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Das Argument

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390 Günther Anders<br />

das. Da du nämlich, im Unterschiede zu denen, ein netter Zivilist<br />

geblieben bist, und da du keine Uniform trägst, und da dir nichts<br />

ferner liegt als ein militärischer Lebensstil, und da du im Kreise<br />

der Deinen um den Swimmingpool herumalberst, nicht anders als<br />

deine mehr oder minder harmlosen und mehr oder minder liebenswerten<br />

Kollegen von der Chamber of Commerce, aus diesen Gründen<br />

bist du, wie gesagt: leider, im Unterschiede zu den damaligen<br />

Eichmännern, da die immerhin als Obersturmbannführer herumliefen<br />

und dadurch immerhin die Chance hatten, ihr incognito vor sich<br />

selbst zu verlieren, jeder Möglichkeit beraubt, zu durchschauen, wer<br />

du bist; und deiner Umwelt wird es nicht besser gelingen: auch sie<br />

wird nicht fähig sein, dich als Massenmörder zu erkennen.<br />

Schlimm genug ist es schon, diesen furchtbaren Beruf auszuüben.<br />

Aber nicht nur dazu bist du verurteilt, sondern, du Ärmster, auch<br />

dazu, ihn blind und unerkannt auszuüben. Come on, Henry, stell das<br />

whiskey glass fort, keiner wird's merken, und schleich dich fort.<br />

Und nicht nur for a sec. Denn zu feiern liegt nicht der mindeste Anlaß<br />

vor.<br />

Todeskuß<br />

Seit Jahren hatten ein paar von uns Intellektuellen auf Tauwetter<br />

gehofft und auf Minderung der Spannung zwischen Osten und Westen<br />

hingearbeitet. Solange wir das auf eigene Faust versucht hatten,<br />

waren wir landauf landab, auch von unseren Literaturkollegen, als<br />

,Ko-Existenzler' verhöhnt und von offiziellen Stellen sogar als Störenfriede<br />

des gottgefälligen kalten Krieges argwöhnisch beobachtet<br />

worden.<br />

Seit ein paar Jahren hat sich das alles nun gründlichst verändert.<br />

Außer ,Begegnungen' und Umarmungen scheint es amtlich honorierte,<br />

mindestens amtlich anerkannte Tätigkeiten nicht mehr zu<br />

geben. Nirgends mehr ein Platz, an dem nicht einer damit beschäftigt<br />

wäre, eine Brücke zu schlagen, selbst dort, wo es keine Flüsse gibt<br />

und nie welche gegeben hatte, hört man das Gehämmer;<br />

nirgends mehr ein vernünftiger Mensch, der noch in der Lage<br />

wäre, nein der auch nur wünschte, sein eigenes Wort zu verstehen;<br />

nirgends mehr ein Platz, der nicht feierlichst zur ,Stätte der Begegnung'<br />

ernannt worden wäre;<br />

nirgends mehr eine Straßenecke, an der wir nicht von unseren<br />

neuen Intimis auf die Schulter geklopft und mit dem neuen Friedensruf<br />

,Kafka allerwege!' willkommen geheißen würden;<br />

nirgends mehr ein Elfenbeintum, von dem nicht ein Wimpel des<br />

Engagements flatterte;<br />

nirgends mehr ein Kremltürmchen, von dem nicht Jazzmusik hinunterschmetterte<br />

;<br />

nirgends mehr eine Kirche, in der nicht ein Atheist mindestens<br />

gewürdigt würde;<br />

nirgends mehr ein Parteilokal, in dem nicht das Lob irgendeines<br />

Papstes gesungen würde;

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