Bürgerbeteiligung Fruchtkasten - Herrenberg
Bürgerbeteiligung Fruchtkasten - Herrenberg
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Pressemitteilung der Stadt <strong>Herrenberg</strong> / 24. Juli 2013<br />
Der <strong>Fruchtkasten</strong> - bald im Fokus des Interesses<br />
Der Beteiligungsprozess<br />
Im Rahmen des Stadtentwicklungsprozesses <strong>Herrenberg</strong> 2020 rückte der <strong>Fruchtkasten</strong><br />
wieder in den Fokus der bürgerschaftlichen wie politischen Diskussion. Mit einer<br />
Wiederbelebung des <strong>Fruchtkasten</strong>s wird die Chance verbunden, die <strong>Herrenberg</strong>er Altstadt<br />
insbesondere im östlichen Bereich der Tübinger Straße aufzuwerten und einen attraktiven<br />
Anlaufpunkt zu schaffen. Im Rahmen des Stadtentwicklungsprozesses wurde die Idee<br />
formuliert, den <strong>Fruchtkasten</strong> zu einem Zentrum für die Bürgerinnen und Bürger zu machen.<br />
Die Stadt möchte nun vor den formulierten Zielsetzungen im Dialog mit der Bürgerschaft<br />
genau diese Frage ergebnisoffen klären: Welche Nutzungsidee wird diesem Anspruch<br />
gerecht? Immer auch vor der Frage, was ist überhaupt unter Berücksichtigung der<br />
baulichen wie denkmalschutzrechtlichen Rahmenbedingungen machbar und möglich?<br />
Um einen ersten Ideenpool zusammenzutragen, sind alle <strong>Herrenberg</strong>er eingeladen ihre<br />
Ideen an die Stadtverwaltung weiterzuleiten. Hierzu kann einerseits ein Flyer, der im I-<br />
Punkt (Marktplatz 1) ausliegt, genutzt werden. Des Weiteren wurde im Internet unter www.<br />
fruchtkasten-herrenberg.de eine Informations- und Dialogplattform eingerichtet, so dass<br />
man nach Registrierung dort die Ideen einreichen und mit anderen Nutzern diskutieren<br />
kann.<br />
Im Rahmen der Ideensammlung findet am Donnerstag, den 10. Oktober 2013 in der Mensa<br />
Längenholz ein öffentliches Bürgerforum statt. Beginn ist um 19.00 Uhr.<br />
Ziel der Ideensammlung ist, eine möglichst große Bandbreite an Nutzungsideen für eine<br />
Nachnutzung des <strong>Fruchtkasten</strong>s zu erhalten. Alle Ideen, die bis zum 01. November 2013 bei<br />
der Stadtverwaltung eingehen, werden von einer Arbeitsgruppe in der Verwaltung<br />
gesichtet und inhaltlich gebündelt. Aus der Ideenvielfalt sollen dann alternative<br />
Nutzungsideen in Form von Projektskizzen herausgearbeitet werden. Diese alternativen<br />
Nutzungsideen sollen dann im Gemeinderat und im Rahmen einer Projektwerkstatt mit den<br />
Bürgerinnen und Bürger diskutiert und auf eine oder zwei weiterzuverfolgende Varianten<br />
reduziert werden.<br />
Da die vertiefende Betrachtung der Projektideen auch eine Ortsbegehung des<br />
<strong>Fruchtkasten</strong>s einschließt, wird die Teilnehmerzahl der Projektwerkstatt auf 40 bis max. 60<br />
Teilnehmer/innen begrenzt. Überschreiten die Resonanz die Teilnehmeranzahl, entscheidet<br />
das Los. Da der Termin abhängig von der Sichtung und Aufbereitung der eingegangenen<br />
Anzahl an Ideen ist, steht der Termin für die Projektwerkstatt noch nicht fest.<br />
Die Ergebnisse der Projektwerkstatt werden aufbereitet und zu einer Projektstudie<br />
verdichtet. Dabei werden in Form eines Testentwurfs das Raumprogramm und ein erster
grober Kostenrahmen ermittelt. Die Ergebnisse der Projektstudien werden zum Abschluss<br />
des Beteiligungsprozesses in einer öffentlichen Veranstaltung mit den Bürgerinnen und<br />
Bürger rückgekoppelt, mit der Möglichkeit Anregungen und Hinweise vorzubringen. Das<br />
Ergebnis des Dialogs wird als Grundlage in die dann anstehende kommunalpolitische<br />
Diskussion eigebracht und vom Gemeinderat schlussendlich beschlossen.<br />
Der Fruchkasten<br />
Von Dr. Michaela Bautz, Kunsthistorikerin<br />
Wuchtig und ein wenig düster ragt am Ende der Tübinger Straße das große<br />
Fachwerkgebäude des <strong>Fruchtkasten</strong>s auf. Freundlicher wirkt das Bauwerk von der anderen<br />
Seite, wo sicher schon viele die helle Fassade mit den Fachwerkgeschossen mehr oder<br />
weniger unbewusst im Blick hatten, während sie ein Eis schleckend Kinder auf den<br />
Schaukeltieren beaufsichtigten oder im Café gegenüber saßen. Betrachtet man ein<br />
Stadtmodell oder eine Luftbildaufnahme von <strong>Herrenberg</strong>, so wird deutlich, dass der<br />
<strong>Fruchtkasten</strong> nach der Stiftskirche das zweitgrößte Gebäude der Altstadt ist.<br />
Fruchtkästen wurden im Mittelalter von der geistlichen oder weltlichen Herrschaft einer<br />
Stadt erbaut, um darin den sogenannten Zehnt zu lagern. Beim Zehnt handelte es sich um<br />
eine Abgabe in Form von Naturalien (Getreide und andere Feldfrüchte, Obst, Holz etc.), die<br />
den Bauern abverlangt wurde und die an den Grundherren abzuliefern war. Diese betrug in<br />
etwa ein Zehntel ihres Ertrages.<br />
Ursprüngliches romanisches Steinhaus<br />
Der <strong>Fruchtkasten</strong> markiert die Südostecke der Altstadt und der Stadtmauer. Als man nach<br />
der Stadtgründung um 1250 durch die Pfalzgrafen von Tübingen die Stadtmauer zu bauen<br />
begann, setzte man in die Nähe des Tübinger Tores einen Steinbau, der noch innerhalb des<br />
<strong>Fruchtkasten</strong>s erhalten ist. Dieses romanische Steinhaus hat ein doppelbogiges Fenster,<br />
das man vom Tübinger Tor aus heute noch erkennen kann. Im 13. Jahrhundert war ein<br />
Steinhaus etwas ganz Besonderes. In Stein baute nur die Kirche und die Herrschaft; Bürger<br />
und Bauern errichteten Holz- oder Fachwerkhäuser. Man darf also annehmen, dass hier<br />
Dienstleute der Pfalzgrafen wohnten, möglicherweise mit der Aufgabe der Verteidigung<br />
des Tübinger Tores.<br />
Zur Stadtverteidigung diente auch der mit Schießscharten versehene Beobachtungserker<br />
an der Südostecke des Gebäudes. Eine Inschrifttafel daran zeugt von kriegerischen Zeiten:<br />
"An dem 8 Tag Maii ist <strong>Herrenberg</strong> gesturmt worden von 30 Dusen (tausend) purn<br />
(Bauern) 6 Stunden lang 1525". Im Bauernkrieg wurde <strong>Herrenberg</strong> nämlich vom Heer der<br />
aufständischen Bauern angegriffen und nach heftiger Gegenwehr und "Sprengung" eines<br />
Tores erstürmt.<br />
Stadtbrand im Dreißigjährigen Krieg<br />
Bereits das Chorherrenstift, das von 1439 bis 1537 an der Stiftskirche ansässig war, hatte<br />
einen "Stiftsfruchtkasten" besessen. Nach der Reformation und der Auflösung des Stiftes<br />
übernahm die sogenannte "Stifts- und Geistliche Verwaltung" den Besitz und die Güter des<br />
Chorherrenstiftes und damit auch den <strong>Fruchtkasten</strong>. Nachdem der alte beim Stadtbrand im<br />
Dreißigjährigen Krieg 1635 zerstört worden war, beschloss man nach einer provisorischen<br />
Übergangslösung den Neubau des heutigen <strong>Fruchtkasten</strong>s. Er wurde 1683/84 errichtet,
wobei man das alte Steinhaus, die Kelter (<strong>Herrenberg</strong> war bis ins 19. Jahrhundert<br />
Weinanbaugebiet!) und einen Teil der Stadtmauer überbaute.<br />
Von der Revolution 1848 bis zum Stadtjubiläum<br />
Seinen Zweck erfüllte er bis ins Jahr 1851. Im Zusammenhang mit der Revolution von 1848<br />
kam es nach und nach in allen deutschen Ländern zu einer Gesetzgebung zur Abschaffung<br />
des Zehnten. Den Bauern wurden dabei Möglichkeiten geboten, sich von ihrer<br />
Verpflichtung durch Geldzahlungen freizukaufen ("Zehntablösung"). Da nun kein Zehnt<br />
mehr abgeliefert werden musste, wurde der <strong>Fruchtkasten</strong> für die Herrschaft entbehrlich.<br />
Zuerst versuchte das Königlich Württembergische Hofkameralamt, das Gebäude an<br />
Privatleute zu verkaufen oder zu verpachten. Als sich kein Interessent fand, musste<br />
schließlich die Stadt <strong>Herrenberg</strong> das Gebäude erwerben, zum Preis von 3000 Gulden. Da so<br />
viel Geld in der Stadtkasse nicht vorhanden war, musste der Betrag in vier Raten von 1851-<br />
1854 "abgestottert" werden. Die Stadt unterteilte den <strong>Fruchtkasten</strong> in kleinere<br />
Raumeinheiten und vermietete diese als Lagerräume. Von außen wurde das Gebäude 1929,<br />
aus Anlass der Feierlichkeiten zum 700-jährigen Stadtjubiläum <strong>Herrenberg</strong>s, renoviert und<br />
dabei das Fachwerk der beiden Giebel freigelegt. Bereits 1926 war der <strong>Fruchtkasten</strong> unter<br />
Denkmalschutz gestellt worden.<br />
Ideen für die Gegenwart<br />
In den 1970er Jahren bestanden Pläne, ein Heimatmuseum und das Stadtarchiv im<br />
<strong>Fruchtkasten</strong> unterzubringen. 1973 wurde das Dach neu gedeckt, die Außenwände neu<br />
verputzt und auf der Ostseite die Umrisse des romanischen Wohnturms sichtbar gemacht.<br />
Aus statischen Gründen konnte das Archiv nicht in dem Gebäude bleiben. Doch die Idee des<br />
Heimatmuseums wurde in den folgenden Jahrzehnten weiter verfolgt. 1998 eröffnete die<br />
Ausstellung "<strong>Herrenberg</strong> - Schlaglichter 1250-1900" im <strong>Fruchtkasten</strong>, die im Jahr zuvor<br />
zum 150-jährigen Jubiläum der Kreissparkasse erarbeitet worden war und die heute noch,<br />
bereichert um ein eindrucksvolles Modell des <strong>Herrenberg</strong>er Schlosses, im <strong>Fruchtkasten</strong> zu<br />
sehen ist (Öffnungszeiten: Mi. und So. 15:00-18:00 Uhr). Ein Vorstoß zur Sanierung des<br />
Gebäudes und zur Einrichtung eines überregional thematisierten Museums scheiterte 2002<br />
an Finanzierungsfragen. Nun soll im Rahmen der "Mitmachstadt <strong>Herrenberg</strong>" bald ein<br />
neues Sanierungs- und Nutzungskonzept für das Gebäude erarbeitet werden.<br />
Hinweis an die Redaktionen:<br />
Ihr Ansprechpartner für weitere Fragen:<br />
Peter Wilke<br />
Leiter des Amts für Wirtschaftsförderung und Kultur<br />
Telefon 07032 924 227<br />
E-Mail p.wilke@herrenberg.de