02.03.2014 Aufrufe

Das Argument

Das Argument

Das Argument

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN
  • Keine Tags gefunden...

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

Philosophisches Wörterbuch. 385<br />

Noch nicht einmal scheinheilig<br />

In seiner Fernsehrede, die er am 27. 7. 1967 nach den Negerunruhen<br />

in Detroit hielt, meinte Präsident Johnson:<br />

,Es gibt kein amerikanisches Recht, Gebäude in Brand zu stecken<br />

und von Hausdächern zu schießen. <strong>Das</strong> sind Verbrechen.' — Er hätte<br />

hinzufügen müssen: ,es sei denn, Amerikaner täten das auf meine<br />

Anweisung in fremden Ländern. Dann sind nämlich umgekehrt diejenigen,<br />

die sich weigern, Gebäude in Brand zu stecken und von<br />

Hausdächern zu schießen,,Verbrecher'.<br />

,Wir können sie stoppen, wir müssen sie stoppen, wir werden sie<br />

stoppen', fuhr er dann fort, von den unglücklicherweise statt in<br />

Vietnam in Amerika selbst aktiven Brandstiftern sprechend. Und es<br />

wäre durchaus begreiflich, wenn die Viet Congs diese siegesgewisse<br />

Maxime für Eigengebrauch übernehmen würden, etwa so, wie sie<br />

amerikanische Waffen für Eigengebrauch, nämlich für direkte Verwendung<br />

gegen die Amerikaner zu übernehmen gewohnt sind. —<br />

Und ebenso akzeptabel für home consumption dürfte für die Viet<br />

Congs wohl auch die folgende Mitteilung Johnsons sein:<br />

,Wir haben eine Woche hinter uns, die keine Nation erleben sollte,<br />

eine Zeit der Gewalt und der Tragödie'. Freilich müßten die Vietnamesen<br />

das Wort ,Woche' durch das etwas längere Wort .Jahrhundert'<br />

ersetzen.<br />

•<br />

Ich fürchte — und das ist das Schlimmste an der Sache — daß<br />

Präsident Johnson das, was er sagt, tatsächlich meint; daß er effektiv<br />

außerstande ist, vom Feuer in Hai Phong zu dem in Detroit<br />

hinüberzudenken und das, was er von seinen lieben Negern in Asien<br />

tun läßt, mit dem zu vergleichen, was diese ohne seine Anweisung<br />

in Amerika tun — ungeachtet der Tatsache, daß es sich in beiden<br />

Fällen um Brandstiftung handelt. Keine Frage: Herrschen verhindert<br />

Denken und verschafft den so Behinderten sogar einen gewissen<br />

heiligen Schein von scheinheiliger Unschuld.<br />

Nieder mit dieser Unschuld!<br />

Unter Spießgesellen erübrigt es sich zu lügen<br />

Was die Verlogenheit der demokratischen Freiheiten in den heutigen<br />

USA zu ihrer Klimax bringt, ist nicht etwa, daß ohnmächtigen<br />

Oppositionellen Narrenfreiheit offensteht, nämlich das Recht, den<br />

Inhabern der Macht zu widersprechen und Wahrheiten, die für diese<br />

eigentlich heikel sein müßten, z. B. Wahrheiten über den Vietnamkrieg,<br />

zu veröffentlichen; auch nicht, daß große, selber gewisse Macht<br />

verkörpernde Institutionen wie die New York Times dieses Recht<br />

genießen (Salisbury Report); sondern daß sogar die Inhaber der<br />

Macht selbst in das gleiche Horn stoßen dürfen wie die Opponierenden,<br />

daß sie es sich leisten können, ihren Machtmißbrauch und ihre<br />

Gewalttätigkeit ebenso unverhüllt zu schildern, wie ihre Kritiker<br />

das tun, daß sie das, während ihre machtlosen Gegner dabei vor<br />

Indignation schäumen, sogar mit Gusto am Zynismus tun. Schon im<br />

Frühjahr 1951, vor mehr als fünfzehn Jahren, hatte die Zeitimg

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!