Das Argument
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II. Soziologie 467<br />
die den konkreten Verlauf der zukünftigen Entwicklung einer Gesellschaft,<br />
die durch eine Vielzahl von verschiedenen Wertungen<br />
mehr oder minder mächtiger sozialer Kräfte gekennzeichnet ist, vorhersagen<br />
will. Aus dieser Zielsetzung der wissenschaftlichen Analyse.<br />
ergibt sich für Myrdal weiterhin — und insofern setzt er sich explizit<br />
von Max Weber ab —, daß die Wertungen und Handlungen einer<br />
sozialen Gruppe nicht unter dem Gesichtspunkt der Zweckrationalität<br />
auf ein zentrales, oberstes Ziel hin orientiert werdeij, sondern<br />
in der Realität meist sehr widerspruchsvoll sind. Es wird also für die<br />
wissenschaftliche Analyse darauf ankommen, die tatsächlichen Wertungen<br />
auf allen Ebenen herauszufinden, um das Verhalten in der<br />
Zukunft vorhersagen zu können.<br />
Dieser radikale und konkrete Relativismus zwingt Myrdal dazu,<br />
bestimmte Entwicklungen auf der Basis aller gesellschaftlich relevanten<br />
Wertungen zu analysieren. In gesellschaftlichen Situationen,<br />
die sich durch die Existenz sehr heterogener Wertungen auszeichnen,<br />
besteht so unzweifelhaft die Gefahr, die gesellschaftliche Realität<br />
selbst aufzulösen in eine Vielzahl miteinander unvereinbarer aber<br />
prinzipiell gleichberechtigter „Perspektiven".<br />
Viel entscheidender stellt sich dieses Problem jedoch bei dem, was<br />
, Myrdal das „logische Kreuz aller Wissenschaft" nennt, was in Wahrheit<br />
allerdings lediglich das logische Kreuz des konsequenten Relativismus<br />
ist: Die Wahrnehmung, d. h. die Strukturierung der gesellschaftlichen<br />
Realität ist ohne vorherige theoretische Vorstellung<br />
nicht möglich. Andererseits soll die Wahrheit der Theorie sich aber<br />
gerade an der Realität erweisen, die durch sie erst strukturiert wird.<br />
„Dies ist das logische Kreuz aller Wissenschaft, daß sie... in all<br />
ihren Arbeiten ein a priori annimmt, aber ihren Ehrgeiz darauf richten<br />
muß, eine empirische Basis für dieses a priori zu finden. ... So<br />
versuchen wir dauernd, etwas zu tun, was nie perfekt getan werden<br />
kann, und wir erreichen nicht mehr als Notbehelfe" (S. 238).<br />
Wolf Rosenbaum (Marburg/L)<br />
Wellmer, Albrecht: Methodologie als Erkenntnistheorie.<br />
Zur Wissenschaftslehre Karl R. Poppers. Suhrkamp Verlag,<br />
Frankfurt/Main 1967 (242 S., kart., 14,— DM).<br />
Wellmer will zeigen, daß der Falsifikationismus, den Popper dem<br />
Positivismus des Wiener Kreises entgegensetzt, selbst positivistischem<br />
Erbe entspringt, weshalb ein unaufgelöster Widerspruch das<br />
Werk Poppers kennzeichnet. — Generelle Gesetzeshypothesen (,Alle<br />
Schwäne sind weiß') lassen sich nach Popper deshalb nicht verifizieren,<br />
weil der Terminus ,alle' die erschöpfende empirische Überprüfung<br />
ausschließt. Wohl aber ist es möglich, eine All-Aussage durch<br />
einen ,Basissatz' zu falsifizieren, der einen durch die All-Aussage<br />
verbotenen singulären Tatbestand konstatiert. Der wissenschaftliche<br />
Forschungsprozeß ist deshalb als der nie endende Versuch zu sehen,<br />
,vorhand,ene' Gesetzeshypothesen zu falsifizieren. Die trotz strenger