Klassenkämpfe in der BRD - Instituts für kritische Theorie (InkriT)
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Psychologie 479<br />
belege aus <strong>der</strong> (un<strong>kritische</strong>n) „Fischer-Ausgabe" unkritisch herangezogen<br />
worden: Das „fruchtbare Beispiel <strong>für</strong> die Übernahme (...)<br />
von früher entstandenen Aphorismen" (86) <strong>in</strong> den Essay „He<strong>in</strong>e und<br />
die Folgen" zeigt auf 25 Zeilen, wie ungestört man doch eigentlich <strong>in</strong><br />
<strong>der</strong> Kraus-Literatur authentische Texte vernachlässigen und sie <strong>in</strong><br />
<strong>der</strong>-chronologischen Reihenfolge vertauschen kann: Hier s<strong>in</strong>d z.B.<br />
die „früher entstandenen Aphorismen" erst 14 Jahre später von<br />
Kraus <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Sammelband veröffentlicht worden!<br />
Sicher hat sich die Autor<strong>in</strong> zu wenig mit den formalen Kriterien<br />
von Kraus' Polemik beschäftigt. Sie hat recht, wenn sie feststellt,<br />
daß Kraus' Wahrheitsbegriff fremd <strong>der</strong> sozialen Wirklichkeit ist,<br />
aber sie wird dem hohen Grad von rationalem Formbewußtse<strong>in</strong> <strong>in</strong><br />
Kraus' Sprachreflexion nicht gerecht, wenn sie Kraus vorwirft, ihm<br />
„kommt es nicht auf logische Verknüpfung von Gedanken (...) an,<br />
son<strong>der</strong>n er orientiert sich an spontanen Erkenntnisfunken" (94). Die<br />
logische Präzision, mit <strong>der</strong> Kraus Sätze konstruiert, mit <strong>der</strong> er Rückbezüge<br />
im Text koppelt und Äquivokationen zum Tragen br<strong>in</strong>gt, hat<br />
mit spontanen E<strong>in</strong>gebungen nicht viel geme<strong>in</strong>. Mit sprachanalytischem<br />
Verstand ist Kraus an Zeitungsmeldungen herangegangen und<br />
hat gezeigt, wie viele Variationen des Aussagegehalts umgangssprachlicher<br />
Sätze möglich s<strong>in</strong>d, wenn man sie verschiedenen sprachlichen<br />
Selektionsmustern unterwirft. Der spezifische, sozial e<strong>in</strong>geübte<br />
Weg <strong>der</strong> Informationsübermittlung wird von Kraus bewußt<br />
„umgangen" und damit als Code <strong>für</strong> e<strong>in</strong>e gesellschaftliche Bezugsgruppe<br />
sichtbar gemacht. Codeflexibilität, die heute <strong>in</strong> soziol<strong>in</strong>guistischen<br />
Untersuchungen e<strong>in</strong>e wichtige Rolle spielt, hatte Kraus mit<br />
vorwissenschaftlichen Reflexionen <strong>in</strong> <strong>der</strong> Sprache praktiziert. Insofern<br />
wird Kraus' Sprachkritik <strong>der</strong> l<strong>in</strong>guistischen Stilistik noch<br />
fruchtbare Probleme liefern.<br />
Rudolf Bähr (Berl<strong>in</strong>/West)<br />
Psychologie<br />
Richter, Horst E.: Di e Gruppe. Hoffnung auf e<strong>in</strong>en neuen Weg,<br />
sich selbst und an<strong>der</strong>e zu befreien. Rowohlt Verlag, Re<strong>in</strong>bek bei<br />
Hamburg 1972 (345 S., br., 12,80 DM).<br />
Wohl nicht zufällig hat Richters Buch <strong>in</strong>nerhalb kurzer Zeit die<br />
Beachtung e<strong>in</strong>er breiten Öffentlichkeit gefunden, handelt es sich doch<br />
um e<strong>in</strong>e Beschreibung und zugleich gesellschaftstheoretische Rechtfertigung<br />
dessen, was heute allgeme<strong>in</strong> als „Bürger<strong>in</strong>itiative" bezeichnet<br />
wird. In welchem gesellschaftspolitischen Rahmen sieht Richter<br />
diese Initiativen? Und warum stellt er das soziale Gebilde „Gruppe"<br />
<strong>in</strong> den Mittelpunkt se<strong>in</strong>er theoretischen und praktischen Erwägungen?