02.03.2014 Aufrufe

Das Argument

Das Argument

Das Argument

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN
  • Keine Tags gefunden...

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

I. Philosophie 453<br />

nen dialektischen Paradox die Einheit von himmlischer und irdischer<br />

Liebe, Seele und Körper dar — „Love's mysteries in soûles doe<br />

grow, / But yet the body is his booke." Spitzer dagegen beteuert;<br />

„(Wir) fühlen, daß Donne selbst, trotz seines Bestrebens, das Fleisch<br />

zu rechtfertigen, tiefer von der Wirklichkeit und Schönheit der geistigen<br />

Vereinigung überzeugt war als von der Notwendigkeit des<br />

Körpers für diese Vereinigung." Nicht nur gilt ein rein gedanklicher<br />

Inhalt Spitzer als Kriterium für lyrischen Stil; mehr noch: hier<br />

unterstellt der Kritiker dem Text sein eigenes Vorurteil. Ist dies<br />

werkgetreue Stilanalyse? Ist dies sachliche „explication de texte"?<br />

Doch sind die Widersprüche in den Einzelanalysen nicht allein<br />

aus den persönlichen' Vorurteilen des Verfassers zu erklären. Sie<br />

sind echte Aporien: nämlich der Ausdruck innerer Paradoxien der<br />

gewählten Methode selbst. <strong>Das</strong> methodologische Vorgehen der „explication<br />

de texte" wird von Spitzer als „Weg vom Rationalen zum<br />

Irrationalen" beschrieben. Zugrunde gelegt ist eine irrationalistische<br />

Auffassung dichterischer Sprache. „Der Dichter hebt die Sprache<br />

noch weiter ins Irrationale ..." (10). <strong>Das</strong> hermeneutische Verfahren<br />

ist also kein rationaler Verstehensprozeß, sondern ein Vorgang intuitiver<br />

Wesensschau, der zwar ,rational' beginnt (als Analyse der<br />

sprachlichen Mittel), dessen Ziel jedoch die Identifikation mit dem<br />

— angeblich — ,irrationalen' Sprachsystem einer Dichtung ist. Damit<br />

aber wird der „subjektivistischen Entstellung des literarischen<br />

Texts" (Weimann) durch die Methode selbst der Boden bereitet; die<br />

Inkonsequenzen Spitzers können aus der Perspektive seiner eigenen<br />

Voraussetzungen in gewisser Weise durchaus als ,konsequent' erscheinen.<br />

Gegenüber einer solchen Methodologie muß an dem Begriff von<br />

Interpretation als eines rationalen Verstehensprozesses festgehalten<br />

werden. Der ,hermeneutische Vorgang' ist jeweils ein Versuch — auf<br />

lyrische Dichtung hin gesprochen —, die assoziative, häufig emotional<br />

besetzte Sprache eines individuellen Werks oder einer Gruppe<br />

von Werken möglichst vollständig in ein begrifflich-kategorisierendes<br />

Sprachsystem — die Sprache der Literaturkritik — zu übersetzen.<br />

Der ,Weg' der Interpretation ließe sich eher als ,Weg vom<br />

Irrationalen zum Rationalen' erklären als umgekehrt.<br />

Spitzer selbst ist ein zu guter Philologe, um nicht in den einzelnen<br />

Interpretationen selbst seinem eigenen Prinzip untreu zu werden.<br />

<strong>Das</strong> geschieht in der Tat immer dann, wenn die Interpretation überzeugt.<br />

Doch verhindert das proton pseudos der Methode, daß sich<br />

die vielen gültigen, oft an Klarheit und Akribie vorbildlichen Einzelanalysen<br />

eigentlich nie zu einem überzeugenden Gesamtbild zusammenfügen.<br />

—<br />

Mehr noch als in seinen literarischen Analysen zeigen sich die<br />

Grenzen der Spitzerschen Methode in dem Aufsatz über amerikanische<br />

Werbung — „verstanden als populäre Kunst". So verdienstvoll<br />

die Wahl dieses von Literaturwissenschaft und Ästhetik völlig<br />

vernachlässigten Gegenstandes auch ist, seine Behandlung macht<br />

deutlich, daß Phänomene der Werbung mit einer Methode, die ge-

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!