Das Argument
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Philosophisches Wôrtérbuch 397<br />
seeländischen, die südkoreanischen im Interesse der Freiheit zu<br />
absolvieren haben — aber auch, wo denken Sie hin, auch wirklich<br />
perfekt durchführen. Infrastrukturen roden diese Jungs also aus!<br />
Und dazu noch in diesem berüchtigten Tropenklima! Hatten ihre<br />
Eltern das vielleicht nötig, in fernen Ländern Infrastrukturen auszuroden?<br />
Sehen Sie! Aber damals hatte es eben auch noch keine Viet<br />
Congs gegeben! Da kann man eben sehen, wo die Schuldigen stecken!<br />
Und sind Sie vielleicht schon einmal zu dieser frustrierenden Tätigkeit<br />
verpflichtet gewesen? Da haben Sie aber Glück gehabt! Aber<br />
unsere armen Jungens, die haben das zu tun, die haben Infrastrukturen<br />
auszuroden, und die tun das auch! Und die können das auch!<br />
Obwohl das gewiß kein alltäglicher Job ist! Infrastrukturen! Offensichtlich<br />
sogar ein wissenschaftlicher Job! Was die Jungens nicht<br />
alles fertig kriegen! Und sogar die coloured boys! Und sogar die<br />
australischen und die südvietnamesischen! Hut ab!<br />
*<br />
Dies also die Attitüde, in die der Newsweek-Leser, ehe ihm der<br />
eigentliche Bericht vorgesetzt wird, hineinmanövriert wird. Und die<br />
ihn nun dazu befähigt, auch die traurigsten, auch die barbarischsten,<br />
Wahrheiten zu ertragen. «—<br />
Denn nicht nur darauf kommt es an, ob ein Bericht wahr ist oder<br />
unwahr — wahr war der hier zitierte Bericht gewiß — sondern darauf,<br />
mit welcher Geste Wahrheiten aufgetischt werden. Ist diese<br />
Geste unwahrhaftig, so infiziert sie die ,an sich' wahrheitsgemäße^<br />
Berichte und macht diese mit-unwahr.<br />
Dies die höchst raffinierte Situation von heute, in der man, um so<br />
zu tun, als lüge man nicht, tatsächlich die Wahrheit serviert, aber<br />
eben auf dem Tablett der Unwahrheit.<br />
Sich würdig erweisen<br />
Wenn ein junger Ausländer, der Bürger der Vereinigten Staaten<br />
zu werden wünscht, einem der wehrfähigen Jahrgänge zugehört,<br />
dann hat er seine moralische Eignung dadurch zu beweisen, daß er,<br />
obwohl noch nicht Amerikaner, in Vietnam die Vietnamesen aufs<br />
Blut zu bekämpfen bereit ist. Aus diesem Grunde gibt es tatsächlich<br />
deutsche Staatsangehörige, die in Vietnam kämpfen, und sogar<br />
solche, die den, für ihre roughness, ihre Rauhheit berüchtigten<br />
Ledernacken zugehören. Adalbert Weinstein, der Militärexperte der<br />
FAZ, dem man nun gewiß nicht Antiamerikanismus nachsagen kann,<br />
erwähnt in einem seiner ausführlichen Berichte, in dem vom 7. Oktober<br />
1967, einen solchen zwanzigjährigen Deutschen, Kay Unrau<br />
heißt der Ärmste, aus Hamburg, dem man so rauh mitspielt, bzw.<br />
der sich selbst so rauh mitspielt. Die Schande ist eine doppelte. Denn<br />
mit Schande bedeckt sich ja nicht nur das Land, das die Anerkennung<br />
eines Bürgers von dessen Mordbereitschaft abhängig macht,<br />
sondern auch der Fremde, der sein Anerkanntwerden mit diesem<br />
Preise zu bezahlen bereit ist. Einer ist des anderen wert.