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Moritz Neumann: Woran man einen Juden erkennt... (Mai 2013)

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Nicht weniger aufschlussreich waren die Antworten auf die Frage: „Wie viele <strong>Juden</strong><br />

leben Ihrer Meinung nach in Deutschland?“ Da schwankten die Schätzungen zwischen<br />

einer Million, fünf Millionen bis hin zu zehn Millionen. Von der richtigen Antwort,<br />

nämlich „knapp über 100.000“ waren alle ziemlich weit entfernt.<br />

Früher war ja <strong>man</strong>ches viel einfacher. Da hieß es lange Zeit, es gebe ganz und gar<br />

untrügliche Zeichen dafür, <strong>einen</strong> <strong>Juden</strong> an seinem Äußeren zu erkennen: nämlich s<strong>einen</strong><br />

Bart und seine Schläfenlocken. Freilich, die Sache mit dem Bart ist so trügerisch wie die<br />

mit dem Gang. Denn die Liste der Bartträger, die keine <strong>Juden</strong> waren, ist unübersehbar<br />

lang, angefangen von Karl dem Großen über Barbarossa bis hin zum unsäglichen<br />

Heidelberger Geschichtsprofessor Treitschke, dem wir den geschichtsträchtigen wie<br />

unheilvollen Satz verdanken „Die <strong>Juden</strong> sind unser Unglück“.<br />

Da sind die Schläfenlocken zweifellos von einer anderen Qualität. Denn die sind nun<br />

wirklich ein Alleinstellungsmerkmal, weil nie<strong>man</strong>d außer uns <strong>Juden</strong> jemals auf die Idee<br />

gekommen wäre, Teile des Haupthaares derart eigentümlich zu verfremden. Aber auch<br />

dieses Identifikationsmerkmal hilft nur bedingt: erstens, werden richtig lange<br />

Schläfenlocken heutzutage nur von religiösen Ultras getragen, während die moderat<br />

Orthodoxen sie kurz halten und nach hinten über die Ohren legen, so daß sie mitunter<br />

kaum erkennbar sind. Und weil, zweitens, die wenigsten <strong>Juden</strong> überhaupt<br />

Schläfenlocken tragen, häufig auch k<strong>einen</strong> Bart haben – aber ohne Zweifel trotzdem<br />

<strong>Juden</strong> sind.<br />

Macht aber nichts. Es ist letztlich so wie bei Max Frischs <strong>Juden</strong>-Erkennung am Gang. Wer<br />

<strong>einen</strong> etwas längeren Bart trägt und obendrein auch noch <strong>einen</strong> großen, breitkrempigen<br />

Hut, der muss ein Jude sein, genauer noch: ein Rabbiner. Dabei sind unsere<br />

einschlägigen Vorschriften eigentlich unzweideutig und lassen es sehr wohl zu, daß auch<br />

fromme <strong>Juden</strong> ein bartloses Äußeres haben. Es kommt, wie zumeist, nur darauf an, wie<br />

das Gesetz ausgelegt wird.<br />

Schon <strong>Mai</strong>monides, der bedeutendste jüdische Gelehrte des Mittelalters, hat geurteilt,<br />

daß ein Schneiden des Bartes durchaus in Einklang mit der Halacha sei, wenn dazu nicht<br />

ein Messer benutzt werde, sondern eine Schere. Denn, so heisst es bei dem großen<br />

Philosophen und Rechtsgelehrten: „Es war die Praxis der heidnischen Priester, ihre

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