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Das Argument

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Ziele, Formen und Aussichten der Studentenopposition 399<br />

zudem überhaupt nicht klassenmäßig definiert werden. Sie besteht<br />

aus Intellektuellen, aus Gruppen der Bürgerrechtsbewegung und aus<br />

der Jugend, besonders aus radikalen Elementen der Jugend, die auf<br />

den ersten Blick gar nicht politisch erscheinen, nämlich den sogenannten<br />

Hippies, von denen ich noch später sprechen werde. Und,;<br />

was sehr interessant ist: diese Bewegung hat als Sprecher eigentlich<br />

keine traditionellen Politiker, sondern viel eher solche verdächtigen<br />

Figuren wie Dichter, wie Poeten. Ich erwähne hier nur Allen Ginsberg,<br />

der wirklich auf die neue Linke in Amerika auch politisch<br />

einen großen Einfluß hat. Wenn Sie sich diese sehr kurze Skizze<br />

vergegenwärtigen, werden Sie zugeben, daß dieser Umstand geradezu<br />

ein Alpdruck für „Altmarxisten" ist. Sie haben hier eine Opposition,<br />

die offenbar nichts zu tun hat mit der klassischen revolutionären<br />

Kraft im Marxismus; ein Alpdruck — aber ein Alpdruck,<br />

der der Wirklichkeit entspricht. Ich glaube, daß diese so ganz unorthodoxe<br />

Konstellation der Opposition ein treuer Reflex der autoritär-demokratischen<br />

Leistungsgesellschaft ist, der „eindimensionalen.<br />

Gesellschaft", wie ich sie zu beschreiben versucht habe 1 , und deren<br />

Hauptmerkmal die Integration der beherrschten Klasse auf einem<br />

sehr materiellen, sehr realen Boden ist, nämlich auf dem Boden ge- ><br />

steuerter und befriedigter Bedürfnisse, die ihrerseits den Monopolkapitalismus<br />

reproduzieren — ein gesteuertes und unterdrücktes<br />

Bewußtsein. Resultat dieser Konstellation ist: keine subjektive Notwendigkeit<br />

radikaler Umwälzung, deren objektive Notwendigkeit<br />

immer brennender wird. Und unter diesen Umständen konzentriert<br />

sich die Opposition wieder auf die Außenseiter innerhalb des Bestehenden,<br />

nämlich erstens auf die Unterprivilegierten, deren vitale<br />

Bedürfnisse selbst der hochentwickelte Spätkapitalismus nicht befriedigen<br />

kann und nicht befriedigen will. Zweitens konzentriert sich<br />

die Opposition, am entgegengesetzten Pol der Gesellschaft, auf die<br />

Privilegierten, deren Bewußtsein und deren Instinkte die gesellschaftliche<br />

Steuerung durchbrechen, oder sich ihr entziehen können.<br />

Ich meine diejenigen Schichten der Gesellschaft, die auf Grund ihrer<br />

Position und Erziehung noch Zugang zu den Tatsachen — ein Zugang,<br />

der wahrhaftig schwer genug ist — und zum Gesamtzusammenhang<br />

der Tatsachen haben. Es sind Schichten, die noch ein Wissen<br />

und Bewußtsein haben von dem ständig sich verschärfenden<br />

Widerspruch und von dem Preis, den die sogenannte Gesellschaft im<br />

Überfluß ihren Opfern abverlangt. Opposition besteht also an diesen<br />

beiden extremen Polen der Gesellschaft, und ich möchte ganz kurz<br />

diese beiden extremen Pole beschreiben.<br />

1. Die Unter privilegierten. In den Vereinigten Staaten sind es besonders<br />

die nationalen und Rassenminoritäten, die freilich politisch<br />

noch weitgehend unorganisiert und oft untereinander antagonistisch<br />

sind (z. B. gibt es schwere Konflikte in den Großstädten zwischen<br />

den Negern und den Puertorikanern). Insbesondere müssen diejenigen<br />

Gruppen als unterprivilegiert gelten, die keine entscheidende<br />

1 „One-Dimensional Man", bespr. in <strong>Argument</strong> Nr. 34/1965, S. 49 ff.

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