Das Argument
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418 Karl Theodor Schuori<br />
sagen, die ideologische Einkleidung einer Theorie der afrikanischen<br />
und südamerikanischen Revolution, die Fanon in mitreißenden Formulierungen,<br />
pathetischen Ausbrüchen, aber auch detailierter Beschreibung<br />
gesellschaftlicher Zustände in diesem seinem Hauptwerk<br />
gleichsam als Testament hinterließ — am Tage seines Todes im<br />
Dezember 1961 wurde das Buch in Paris veröffentlicht. Inzwischen<br />
ist es nicht nur das meistgelesene Buch der Revolutionäre Afrikas<br />
und Südamerikas. Es ist auch die Bibel der „Black Power"-Bewegung<br />
geworden und Fanon ihr Prophet. Der 1924 in Martinique geborene<br />
Bauernsohn studierte in Frankreich Philosophie und Medizin, ging<br />
1953 als Arzt nach Algerien und wurde Chefarzt der psychiatrischen<br />
Klinik in Blida-Joiville. Drei Jahre später demissionierte er und<br />
unterstützte nun den Kampf der Nationalen Befreiungsfront, zeitweilig<br />
als Botschafter der provisorischen algerischen Regierung in<br />
Accra, bis er einer unheilbaren Krankheit erlag.<br />
Fanons Theorie der kolonialen Revolution basiert auf den Grunderkenntnissen<br />
von Marx, kann aber starke Einflüsse Hegels nicht<br />
verleugnen. Die Dialektik von Herr und Knecht (von Sartre unnötigerweise<br />
im Vorwort noch einmal ausgebreitet, doch ohne empirische<br />
Relevanz) wird von Fanon massenpsychologisch fundiert<br />
und ausgeweitet, nicht so sehr ökonomisch, was ihm ermöglicht, den<br />
„totalen Menschen" zu fordern, der im Prozeß der Dekolonisation<br />
entsteht, der in diesem Befreiungsprozeß geschaffen wird aus einem<br />
Wesen, das bis dahin kein Mensch, sondern ein Halbtier oder Halbmensch<br />
war. Denn der Gegensatz des Kolonisierten zum Kolonialherrn<br />
ist kein menschlicher Gegensatz, sondern der Gegensatz zwischen<br />
Mensch und Unmensch. Nur die gewaltsame Revolution schafft<br />
den Eingeborenen wieder als Mensch, befreit ihn von Frustration,<br />
Repression und ungerichteter, selbstzerstörender Aggression, lenkt<br />
diese auf das einzig sinnvolle Ziel, seinen Unterdrücker und Zerstörer<br />
seines Menschseins. Die Analyse der Kolonialwelt als einer<br />
zweigeteilten Welt, einer in Abteile getrennten Welt liefert die<br />
Basis dieser radikalen Forderungen, wie sie seit Sorel nicht mehr<br />
gehört wurden. Sorels Theorie einer befreiend wirkenden Gewalt<br />
entbehrt allerdings einer vergleichbaren empirischen und rationalen<br />
Basis. Die zweigeteilte Welt des Kolonisierten ist gekennzeichnet<br />
durch nackten Terror der Polizei und der Armee; keine Manipulationsmechanismen,<br />
keine tradierte Moral oder eingespielte Verhalterismuster<br />
halten die Herrschaft aufrecht, sondern unverhüllte, zur<br />
Schau gestellte Gewalt. Die Wohnplätze sind räumlich getrennt in<br />
Beton- und Asphaltstädte und ausgehungerte, unzivilisierte Negerdörfer.<br />
Keine autochthone Herrenschicht, sondern eine fremde Rasse<br />
zieht eine genaue Grenze zwischen sich und den farbigen Unmenschen.<br />
Die Ökonomie ist damit Unterbau und Überbau zugleich, die<br />
rassische Unterteilung ist nicht zu überspringen. Bis hinein in die<br />
Sprache wird der Kolonisierte als Nicht-Mensch behandelt; die<br />
Sprache ist eine zoologische, wenn sie vom Kolonisierten spricht:<br />
seinen Ausdünstungen, seinem Gestank, von den Horden, dem Gewucher<br />
und Gewimmel. „Der Kolonisierte weiß das alles und lacht,