Das Argument
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I. Philosophie 439<br />
Mißlingen von Fortschritt, die .immerwährende Gefahr des Rückfalls'<br />
(48). Fortschrittlicher, „Platzhalter von Menschheit", ist heute<br />
eher die „extreme Individuation", die nicht abläßt, „die Unvernunft<br />
der herrschenden Vernunft" (38) zu denunzieren. Gleichwohl läßt,<br />
was im Begriff des Fortschritts gedacht wird, sich nicht auf Subjektivität<br />
reduzieren. „Der Einspruch des Subjekts [...] wäre theoretisch<br />
nicht mehr und nicht kontemplativ. Die Vorstellung der Herrschaft<br />
rëiner Vernunft als eines Ansichseienden, von der Praxis<br />
Getrennten unterwirft auch das Subjekt, richtet es als Instrument<br />
von Zwecken zu. Die helfende Selbstreflexion der Vernunft jedoch<br />
wäre ihr Übergang zur Praxis: sie durchschaute sich als deren<br />
Moment; wüßte, anstatt sich als das Absolute zu verkennen, daß sie<br />
seine Verhaltensweise ist. Der antimythologische Zug am Fortschritt<br />
ist nicht zu denken ohne den praktischen Akt, der dem Wahn der<br />
Autarkie des Geistes in die Zügel fällt." (39 f.)<br />
Rolf Tiedemann (Berlin)<br />
Salomon-Delatour, Gottfried: Moderne Staatslehren. Polir<br />
tica. Abhandlungen und Tçxte zur politischen Wissenschaft, Bd.<br />
Hermann Luditerhand Verlag, Neuwied und Berlin (West) 1965<br />
(752 S., kart., 28,— DM, Ln., 48,— DM).<br />
„Von der Geschichte Alexandrias wissen wir wenig, und sie interessiert<br />
uns auch nicht weiter — mit einer Ausnahme: dem Verbrennen<br />
der Bibliothek. Dieses Verbrennen von Buchstaben wird für die<br />
Menschheit für tragischer gehalten als das Verbrennen von Tausenden<br />
ihrer Mitglieder auf dem Scheiterhaufen. Nicht der Mensch als<br />
solcher, der Mensch als Kulturträger ist heilig." (48 f.) Derlei Einsichten<br />
werden bei dem 1964 verstorbenen Soziologen Salomon-Delatour<br />
keineswegs weitergetrieben zu der materialistischen von der<br />
Barbarei der Kultur und dem affirmativen Charakter aller Geistesgeschichte.<br />
Zwar ist er nicht blind für das, was seit dem neunzehnten<br />
Jahrhundert ein verbreitetes Unbehagen an dieser motivierte,<br />
aber er versucht der Entwicklung, daß „aus dem ästhetischen Kritiker<br />
[...] der Sozialkritiker" (51) wurde, mit stets noch geistesgeschichtlichen<br />
Mitteln beizukommen, und die reichen kaum viel weiter,<br />
als „einem Kritizismus ohne Halt und Maß" wiederum die enthusiastische<br />
Schöpferkraft', jenen Geist, der „— letzten Endes —<br />
nicht von dieser Welt" (49) sei, zu konfrontieren. Wenn „zwischen<br />
der maßlosen Macht und dem zuchtlosen Geist [...] kein Zusammenwirken"<br />
(50) gesehen wird, dann kann freilich der Idealismus beliebig<br />
auferstehen. Er tut es bei S. aus antiquarischer Gesinnung. Diese<br />
„will nicht nur die zeitgebundenen, sondern auch die dauernden Themen<br />
hervorheben" (19); sie kommt zu ,Konstanten der Geschichte',<br />
indem sie „im Gegensatz zu Fortschritt und ständigem Wandel der<br />
Einrichtungen nach Dauer und Überlieferung fragt" (44). Da jedoch<br />
die Geschichte der Moderne, für S. im vierzehnten Jahrhundert mit<br />
dem Zerfall des mittelalterlichen Universalismus beginnend, eine<br />
der Emanzipation der Politik von geistlicher Autorität darstellt und