Das Argument
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432 Georg W. Alsheimer<br />
wahrheitet. Schon diese Tatsache spricht für seinen Rang als politischer<br />
Journalist und Wissenschaftler: man stelle sich im Kontrast<br />
dazu nur vor, was für ein widerspruchsvoller Unsinn herauskäme,<br />
wenn jemand eine Zusammenstellung der Kommentare Joseph Alsops<br />
oder Adalbert Weinsteins zu dem gleichen Thema, nur aus den<br />
letzten drei Jahren, auf den Markt brächte.<br />
Fall ist weder Moralist noch Ideologe noch sozialkritischer Theoretiker.<br />
Eine Anzahl wichtiger Themen, wie z. B. das Interesse der kapitalistischen<br />
Industriegesellschaft an der Reproduktion des neokolonialistischen<br />
Unterdrückungssystems, bleiben außerhalb seiner<br />
Erörterungen. Aber gerade seine Orientierung an der „Oberfläche"<br />
der dargebotenen offiziellen Statistiken und anekdotischen Erfahrungsberichte,<br />
gerade das Fehlen jeder tieferschürfenden (und deshalb<br />
schon auf Kommunismus verdächtigen) Motivanalyse bezüglich<br />
des amerikanischen Engagements in Vietnam, haben ihm in den<br />
Vereinigten Staaten die Wirkung auf einen breiten Leserkreis und<br />
das Prestige bei allen Sachkennern eingetragen, die die Besorgnis<br />
erklären, mit der sowohl das Washingtoner als auch das Saigoner<br />
Establishment jedem neuen Besuch Falls in Vietnam entgegensahen.<br />
Fall hat in allen seinen Schriften der fetischistischen Verblendung<br />
Rechnung getragen, die den Durchschnitts-Amerikaner angesichts der<br />
Darbietung von Sachverhalten in Form von sog. „Facts" befällt.<br />
Deshalb hat er die publizistische und politische Wirksamkeit der offiziellen,<br />
als „facts" drapierten Thesen einfach dadurch zu untergraben<br />
gesucht, daß er ihnen ihre wesentlichste Existenz-Bedingung entzog,<br />
die darin bestand, daß die sie stützenden Einzelbehauptungen<br />
schon unmittelbar nach ihrer Aufstellung sanftem Vergessen anheimfallen<br />
durften. Fall hat sie alle aus den Gedächtnislöchern des öffentlichen<br />
Bewußtseins wieder ausgegraben, in die sie inzwischen<br />
versunken waren. <strong>Das</strong> Ergebnis ist vernichtend für die offizielle<br />
amerikanische Vietnam-Version. Ihre vom momentanen Interesse<br />
gesteuerte Fakten-Manipulation tritt bereits durch den simplen Vorgang<br />
der Wieder-Erinnerung ans Licht. Es läßt sich auf diese Weise<br />
z. B. klarlegen, daß die offiziell angegebenen Verlust-Ziffern des<br />
Viet Cong die proklamierte Totalstärke des Gegners — einschließlich<br />
inzwischen erfolgter Infiltration aus dem Norden — weit übertreffen<br />
... Ebenso, daß die angeführten Infiltrationsziffern nordvietnamesischer<br />
Soldaten gelegentlich rapide im Dienste des propagandistischen<br />
Interesses variiert werden, entweder den Erfolg der bisherigen<br />
Eskalation zu beweisen (These: das Bombardement Nordvietnams<br />
zeitigt greifbare Erfolge — es war eine richtige Entscheidung)<br />
— dann gehen sie nämlich zurück — oder aber, eine noch weitergehende<br />
Eskalation zu forcieren — (These: wir brauchen mehr<br />
Truppen, neue Bombenziele in Nordvietnam, die bisherigen Aktionen<br />
genügen nicht) — dann steigen sie nämlich an. Bei solchen entlarvenden<br />
Gegenüberstellungen verstößt Fall nicht nur gegen die<br />
„be nice"—Ideologie der Amerikaner, sondern auch gegen das<br />
Widerspruchstabu in seiner modernsten Gestalt: es befiehlt der amerikanischen<br />
Gesellschaft nicht mehr, logische Widersprüche zu ver-