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Das Argument

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Philosophisches Wörterbuch. 357<br />

erfüllen könnten. Aber natürlich ist dieses Helicopter-Produktionsprogramm<br />

auch nur ein Beispiel. Von grundsätzlicher Bedeutung ist<br />

es dagegen, daß sich die amerikanischen Forscher, vor allem die der<br />

RAND Corporation, seit mindestens zwei Jahren mit der paradoxen<br />

Frage beschäftigen, welche an das gegnerische Gestern gut adaptierten<br />

Mittel sie zu erfinden haben, um dem in den Gegnern verkörperten<br />

Gestern am wirkungsvollsten entgegenzutreten; welche gestrigen'<br />

und nicht zu großen Waffen sie konstruieren müssen, um die<br />

obsoleten Methoden vor-industrieller Kämpfer zu überwältigen. Um<br />

gleichziehen zu können, versuchen die Heutigen, gleich gestrig zu<br />

sein wie die Gestrigen.<br />

Nicht zufällig hat ein Berater von Präsident Johnson auf Grund<br />

dieses auf das Obsolete ausgerichteten, und deshalb paradoxen, Forschungsprogramms<br />

behauptet, daß Amerika in Vietnam das Risiko<br />

laufe, den Wettlauf zum Monde zu verlieren — eine Bemerkung, die<br />

nicht nur deshalb interessant ist, weil in ihr die moderne Erzeugung<br />

des Gestrigen als der Tod der Erzeugung des Morgigen figuriert;<br />

sondern auch deshalb, weil sie zeigt, wie selbstverständlich es für die<br />

Männer um Johnson ist, die Eroberung des Mondes und die Verwüstung<br />

Vietnams zusammenzusehen, und zwar als miteinander konkurrierende<br />

Stücke eines einzigen gigantischen, natürlich militärischen,<br />

Aktionskomplexes.<br />

Dialektik der Verspätung<br />

Gewisse Amerikaner sind sprachlos darüber, daß die Chinesen<br />

heute bereits Wasserstoffbomben erzeugen können, und daß sie den<br />

Stand der Physik und Technik sogar rascher nachgeholt haben als<br />

die Franzosen. Tatsächlich hat keine nukleare Macht den Weg von<br />

der ersten Atombombe zur ersten Fusionsbombe in so kurzer Zeit<br />

zurücklegen können wie die Chinesen, die, gemessen am Standard<br />

der hochindustrialisierten Länder, noch vor fünf Jahren als atomar<br />

unterentwickelt und deshalb, atomstrategisch gesprochen, als relativ<br />

ungefährlich gegolten hatten.<br />

Aber diese Tatsache ist alles andere als geheimnisvoll. Wer zu<br />

spät kommt, der ist eben, sofern er nicht viel zu spät kommt, nicht<br />

nur nicht im Nachteil, sondern umgekehrt in der günstigen Lage,<br />

alle zuvor von Anderen geleistete Arbeit verwenden und die Vorgänger<br />

als Pfadfinder und researcher, sogar als unbezahlte Pfadfinder<br />

und researcher, anstellen zu können. Daß dafür ,Spionage' erforderlich<br />

sei, das reden sich allein wissenschaftlich so unversierte Wesen<br />

wie Geheimdienstler, Kongreßmänner oder Senatoren ein.<br />

Wer Erfindungen macht, der muß sich auch darauf gefaßt machen,<br />

daß die Nachkommenden ihm auf den Kopf steigen und ihn dadurch<br />

überragen. Primatgierigen Erfindern mag das tragisch vorkommen.<br />

Zu unrecht. Tragisch wäre es umgekehrt, wenn die ersten, z. B. die<br />

Initiatoren der heutigen nuklearen Vernichtungstechniken, die einzigen<br />

blieben; und ein Glück ist es, daß diese rasch eingeholt und sogar<br />

überholt werden können. Ob die universelle Gefahr neutralisiert

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