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Das Argument

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Philosophisches Wörterbuch. 383<br />

ren. Die ohnehin schon in Konsumenten verwandelten Bürger seien<br />

es gewohnt, auch Verbrechen zu konsumieren, sogar solche, die in<br />

ihrem eigenen Namen begangen würden — und diese Tatsache stelle<br />

ein ganz wesentliches Element der heute stattfindenden Konterrevolution<br />

dar. —<br />

Wenn ich vor fünfzehn Jahren dieses quid pro quo von Bild und<br />

Realität als allein für den Rundfunk und für das Fernsehen typisch<br />

behandelt hatte, so war diese Einschränkung unberechtigt gewesen.<br />

Denn was von den Massenmedien gilt, wiederholt sich nun aufs<br />

überraschendste auf der Ebene der Wirklichkeit selbst. Was heißt<br />

das?<br />

<strong>Das</strong> heißt: Auch das wirkliche Geschehen wird nunmehr so manipuliert,<br />

daß die an diesem Beteiligten, selbst die aktivst Beteiligten,<br />

nicht mehr beurteilen können, ob sie wirklich agieren oder nur<br />

scheinbar; wo der Ernst anfängt, und wo das Spiel aufhört.<br />

Und damit sind wir wieder beim Vietnamkrieg. Denn dieser gilt<br />

ja, sogar offiziell, z. B. durch die bekannte Erklärung von Außenminister<br />

Rusk, als ein bloßer ,test'. Und das bedeutet: Obwohl er in<br />

den Augen vieler Millionen wie ein entsetzlicher wirklicher Krieg<br />

aussehen mag, namentlich in den Augen jener Naivlinge, die ihm<br />

zum Opfer fallen und die durch ihn gezwungen werden, ihre Augen<br />

für immer zu schließen, ist er in Wahrheit nur ein dress rehearsal,<br />

nur ein Manöver, das die amerikanische Regierung durchspielt, um<br />

im Ernstfalle (der in China beginnen kann oder in einem in ein<br />

.Vietnam' verwandelten südamerikanischen Lande) über ausreichende<br />

Erfahrungen zu verfügen und um zu wissen, wie sie dann<br />

vorzugehen habe. Verglichen mit den dort zu erwartenden, oder<br />

vielleicht auch für dort geplanten, Konflagrationen, ist der Vietnamkrieg<br />

nur ,Vorbild,'. Und als Bild eben ein ,Schein'.<br />

Am frappierendsten wird freilich dieses quid pro quo von Wirklichkeit<br />

und Schein durch jene Ereignisse illustriert, die sich im<br />

Frühling 1967 in Griechenland abgespielt haben, richtiger: die die<br />

Militärs dort haben ,abspielen' und spielen lassen. General Pattakos,<br />

der Kommandeur der Panzerschule in Athen-Gaudi, erteilte nämlich<br />

der Athener Garnison seinen Putschbefehl auf solche Art, daß<br />

diese die Anweisungen für Manöver-Anweisungen halten mußte und<br />

die effektive Konterrevolution in dem Glauben durchführte, nur eine<br />

Sonderübung durchzuspielen 1 . Was zur Folge hatte, daß sie den Befehlen<br />

ohne den mindesten Widerspruch und ohne alles Zögern nachkam.<br />

In anderen Worten: Die politische Wirklichkeit konnte deshalb<br />

wirklich verändert, die Militärdiktatur deshalb wirklich eingesetzt<br />

werden, weil man in denjenigen Menschen, die man als ausführende<br />

Organe verwendete, den Schein erzeugte, sie erzeugten nur Schein.<br />

Ich fürchte, ich fürchte, solche Erzeugung von Schein wird der<br />

Prototyp aller künftigen konterrevolutionären Aktionen werden. Es<br />

ist durchaus nicht undenkbar, daß jener Arbeiter oder Soldat, der<br />

einmal im letzten Gefecht mit Hilfe eines winzigen und gewiß harm-<br />

1 ,Der Spiegel', 15. 5. 1967 S. 114.

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