30.10.2012 Aufrufe

Alle machen mit. Die meisten wissen's nicht - Berliner Festspiele

Alle machen mit. Die meisten wissen's nicht - Berliner Festspiele

Alle machen mit. Die meisten wissen's nicht - Berliner Festspiele

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

Spiegel Online - Kultur 07. Dezember 2003<br />

Feuerwerk im Kater-Kosmos<br />

Von Werner Theurich<br />

Kleiner Rahmen, große Wirkung: Fritz Katers neues Stück brauchte nur fünf<br />

Personen und moderate Technik, um BRD und DDR konzentriert und beispielhaft<br />

abzuhandeln. Bei "We are camera/Jasonmaterial" blickte der Zuschauer sofort durch<br />

- <strong>nicht</strong> nur wegen der raffinierten Kameraführung.<br />

Hamburg - <strong>Die</strong> zweite Spielstätte des Hamburger Thalia Theaters in der Altonaer<br />

Gaußstraße ist klein. Rund 200 Plätze hat der Saal an diesem Abend zur<br />

Uraufführung des neuen Stückes "We are camera/Jasonmaterial" von Fritz Kater, <strong>mit</strong><br />

dem der Autor seine viel bejubelte "Harvest"-Triologie- abschloss, die er als<br />

Auftragswerk für das Thalia Theater verfasst hatte. Armin Petras (Jahrgang 1964) ist<br />

natürlich der Regisseur, der <strong>mit</strong> seinem Autoren-Alter-ego Fritz Kater eine raffiniert<br />

witzige Doppelbesetzung auf die Theaterszene losgelassen hat, die ihm viel<br />

Freiraum für Witz und Versteckspiel lässt. Ein Spiel, das allen gefällt, weil es große<br />

Dinge konzentriert, aber <strong>nicht</strong> verkleinert. Das funktioniert auf Bühnen wie in der<br />

Gaußstraße am besten. Ein bescheidener Rahmen also, den das Deutschland-Stück<br />

von Beginn an mühelos und lustvoll sprengte - und das <strong>nicht</strong> nur, weil der<br />

Theaterraum zwischen Bühne und Publikum redlich geteilt war.<br />

Recht so, denn die Geschichte vom Wissenschaftler Ernst, der zu Sylvester 1969 <strong>mit</strong><br />

seiner Frau Paula und zwei Kindern, Mirco und Sonja, über Finnland in die DDR<br />

reist, braucht schon einen cinemascopischen Raum, der sich vor den Zuschauern<br />

kinomäßig auffächert. Ernst ist Spion und liefert Dinge, hinter denen auch andere her<br />

sind, seine Kinder und seine Frau haben <strong>nicht</strong> viel <strong>mit</strong> seiner_ Ambitionen am Hut,<br />

wollen weder nach Finnland noch in die DDR. Kein glorreicher Held wie Jason auf<br />

der Suche nach dem Goldenen Vlies, aber eben auf dem Weg - "Jason-Material",<br />

bestenfalls. Eine fünfte Figur kreist in wechselnden Personifikationen um das<br />

Familien- und Filmszenario. Agentenstory, Melodram, Komödienstoff, alles ist in "We<br />

are camera", und die Kamera ist der stumme Kommentator von fast allem, was auf<br />

der Bühne geschieht. Sei es der rohe und laute Streit der Eheleute, sei es die<br />

schnelle Kopulation von Paula <strong>mit</strong> dem Hotelpagen, der selber Spion ist, immer ist<br />

das Auge der Distanz präsent. Wir sehen durch die Kamera, das Publikum und die<br />

Akteure. Sie spielen, und sie zeigen, wie sie spielen. Das hört sich nach Brecht an,<br />

ist aber Kater pur.<br />

Schnelle Schnitte, harte Gegensätze<br />

Und Kater bedient sich gern und oft der Filmseh-Gewohnheiten des Publikums.<br />

Schnelle Schnitte, harte Gegensätze, viel stimmungsfördernde Musik. Natürlich<br />

reißen in Szenen, die Ende der Siebzigerjahre spielen, die Sex Pistols die<br />

emotionalen Kratzwunden, und es ist natürlich Sid Vicious’ "My Way“-Version", die<br />

am Knast- und Alkohol-Ende von Ernst den Kommentar abaibt. Dazwischen<br />

wechseln <strong>mit</strong> Miles Davis' "All Blues" und Verletzungsballaden vom schon alten

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!