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Das Argument

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II. Soziologie 463<br />

tensweise und Einstellung, daß... es nicht sehr wahrscheinlich ist,<br />

er könne ausschließlich negative Folgen haben." (379) Im Gegenteil<br />

— er zähmt Macht, ermöglicht sozialen Wandel und auch Tradition,<br />

vor allem aber Kontrolle der Beherrschten. Der Neid, diese, wie<br />

Schoeck etwas eigen formuliert, „ersatzweise seelische Tätigkeit,<br />

bei der man die bedauernswerten Folgen dessen betrachtet, daß<br />

irgend jemand anderes etwas hat; das man selber nicht besitzt", (85)<br />

ist zwar „die a-sozialste, destruktivste Seelenhaltung, aber zugleich<br />

auch die am ausschließlichsten sozial orientierte". Es gäbe einfach<br />

keine Gesellschaft ohne diese „schöne wechselseitige, spontane Aufsicht,<br />

die Menschen untereinander ausüben". (102) Die soziale, gar<br />

nicht zu überschätzende Leistung des Neides sei auch, „daß die Angst<br />

vor ihm unzählige Handlungen dämpft... und moduliert", wodurch<br />

„wir uns alle in Schach halten" (103). „Der Neid als Wachorgan hat<br />

eine positive, eine aufbauermöglichende Wirkung im Gemeinwesen."<br />

(103)<br />

<strong>Das</strong> Buch von Schoeck ist trotz aller altakademischen Verbrämungen<br />

(der Neid in der Dichtung, das Verbrechen aus Neid und Neid<br />

und Sprache) eine rüde politische Kampfschrift für die Klassengesellschaft<br />

und gegen all „die berufsmäßigen Neidvermeidungsingenieure",<br />

„die politischen Träumer und Schreibtischsozialisten", die<br />

auf die „egalitäre Gesellschaft erpichten Intellektuellen", vor allem<br />

die Sozialisten. Kurz, es ist gegen alle, die Interesse an einer Emanzipation<br />

haben; denn, argumentiert Schoeck, gerade die Gleichheitsforderung<br />

führt wieder zurück auf die Stufe der Primitiven, auf der<br />

„der Neider" immer recht hat und die Beneideten Angst haben, wodurch<br />

das Entwicklungspotential der Gesellschaft zerstört und überhaupt<br />

die Gesellschaft funktionsuntüchtg gemacht wird. <strong>Das</strong> „Neidpotential"<br />

läßt sich eben nur mit Ideologie beschwichtigen oder von<br />

einem „charismatischen aber brutalen Führer" (57); deshalb ist die<br />

einzig mögliche, durch die Anthropologie unausweichlich vorgegebene<br />

Gesellschaftsform die Klassengesellschaft.<br />

Dementsprechend sind denn auch die praktisch-politischen Deduktionen,<br />

die Schoeck aus seinem Neidsystem herausholt; er empfiehlt<br />

etwa, den Armen nicht zu helfen, damit ihr Neid nicht weiter angestachelt<br />

werde; denn durch erwiesene Güte zeige man einerseits nur,<br />

daß man kaum entbehrt, was man ihnen gibt, und man beschäme sie<br />

zugleich, lenke also ihren Neid vom Besitz gar auf den Charakter.<br />

— Ein Dorn im Auge sind dem Verfasser offensichtlich die hohen<br />

Erbschafts- und progressiven Einkommenssteuern, die ganze Sozialpolitik,<br />

überhaupt das bißchen Wohlfahrtsstaat; die Rücksicht auf<br />

Gruppen, die, weil es ihnen in der Vergangenheit schlecht ging, noch<br />

„Vorschußsympathie genießen", obwohl es ihnen doch jetzt gut geht;<br />

schließlich die Chancengleichheit, die sowieso an der Ungleichheit<br />

der Menschen, „sich der Chancen mit gleichem Erfolg zu bedienen"<br />

(268), scheitern müsse; ein Dorn im Auge sind ihm auch — wen wundert's<br />

— die Gewerkschaften. (255)<br />

Statt zu erkennen und einzugestehen, daß Gerechtigkeit und<br />

Gleichheit unter Bedingungen von Repression und Ausbeutung nicht

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