02.03.2014 Aufrufe

Das Argument

Das Argument

Das Argument

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN
  • Keine Tags gefunden...

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

378 Günther Anders<br />

,Über die Kompliziertheit und Subtilität der politischen Wirklichkeit.<br />

Vielleicht ist diese gar nicht so kompliziert. Vielleicht sind ihr<br />

die groben Begriffe, mit denen Grobe sie zu fassen suchen, angemessener<br />

als die feinen Begriffsnetze, in denen du sie zu fangen<br />

wünschst. Vielleicht mißdeutest du diese Wirklichkeit gerade dadurch,<br />

daß du sie in einem zu komplizierten und zu subtilen Schema darstellst,<br />

kurz: vielleicht verfehlst du die Wahrheit dadurch, daß du<br />

zu fein bist und zu höflich, um zuzugeben, wie plump sie ist.'<br />

Pyrrhussieg<br />

Es gibt heute Geräte — nennen wir sie „Typ-D-Geräte" — deren<br />

Bewandtnis darin besteht, die Wirksamkeit von Geräten — nennen<br />

wir diese „Typ-C-Geräte" — auszulöschen, weil die Bewandtnis<br />

dieser „C-Geräte" darin besteht, die Wirksamkeit von „Typ-B-Geräten"<br />

auszulöschen, weil deren Bewandtnis darin besteht, die Wirksamkeit<br />

von „Typ-A-Geräten" (die z. B. Wasserstoffbomben tragende<br />

Raketen wären) auszulöschen. Die Eskalation der heutigen Waffen<br />

ist nicht etwa nur quantitativer Art; vielmehr ist es der Zweck jeder<br />

neuen Waffengattung, die Waffengattung des Gegners als solche<br />

sinnlos, bzw. die Herstellung einer neuen Waffengattung erforderlich<br />

zu machen. Die Sowjetrussen haben auf die Gefahr eines atomaren<br />

Raketenangriffs mit einem ,anti-ballistic-missile-system' antworten<br />

müssen. Auf dieses System haben die Amerikaner wiederum<br />

mit einem neuen System reagiert. Sofern nicht ein Kurzschluß katastrophenhaft<br />

dazwischenschlägt, könnte diese Entwicklung ad infinitum,<br />

in unendlicher Iteration, weitergehen, die gegnerischen Mächte<br />

würden es dann einander verdanken, wenn ihre Produktion pausenlos<br />

in Gang bliebe. Dem kapitalistischen System ist diese Entwicklung<br />

nur willkommen. Ob die Produzenten darauf hoffen, ihre immer<br />

wieder neuen (die Wirksamkeit der letzten gegnerischen Geräte<br />

neutralisierenden) Geräte wirklich, d. h.: in einem Kriege, einzusetzen,<br />

das bleibe dahingestellt. Auf jeden Fall hoffen sie auf Antworten<br />

von drüben, denn auf diese sind sie angewiesen, weil ihre eigenen<br />

Produktionen in der Beantwortung dieser Antworten bestehen.<br />

Ihr Gebet könnte lauten: Unsern täglich Feind gib uns heute. —<br />

Nun, gegen diesen unendlichen Iterationsprozeß wäre gewissermaßen<br />

nichts einzuwenden, wenn es sich um zwei Mächte gleicher<br />

Art, also um zwei kapitalistische Kolosse, handelte, die durch ihre<br />

Gegnerschaft ihre industrielle Kapazität in die Höhe reizen würden.<br />

Unseligerweise ist das aber nicht der Fall, denn auf der einen Seite<br />

steht die kapitalistische Industrie, auf der anderen die sozialistische,<br />

die sich von sich aus sehr viel lieber auf die Erzeugung von Produkten<br />

anderer Art konzentrieren würde; sich aber, um kein tödliches<br />

Risiko zu laufen, dazu genötigt sieht, das seinem kapitalistischen<br />

Gegner so viel Vergnügen und so viel Profit verschaffende Spiel<br />

mitzuspielen. Die Tatsache, daß sozialistische und kapitalistische<br />

Großmächte in einer einzigen Welt, und zwar als Gegner, zusammenexistieren,<br />

befördert ein kapitalistisches Prinzip: nämlich das der<br />

Konkurrenz. Und diese Tatsache stellt als solche so etwas wie eine

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!