Das Argument
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354 Günther Anders<br />
Dadurch, daß sie am Tage, an dem der ermordete Kennedy, dessen<br />
etwas veränderte Funktionen Johnson nun einnimmt, fünfzig<br />
Jahre alt geworden wäre, also am 28. Mai 1967, das größte Kriegsschiff<br />
der Welt, einen Flugzeugträger gemeinsam von Stapel lassen.<br />
Die Bewandtnis dieses Schiffes zu erläutern, erübrigt sich, jedermann<br />
weiß ja, daß die Aufgabe der auf ihm stationierten Flugzeuge<br />
in nichts anderem besteht, als darin, asiatische Städte, Dörfer, Industrieanlagen,<br />
Dämme etc. auszuradieren. Aber selbst die gemeinsame<br />
Einweihung dieses Mordinstrumentes reicht den zwei Familien noch<br />
nicht dazu aus, um ihrer Aussöhnung die erforderliche Feierlichkeit<br />
zu verschaffen. Um diese Aussöhnung auch für die Millionen von<br />
Fernsehzuschauern unvergeßlich zu machen und um diese auch um<br />
eine rührende Nuance zu bereichern, haben sich daher Lyndon und<br />
Jackie, bzw. Bobby und Lady Bird auf die Idee geeinigt, das Mordinstrument<br />
durch die süße neunjährige Caroline Kennedy, die natürlich<br />
keine Ahnung hat, was sie da mit der Champagnerflasche anstellt,<br />
taufen zu lassen — und natürlich auf den Namen ihres Daddys,<br />
des ermordeten would-be-Geburtstagskindes John F. Kennedy. Durch<br />
die von der Neunjährigen zelebrierte Solidarität des Mordens wird<br />
also der Friede zwischen den Capulets und Montagues besiegelt.<br />
Hoffen wir, daß die Ärmsten, die — vermutlich in nicht allzu ferner<br />
Zukunft — dieser Mordmaschine zum Opfer fallen werden, namentlich<br />
die zahllosen Kinder, im Augenblick, da sie ihren letzten<br />
Schrei ausstoßen werden, doch ein wenig Trost aus dem Bewußtsein<br />
werden schöpfen können, daß es ein unschuldiges Mädchen gewesen<br />
war, das ihren Todesboten eingeweiht hatte. Amen.<br />
Wir Chamberlains<br />
Wenn eine Parallele zwischen den Geschehnissen des 2. Weltkrieges<br />
und denen des Vietnamkrieges gezogen werden kann, dann darf,<br />
so sollte man denken, allein der Aggressor von heute mit dem<br />
Aggressor von damals, und das Opfer von heute mit dem Opfer<br />
von damals verglichen werden, also z. B. Johnson mit Hitler, Vietnam<br />
mit Polen oder dgl.<br />
Nein, nichts dergleichen. Nicht seit dem 22. August 1966, jenem<br />
Tage, an dem Dean Rusk in New York vor amerikanischen Veteranen<br />
gesprochen hat. Überflüssig zu erklären, daß man amerikanischen<br />
Veteranen genauso widersinniges und unsinniges Zeug servieren<br />
kann wie denen anderer Staaten. Gleichviel, vor diesen<br />
Männern hatte Rusk die Schamlosigkeit, uns, die Kriegsgegner, uns,<br />
die Kritiker des amerikanischen Angriffs auf Vietnam, mit jenen<br />
Männern zu vergleichen, die sich im Jahre 38 auf ein ,München'<br />
eingelassen, die damals also dem aggressionslüsternen Hitler nachgegeben<br />
hatten, bzw. sich von diesem in der Hoffnung, mit ihm zusammen<br />
eine gemeinsame Front der kapitalistischen Mächte gegen<br />
die Sowjetunion aufrichten zu können, hatten beschwichtigen lassen,<br />
und die durch diese ihre Nachgiebigkeit und durch diese ihre Spekulation<br />
auf eine gemeinsame Front mit Hitler gegen die Weltrevolution<br />
den Weltkrieg effektiv mitverschuldet haben. Würde sich, so