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Moritz Neumann: Woran man einen Juden erkennt... (Mai 2013)

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Ich selbst bin vor Jahren Zeuge eines Vorfalls geworden, in dem eben diese Realität<br />

genau diese Phantasie übertroffen hat. Da fand vor der ersten Großen Strafkammer des<br />

Landgerichts Darmstadt ein Prozess gegen den als Neo-Nazi weithin bekannten<br />

ehemaligen Rechtsanwalt Manfred Roeder statt. Und in dessen Verlauf erklärte eine<br />

Schöffin, die als ehrenamtliche Richterin am Urteil mitzuwirken hatte, sie könne <strong>einen</strong><br />

<strong>Juden</strong> bereits am Gang erkennen. Ja, sie hat es behauptet, steif und fest, und bei einer<br />

hochnotpeinlichen Befragung durch den Vorsitzenden Richter auch noch einmal<br />

bekräftigt. Wenn das so ist, braucht sich nie<strong>man</strong>d über <strong>man</strong>che Urteile zu wundern. Und<br />

daß die Schöffin im Hauptberuf Journalistin war und ehrenamtlich als Stadtverordnete<br />

tätig, ist auch kein rechter Trost.<br />

Übrigens, in Zeiten der Nazis war es nicht nur üblich, Kopfformen zu vermessen. Da gab<br />

es ein viel einfacheres Mittel, um die jüdische Herkunft eines Verdächtigen festzustellen:<br />

ein Blick in die Unterhose genügte. Was freilich heute als zweifelsfreies Merkmal nicht<br />

mehr funktioniert, weil inzwischen viele Eltern – auch nichtjüdische – ihre männlichen<br />

Nachkommen beschneiden lassen, allen einschlägigen Debatten zum Trotz. Damals aber<br />

war die Penis-Beschau üblich, jedenfalls bei der Deutschen Wehrmacht, die<br />

Kriegsgefangene auf diese Art überprüfte, um dann die Entscheidung zu treffen, wer ins<br />

Kriegsgefangenenlager kam und wer gleich ins KZ.<br />

In unserer heutigen, um ein Vielfaches aufgeklärteren Zeit ist das alles natürlich Schnee<br />

von gestern. Da hat sich doch im Bewusstsein gegenüber <strong>Juden</strong> allerhand verändert.<br />

Sollte <strong>man</strong> m<strong>einen</strong>. Allerdings, wenn ich es recht besehe, erkenne ich da noch eine<br />

Menge an Nachholbedarf. Neulich habe ich im Fernsehen eine Passanten-Befragung<br />

gesehen, aufgenommen in der Fußgängerzone einer Großstadt. Es könnte auch die Zeil<br />

in Frankfurt gewesen sein.<br />

Auf die Frage, was sie über <strong>Juden</strong> denken, antworteten <strong>man</strong>che der überwiegend jungen<br />

Leute: „Die können gut handeln“ oder „Die ziehen überall im Hintergrund die Fäden“ bis<br />

hin zum kurz und bündigen „Ich hasse die <strong>Juden</strong>“. Das waren nun gerade mal arabische<br />

Jugendliche. Und nachgefragt, warum sie die <strong>Juden</strong> hassen, lautete die Antwort: „Weil sie<br />

<strong>Juden</strong> sind“.

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