Gebäude, an die Stadt Singen. Eine Rückgabe des Vermögens an die Stifterfamilie Maier ist ausdrücklich ausgeschlossen. Monique Würtz Der Förderverein RR Phantom Der „Förderverein Südwestdeutsche Kunst stiftung e.V.“ begleitet das Bewahren, Präsentieren, Pflegen und Publizieren von Kunstschätzen. Finanziell lebt er von seinen Mitgliedsbeiträgen und von Spenden, die ausschließlich für die genannten Zwecke und nicht für den Bau des Kunsthauses eingesetzt werden. Informationen unter: mbuehl@aol.com 13

Kunsthaus ART&CARS – Fragen an Manfred Sailer<br />

Der Vorsitzende des Stiftungsrates der Südwestdeutschen<br />

Kunststiftung prägte während seiner Amtszeit als<br />

Bürgermeister von Engen im Hegau das Gesicht dieser<br />

Gemeinde, die als Musterbeispiel einer gelungenen Sanierung<br />

gilt. Besonders sehenswert sind die nach Entwürfen<br />

bekannter Künstler entstandenen modernen Brunnenplastiken,<br />

die einen erfrischenden Gegenpol zur mittelalterlichen<br />

Stadtarchitektur darstellen. Manfred Sailer<br />

war es auch, der der Singener Landesgartenschau ein<br />

Kunstprojekt ermöglichte, das der Stadt bleibende neue<br />

Glanzlichter aufsetzte.<br />

Herr Sailer, was reizt Sie an der Aufgabe, die Sie als Vorsitzender<br />

des Stiftungsrates übernommen haben?<br />

Das Neue. Eigentlich gibt es genügend Kunstmuseen.<br />

Man braucht keine weiteren. Wenn man etwas machen<br />

möchte, muss dies etwas Neues sein mit einer neuen<br />

Konzeption. Nur dann ist ein neues Projekt interessant und<br />

sinnvoll. Und das ist der Grund, warum ich hier gerne mitwirke.<br />

Ich finde, dass die Konzeption für dieses Kunsthaus<br />

einzigartig ist. Wenn wir uns umschauen, gibt es höchstens<br />

in Ansätzen Ähnliches in der südlichen Schweiz.<br />

Es wird interessant sein, wenn hier in Singen automobile<br />

Kunst ersten Ranges zusammentrifft mit bedeutender<br />

bildender Kunst. Und – wenn man den weiteren Außenbereich<br />

des künftigen Hauses mit einbezieht – mit Skulpturenkunst<br />

von Weltrang. Und das alles in und um ein<br />

Gebäude, das selbst Architektur von sehr hoher Qualität<br />

zeigen wird. Wenn ich mithelfen kann, dieses zusammenzuführen<br />

und mitzugestalten, betrachte ich das als<br />

eine reizvolle und auch herausfordernde Aufgabe.<br />

Sie sprechen von automobiler Kunst. Eine ungewöhnliche<br />

Wortschöpfung. Sind Autos für Sie Kunstwerke?<br />

Manche schon. Zwar muss ein Auto zuallererst einmal<br />

fahren. Autos werden aber auch gekauft weil sie technisch<br />

besonders interessant oder ästhetisch schön sind. Oder<br />

weil sie nicht jeder fährt. Auch manches moderne Auto<br />

wird eines Tages eine Stil-Ikone sein. Aber hier geht es<br />

um Autos aus früherer Zeit. Und da gibt es einige ganz<br />

einzigartige Exemplare, die künftig in dem neuen Kunsthaus<br />

zu sehen sind. Zum Beispiel eine Invicta aus dem<br />

Jahr 1931. Von diesem Auto gibt es weltweit nur wenige<br />

Exemplare. Invicta, die „Unbesiegbare“, darüber lassen<br />

sich künftig schöne Geschichten erzählen. Zu bewundern<br />

sein wird ein Rolls Royce Phantom von 1925, den es<br />

über haupt nur ein einziges Mal weltweit gibt, ein Unikat,<br />

ein wunderschönes Auto. Beim Anschauen des Bentleys<br />

Brookman 1936 dürfte nicht nur den Herren das Herz<br />

aufgehen. Faszinierend ist auch die elegante Jaguar E-<br />

Type, in die wohl die Damen gerne zu einer sommerlichen<br />

Fahrt einsteigen würden. Das sind wahrlich Kunstwerke!<br />

Kunstwerke aus vergangenen Zeiten. Bei all dem geht es<br />

nicht um den materiellen, sondern um den künstlerischen<br />

Wert. Das sind ohne Übertreibung automobile Preziosen.<br />

Es ist die ästhetisch schöne Form, die besticht, es ist<br />

aber auch die einzigartige Technik, die bei einigen dieser<br />

Autos ihrer Zeit voraus war. Allein sich damit zu beschäftigen<br />

ist eine Form, sich mit Kunst, in diesem Fall der Ingenieurs-Kunst,<br />

auseinanderzusetzen.<br />

ART & CARS. Kunst und Autos. Das heißt, diese Autos<br />

stehen in den gleichen Räumen, in denen auch andere<br />

Kunstwerke ausgestellt sind, so dass ein Dialog stattfindet<br />

zwischen Malerei, Bildhauerei und diesen automobilen<br />

Skulpturen, ein neuer, sehr reizvoller Spannungsbogen.<br />

Nur wenn diese verschiedenen Kunstwerke zusammen<br />

zu sehen sind, macht es Sinn. Das ist das Besondere,<br />

das Neue dieser Konzeption.<br />

Wenn Sie das beschreiben, rückblickend, Baujahre und<br />

Entstehungsjahre nennen, ergibt sich unwillkürlich die<br />

Frage, ob die Präsentation in diesem neuen Kunsthaus<br />

nicht auch ein Stück Kulturgeschichte widerspiegelt.<br />

Das kann man ganz sicher sagen, da spiegeln sich auch<br />

Kulturgeschichte und technische Entwicklung wider.<br />

Wenn wir heute in ein Auto einsteigen erwarten wir, dass<br />

es funktioniert. Wir denken nicht weiter nach über die<br />

Entwicklung, die dazu geführt hat, dass wir dabei mehr<br />

Sicherheit, mehr Geschwindigkeit, mehr Komfort genießen<br />

können als früher und dass wir dafür heute sogar weniger<br />

Rohstoffe verbrauchen. Auch Bilder spiegeln oft Zeitgeschichte<br />

wider. So werden wir in diesem Haus zum Beispiel<br />

eine ganze Reihe wichtiger Arbeiten von Otto Dix<br />

zeigen, die gesellschaftliche Prozesse in der Vorkriegsund<br />

Nachkriegszeit widerspiegeln, bevor er sich in der<br />

Nazizeit hierher zurückziehen musste und aus Geldnot<br />

seine schönen <strong>Bodensee</strong>-Motive gemalt hat.<br />

Könnte man, zugespitzt sagen, dass ART&CARS in<br />

Singen so etwas wie ein Unikat sein wird, das Kunst unterschiedlicher<br />

Disziplinen zeigt, die miteinander im Dialog<br />

stehen – oder sollte man sagen im Trialog – , Kunst<br />

aus verschiedenen Epochen, die auch Geschichte dokumentiert?<br />

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