Das Argument
Das Argument
Das Argument
- Keine Tags gefunden...
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
I. Philosophie 441<br />
sein Grau in Grau sie schon nicht zu verjüngen, so ist es mittlerweile<br />
doch auch mit dem Erkennen nicht mehr weit her. Der Fall<br />
besagt zugleich etwas über die liberale Tradition selbst. Wenn diese<br />
heute im Positivismus aller Spielarten sich neutralisiert, dann entbehrt<br />
auch der S.sche Antiquarismus als eine solche Spielart des<br />
Symptomatischen nicht völlig: immer kehrt am Ende einer Epoche<br />
auch der Eruditor als Epikureer wieder.<br />
So wenig das Buch die Geschichte der modernen Staatslehren unter<br />
irgendeinem neuen Aspekt darstellt, so unbrauchbar ist es als<br />
Nachschlagewerk. Der Autor spricht vom „Essayismus" (20) seiner<br />
Methode, aber es handelt sich dabei nur um methodisches Abschweifen.<br />
Einige weniger bekannte Autoren werden wiederentdeckt, doch<br />
vermag das nicht den Ausfall der älteren linken Staatstheorien aufzuwiegen.<br />
Die Zitate werden nicht nachgewiesen, eine Diskussion der<br />
Literatur fällt aus: S. hält prinzipiell nichts von ,Polemik'. Dem posthum<br />
erschienenen Buch ist eine Bibliographie der Veröffentlichungen<br />
seines Autors beigegeben, ansonsten ward es ungewöhnlich lieblos<br />
ediert. Zahlreiche Setzfehler verärgern, manchmal wiederholen<br />
sich dieselben Formulierungen innerhalb weniger Seiten, auch^grammatikalische<br />
Unsicherheiten lassen die letzte Hand vermissen. Selbst<br />
gegenüber sachlichen Daten ist Mißtrauen geboten: der Dominikaner<br />
Francisco de Vittoria, einer der Begründer des Völkerrechts, wird<br />
als Jesuit eingereiht; de Maistre ist einmal 1754, eine Seite später<br />
bereits 1753 geboren; Hegels Rechtsphilosophie soll „nach Vorlesungsaufzeichnungen<br />
von 1822 durch E. Gans 1833 veröffentlicht" (501)<br />
worden sein (die Rede ist von den Zusätzen zur Rechtsphilosophie,<br />
die im übrigen aber zwei Nachschriften von 1822/23 und 1824/25<br />
entnommen wurden). Von der Korrektur solcher Irrtümer durften<br />
die Herausgeber sich nicht durch S.s Affekt gegen „schulmeisterliche<br />
Manieren' (697) entbunden glauben.<br />
Rolf Tiedemann (Berlin)<br />
Willms, Bernard: Die totale Freiheit. Fichtes politische<br />
Philosophie. Staat und Politik, Bd. 10. Westdeutscher Verlag, Köln<br />
und Opladen 1967 (X, 170 S., kart., 27,— DM).<br />
<strong>Das</strong> Buch von Willms, eine aus der Schule Joachim Ritters hervorgegangene<br />
Dissertation, ist wertvoll vor allem als luzide, gleichwohl<br />
detaillierte, sorgfältig belegte Darstellung der Fichteschen Soziallehre;<br />
als Kritik derselben ist die Arbeit mit einem im akademischen<br />
Bereich seltenen Engagement geschrieben. Sie weist Fichtes „Position<br />
der autonomen Subjektivität", die von der Forschung sonst oft als<br />
erkenntniskritisch-metaphysische isoliert wird, bereits in den frühen<br />
Revolutionsschriften nach: hier, in der Arbeit am realen Tagesgeschehen,<br />
,errungen', werde sie in der theoretischen Wissenschaftslehre<br />
nur noch systematisiert' (57). Revolutionärer Ansatz und Systematisierung<br />
zeigen nach W. gleichermaßen einen „Mangel an Entgegensetzung"<br />
sowohl von Staat und Gesellschaft wie auch von<br />
Gleichheit und Freiheit; die „Differenziertheit der Gesellschaft" —