Alle machen mit. Die meisten wissen's nicht - Berliner Festspiele
Alle machen mit. Die meisten wissen's nicht - Berliner Festspiele
Alle machen mit. Die meisten wissen's nicht - Berliner Festspiele
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
Johnnv Cash die Szenen und Situationen. Hoch emotional„ aber dennoch nur e i ne<br />
Grundierte Fläche für das Ensemble, das für die wahren Wunder sorgt.<br />
Multitasking ist das Gebot des kleinen Rahmens: <strong>Alle</strong>s sind mal <strong>mit</strong> der Kamera dran,<br />
füllen die rechts vom Publikum platzierte Leinwand <strong>mit</strong> Dokubilder. oder launigen<br />
Zeichnungen und Skizzen, in denen Figuren und Kommentare eingeschoben oder<br />
einfach hinein gezeichnet werden. Retardierende Momente vor den detailliert<br />
ausgeformten SpieIszenen, denn bei aller virtuosen und witzigen Technik vertraut<br />
Kater/Petras vor allem seinen Schauspielern und bietet ihnen viel Raum - Dialoge,<br />
Monologe, Körperaktion und Pantomime, ein großer Katalog an klassischer<br />
Bühnenweisheit. Und umso schöner, wenn ein Team wie das vom Thalia dies<br />
ausnutzen kann.<br />
Seitenpfade und Haarnadelkurven<br />
Fritzi Haberlandt, längst ein Jungstar eigener Ordnung, ist ein Wunder. Sie spielt die<br />
Tochter Sonja, mal fünf Jahre-, mal fünfundzwanzig - , Kind, Schwangere, verletzt und<br />
vergrätzt, ein extrovertierter Bilderbogen an Schauspielerei. Fritz Katers Weg zum<br />
"Volksstück" windet sich natürlich auf Seitenpfaden und durch gewagte<br />
Haarnadelkurven, doch die Schauspieler dürfen das Steuer der Hand halten. Sonjas<br />
Bruder Mirco, gespielt von Hans Löw, agiert zurückhaltend und perfekt ergänzend zu<br />
Haberlandts beinahe entrücktem Spiel, dennoch pointiert, komisch, schlaksig<br />
verdreht. Fritzi Haberlandt kennt sich in Katers Kosmos bestens aus, sie spielte in<br />
den beiden ersten Stücken der Heimat-Triologie ("Fight City.Veneta" und "zeit zu<br />
lieben zeit zu sterben") <strong>mit</strong>, Hans Löw war auch beim zweiten Teil dabei.<br />
Peter Moltzen und Natali Seelig umkreisen sich als Ehepaar in Krise, mal Realitysoapmäßig<br />
schrill im TV-Zuschnitt, mal als Tragöden von Gravität und Tiefe. Nur<br />
schnell muss es gehen, denn – "we are" schließlich "camera" – der nächste Schnitt<br />
wartet schon. Gleich in vier Rollen wirbelt Stephan Johannes Richter zwischen<br />
Familien<strong>mit</strong>gliedern hin und her, er ist <strong>nicht</strong> zuletzt Gegenspieler-Spion und Rivale<br />
von Weitenwanderer Ernst.<br />
Navigation per Leuchtanzeige<br />
<strong>Die</strong> breite Bühne – man kann getrost sie als sechsten – kommt <strong>mit</strong> knappen, aber<br />
effizienten Mitteln aus. Sylvesterfeuerwerk <strong>mit</strong> Feuerzeugen, Schneesturm aus<br />
Zeitungsschnipseln im Styroporschnee, Hotelzimmer aus Glamour durch einen<br />
Lamettavorhang an Kleiderständern: <strong>Die</strong> Ausstatter Natascha von Steiger und Bernd<br />
Schneider sind <strong>mit</strong> ihren Ideen immer auf Texthöhe, es macht Spaß, sich auf die<br />
nächste Idee zu freuen, toll flankiert von der Beleuchtung. Durch die eigenwillige<br />
Bühnenausbreitung gewinnen die tief gestaffelten Handlungsebenen wie von selbst<br />
innere Logik und Struktur. Zur Sicherheit läuft bei allen Szenen eine Leuchtschrift <strong>mit</strong><br />
Zeit und Ort über dem Bühnenausgang: Im Kater-Kosmos navigiert man leicht.<br />
Es gibt kein Entkommen, aber auch keine Konfusion. Armin Petras/Fritz Kater, der<br />
keine Lösungen, sondern nur eine Geschichte anbieten will, sagt Privates über<br />
deutsche Historie, aber die Wahrheit ist für ihn ohnehin eine persönliche Sache. <strong>Die</strong><br />
Wahrheit der Autorenfigur Fritz Kater jedenfalls hatte einen großen Abend, <strong>nicht</strong><br />
zuletzt wegen der exzellenten, zu Recht begeistert gefeierten Schauspieler der<br />
ersten Thalia-Garde. Aber auch, weil wiederum eine Darstellung dessen gelang, was<br />
Theater heute sein kann. Im kleinen Rahmen ein Kosmos, so klein, so groß. Im<br />
Wortsinn wunderbar.