Das Argument
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III. Psychologie 491.<br />
Leduc, Violette: Die Bastardin. (La Bâtarde). Mit einem Vorwort<br />
von Simone de Beauvoir. R. Piper & Co. Verlag, München<br />
1965 (508 S., Ln., 26,—DM).<br />
Die Verfasserin schildert in diesem Buch ihr Leben bis zum Ende<br />
des 2. Weltkrieges. Sie wurde unehelich 1907 in Arras geboren. In<br />
Valenciennes und Paris wuchs sie auf. Voll Liebe erinnert sie sich<br />
an ihre Großmutter, Fidéline, die jedoch schon früh starb, „...du<br />
schlössest die Schenkel wieder; du gabst mir Nester" (37). Durch sie<br />
erfuhr sie Wärme und Zärtlichkeit. <strong>Das</strong> Verhältnis zu ihrer Mutter<br />
war außerordentlich gespannt. Die Mutter verachtete die Kinderspiele.<br />
„Sie pflegt ihr Kind, angefangen vom Bürsten bis zu den<br />
Kräftigungsmitteln, und basta, Punktum" (39). Die Kälte, die von<br />
ihrer Mutter ausging, wird folgendermaßen beschrieben: „Wenn<br />
meine Mutter unverhofft ankam (auf dem Markt, S. St.), verlöschte<br />
sie die Farben der Gemüse, der Gefieder, der Früchte. Die weißen<br />
Kaninchen wurden armselig neben dem Kragen und den Manschetten<br />
meiner Mutter. Die Stadt machte die Bäuerinnen frieren, die<br />
Grande Dame verließ den Marktgang" (34). Verfolgt von dem „Spuk<br />
der Tuberkulose" (33), an der der Vater von V. L. gestorben war,<br />
übte die Mutter einen Eßzwang auf ihre Tochter aus und war übermäßig<br />
besorgt um ihre Gesundheit. Von ihr wurde V. L. zum Haß<br />
gegen die Männer erzogen. Diese waren nur „Schmutzfinken" und<br />
„Herzlose". Hierzu meint V. L.: „Sie verzieh anderen Männern nicht,<br />
was sie für einen einzigen getan hat" (46). So leuchtet es ein, daß<br />
V. L., die über ihre Beziehung zu ihrer Mutter schreibt: „... ich war<br />
dein Gatte vor deiner Heirat" (47), diese Heirat nun als Verrat empfand.<br />
Eifersüchtig auf ihren Stiefvater und „sehnsüchtig bis zum<br />
Schwindligwerden" (66), ihre Mutter wieder für sich allein zu haben,<br />
versuchte sie das u. a. dadurch zu erreichen, daß sie sich mit ihrem<br />
tuberkulosekranken Vater identifizierte. Bezeichnend für ihr Verhältnis<br />
zu ihrer Mutter ist folgende Episode: Nach einem chirurgischen<br />
Eingriff an den Rachenmandeln ließ sie sich nicht von ihrer<br />
Mutter beim Auskleiden helfen. Der Erfolg war, daß sie Blut spie.<br />
„Heute bin ich gewiß, daß ich Blut speien wollte, wie er es gespien<br />
hatte" (68), schreibt sie rückblickend dazu. Auch ihre lesbischen Neigungen<br />
sind wohl ein Resultat dieses Konfliktes mit der Mutter.<br />
Auf ein Internat geschickt, erfuhr sie durch die Mitschülerin Isabelle,<br />
daß Liebe Vergnügen und körperliche Lust bereiten kann.<br />
Später lernte sie die Lehrerin Hermine kennen, mit der sie in Paris<br />
einen gemeinsamen Haushalt führte.<br />
Durch ihre Mutter vor den Männern gewarnt, vermag sie normale<br />
Beziehungen zu diesen nicht herzustellen. „Ich hängte mich<br />
an Männer, die mir entschlüpften" (407), schreibt sie darüber. Gabriel,<br />
den sie heiratete, um nicht „eine alte Jungfer zu werden" und<br />
aus Angst davor, „daß man sagen würde: sie fand nichts, sie war zu<br />
häßlich" (318), sagte nach der Hochzeit: „Nichts hat sich geändert,<br />
... du wirst frei sein, ich werde frei sein", ... „Lieben wir einander<br />
wie Bruder und Schwester" (318). Er versagte sich ihr ständig. Sie zieh<br />
ihn der Homosexualität (347). Gerade aber deshalb liebte sie ihn. Be-