Das Argument
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I. Philosophie 449<br />
soziale Bedeutung der Position Perraults, die von der kulturellen<br />
Überlegenheit der Moderne und kunsttheoretischen Begriffe wie<br />
„Erfindung" und „Geschmack" ausgeht ebenso wie den gesellschaftlichen<br />
Sinn von Boileaus Vorstellung der „Nachahmung" der vorbildhaften<br />
Antike zu erarbeiten. Die durch K.s Buch im Einzelnen<br />
sichtbar gemachten Zusammenhänge können hier nur angedeutet<br />
werden. Boileaus These, die die Kunst an die Vorbilder der Tradition<br />
bindet und das zum Urteil fähige Publikum auf eine humanistische<br />
Bildungselite begrenzt, wurde, wie K. zeigt, in der Umgebung der<br />
konservativ-oppositionellen parlamentarischen Bourgeoisie,' entwikkelt,<br />
die nach der ,Fronde' von gesellschaftsverändernder Praxis ausgeschlossen<br />
war und weitgehend an einer humanistisch-traditionalen<br />
Wissensvorstellung festhielt. Dagegen verkehrte Perrault in den<br />
Salons des nicht humanistisch gebildeten Finanzbürgertums, dessen<br />
kulturellen Anspruch die neue aesthetische Norm des „Geschmacks"<br />
legitimierte (die später in der Aufklärung „jedermann" das Urteil<br />
über den Repräsentationsgegenstand Kunst erlaubt) ; er war ferner ein<br />
wichtiger kulturpolitischer Beamter des Merkantilisten Colbert, der<br />
die Naturwissenschaften und damit eine antitraditionale Wissenskonzeption<br />
staatlich förderte. Perraults Denken hat so, wie K.<br />
nachweist, in seiner Bindimg an den Absolutismus und in dessen<br />
historisch progressiver Rolle, die Perraults Fortschrittskonzeption<br />
artikuliert, seinen Hintergrund. In einem Ausblick deutet der Verf.<br />
weiter die Veränderungen der Konstellation an, die die Entwicklung<br />
der bürgerlichen Gesellschaft im 18. Jhdt. begleiten. Die Aufklärungsphilosophie,<br />
die in Perrault einen ihrer Vorläufer sieht, löste<br />
dessen „Modernismus" aus seiner Fixierung an den Absolutismus;<br />
ferner begann in der 2. Hälfte des 18. Jhdts. eine Verbindung von<br />
Fortschrittsdenken und nicht konservativer Antikerezeption, die über<br />
ihren 1. Höhepunkt in der Französischen Revolution hinaus geschichtlich<br />
wirksam gewesen ist.<br />
Der Band „Neue Beiträge zur Literatur der Aufklärung" enthält<br />
16 Abhandlungen, die zum Teil den Charakter wissenschaftlicher<br />
Vorarbeiten haben; so die Aufsätze: „Voltaires literarische Hilfsmittel<br />
in Berlin" (Fontius), „Zur politischen Terminologie J. J. Rousseaus<br />
(Chajutin) und „Zeitgenössische Zeugnisse für das Werk<br />
Holbachs" (Besthorn). Die übrigen Arbeiten lassen das theoretische<br />
Interesse, das die Forschungen der Gruppe leitet, erkennen. Als Ausdruck<br />
des Geschichtsbewußtseins, wie es durch die „Querelle" entwickelt<br />
wurde versteht R. Geissler die erste kritische Philosophiegeschichte<br />
des Bourleau-Deslandes (1737). Ihr liegt ein sensualistischer,<br />
auf gesellschaftlichen Nutzen bezogener Begriff von Philosophie<br />
zugrunde. Eine Darstellungsform, die dem Wissen gesellschaftliche<br />
Wirksamkeit ermöglicht, ist eine Konsequenz daraus, die das<br />
Werk von der zeitgenössischen lateinischen Philosophiegeschichte<br />
des rationalistischen deutschen Aufklärers Brucker unterscheidet.<br />
An das Verhältnis von Philosophie und bürgerlicher Öffentlichkeit<br />
knüpfen weiter die Aufsätze an, die die französischen Zeitschriftengeschichte<br />
des 17. und 18. Jahrhunderts behandeln. R. Noack gibt einen