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PflegeKolleg<br />

Epilepsie<br />

Teil 1<br />

Keine Angste vor Anfällen<br />

Epilepsiepatienten im Pflegealltag<br />

ZERTIFIZIERTE<br />

F O R T B<br />

3<br />

Punkte<br />

I L D U N G<br />

Teil 2<br />

Mit MOSES und PEPE Epilepsie bewältigen<br />

Schulungsprogramme im Blick<br />

Teil 3<br />

Anfallsfrei leben – sicher leben<br />

Altersepilepsie<br />

Zertifizierte Fortbildung in Zusammenarbeit mit<br />

© shutterstock<br />

<strong>Heilberufe</strong> / Das Pflegemagazin 2013; 65 (10)<br />

51


PflegeKolleg<br />

Epilepsie<br />

Epilepsiepatienten im Pflegealltag<br />

Keine Angst vor Anfällen<br />

Die Epilepsie ist nach dem Schlaganfall die zweithäufigste neurologische Krankheit. Damit ist die<br />

Wahrscheinlichkeit, im Pflegealltag einen epileptischen Anfall zu sehen, hoch. Es gibt aber keinen<br />

Grund, Angst vor einem epileptischen Anfall zu haben. Der folgende Beitrag zeigt auf, wie unterschiedlich<br />

sich epileptische Anfälle äußern können, welche Behandlungsmöglichkeiten es gibt und<br />

wie Sie damit richtig umgehen.<br />

KEYWORDS<br />

Generalisierte<br />

Epilepsie<br />

Fokale Epilepsie<br />

Epilepsiesyndrom<br />

Anfallssemiologie<br />

Grand mal<br />

Automotorischer<br />

Anfall<br />

Synkope<br />

Status epilepticus<br />

EEG<br />

In Deutschland leidet 1 % der Bevölkerung an einer<br />

Epilepsie, 5 % der Bevölkerung erleiden in ihrem<br />

Leben einen einmaligen Anfall. Eine Epilepsie wird<br />

durch den Nachweis von epileptischen Anfällen<br />

diagnostiziert. Dabei bedeutet das Auftreten eines<br />

einzelnen Anfalls noch nicht in jedem Fall die Diagnose<br />

einer Epilepsie. Er kann auch Ausdruck einer<br />

akuten Erkrankung sein – beispielsweise einer<br />

Meningitis, eines Alkoholentzugs oder einer Hyponatriämie.<br />

Wenn die zugrunde liegende Erkrankung<br />

behandelt wird, kann es sein, dass nie wieder ein<br />

Anfall auftritt. Werden jedoch mit Hilfe der Bildgebung<br />

(Magnetresonanztomographie des Kopfes)<br />

und/oder des EEG weitere Hinweise für ein Risiko<br />

zur Entwicklung einer Epilepsie gefunden, kann die<br />

Diagnose einer Epilepsie nach den neuen Leitlinien<br />

der Deutschen Gesellschaft für Neurologie bereits<br />

nach dem ersten epileptischen Anfall gestellt werden.<br />

Das Epilepsiesyndrom<br />

Wichtig bei der Diagnosestellung ist die Einschätzung<br />

der Art der Epilepsie (Epilepsiesyndrom). Hieraus<br />

ergeben sich Konsequenzen für die Therapie und die<br />

Prognose. Wir unterscheiden drei große Gruppen:<br />

▶▶Idiopathisch generalisierte Epilepsien (nach dem<br />

neuen Vorschlag zur Klassifikation der Epilepsien<br />

„genetische Epilepsien“ genannt)<br />

▶▶Fokale Epilepsien (nach dem neuen Klassifikationsvorschlag<br />

„strukturell-metabolische Epilepsien“)<br />

▶▶Nicht klassifizierte Epilepsien, die sich keiner der<br />

beiden genannten Gruppen zuordnen lassen<br />

Eine generalisierte Epilepsie ist dadurch gekennzeichnet,<br />

dass die Anfälle gleichzeitig in beiden Gehirnhemisphären<br />

beginnen, während bei einer fokalen<br />

Epilepsie der Anfallsursprung auf eine umschriebene<br />

Gehirnregion beschränkt ist (Fokus = Herd). Allerdings<br />

können fokale Anfälle auch sekundär generalisieren,<br />

also auf das ganze Gehirn übergreifen.<br />

Der epileptische Anfall – Gewitter im Kopf<br />

Zu einem Anfall kommt es, wenn sich größere Nervenzellverbände<br />

synchron elektrisch entladen. Epileptische<br />

Anfälle können sehr unterschiedlich aussehen<br />

(Anfallssemiologie). Hierbei bestimmt die Gehirnregion,<br />

in der der Anfall entspringt beziehungsweise<br />

in die er sich ausbreitet, die Symptomatologie.<br />

Wie bei der Klassifikation der Epilepsien gibt es auch<br />

für die Anfälle unterschiedliche Einteilungen. Hier<br />

werden die am häufigsten auftretenden Anfälle charakterisiert:<br />

Je nach Aussehen der Anfälle werden sie<br />

als myoklonisch bezeichnet, wenn eine oder mehrere<br />

kurze „Zuckungen“ auftreten, als klonisch, wenn<br />

diese „Zuckungen“ etwas länger anhalten und als<br />

tonisch, wenn es zu einer „Versteifung“, einer Verkrampfung<br />

ohne Zuckungen, kommt. Ein Grand<br />

mal-Anfall (tonisch-klonischer Krampfanfall) ist<br />

durch eine tonische Phase, gefolgt von einer klonischen<br />

Phase, die jeweils alle Extremitäten betrifft,<br />

gekennzeichnet. Er geht immer mit einer Bewusstseinsstörung<br />

einher. Dagegen ist eine Absence ausschließlich<br />

durch eine Bewusstseinsstörung ohne<br />

jegliche motorische Phänomene gekennzeichnet.<br />

Einzige Ausnahme: Selten kann Lidflattern beobachtet<br />

werden. Sobald motorische Bewegungsmuster<br />

© iStockphoto/thinkstock<br />

DOI: 10.1007/s00058-013-1084-2<br />

<strong>Heilberufe</strong> / Das Pflegemagazin 2013; 65 (10)


Pharmakoresistenz<br />

Monotherapie<br />

1. Substanz<br />

Monotherapie<br />

2. Substanz<br />

Polytherapie<br />

2 Substanzen<br />

47%<br />

60%<br />

64%<br />

12 Monate anfallsfrei<br />

(n=470 Patienten)<br />

ca. 1⁄3 pharmakoresistenz<br />

Abb. 1: Pharmakoresistenz (nach Kwan & Brodie 2000<br />

N Engl J. Med)<br />

auftreten, handelt es sich nicht mehr um eine Absence.<br />

Alle diese genannten Anfallstypen zählen zu<br />

den „generalisierten“ Anfällen (Achtung: myoklonische,<br />

klonische oder tonische Anfälle können aber<br />

auch nur eine Körperhälfte oder nur eine Extremität<br />

betreffen).<br />

Außerdem unterscheiden wir Auren, bei denen der<br />

Betroffene lediglich eine subjektive Wahrnehmung<br />

hat. Abhängig von der betroffenen Hirnregion kann<br />

es beispielsweise visuelle, auditorische, gustatorische,<br />

olfaktorische, somatosensible oder vegetative Auren<br />

geben. Wenn der Anfall in der Sehrinde beginnt, kann<br />

es zu visuellen Auren kommen, hierbei können Farben,<br />

Formen, Personen, zum Teil sogar ganze Szenen<br />

wahrgenommen werden. Eine Aura mit einem aufsteigenden<br />

Gefühl aus der Magenregion, die häufig<br />

mit Übelkeit oder Wärme beschrieben wird, wird als<br />

epigastrische Aura bezeichnet und ist typisch für eine<br />

Entstehung im mesialen (inneren) Schläfenlappen.<br />

In dieser Region können auch Auren mit vegetativen<br />

Symptomen, wie Blässe, Erröten, Schwitzen und<br />

Herzklopfen entstehen.Wenn es im Anfall zu automatisierten<br />

Handlungen, wie beispielsweise Fortsetzen<br />

einer begonnenen Handlung (Kochen, Gehen ...)<br />

kommt, sprechen wir von einem automotorischen<br />

Anfall (früher: psychomotorischer oder komplexfokaler<br />

Anfall). Kommt es zu unnatürlich „überschäumenden“<br />

Bewegungen, wird solch ein Anfall als hypermotorisch<br />

bezeichnet. Die zuletzt genannten<br />

Anfälle treten in der Regel bei einer fokalen Epilepsien<br />

auf.<br />

Anfallsbeschreibung<br />

Die Anfallsbeschreibung spielt eine entscheidende<br />

Rolle bei der Diagnosestellung (handelt es sich über-<br />

haupt um eine Epilepsie?) und bei der Einschätzung<br />

des Epilepsiesyndroms (spricht die Anfallsform für<br />

eine generalisierte oder eine fokale Epilepsie?). Eigenanamnese<br />

und Fremdanamnese, also die Anfallsbeschreibung<br />

durch den Patienten selbst oder eine<br />

andere Person, sind die wichtigsten Bausteine in der<br />

Epileptologie, alle technischen Untersuchungen liefern<br />

uns „nur“ noch Puzzleteile zur Vervollständigung<br />

der Bewertung.<br />

Es ist dabei nicht zwingend notwendig, die Anfälle<br />

zu bezeichnen. Viel wichtiger ist es, eine gute Beschreibung<br />

zu liefern, damit aus allen Informationen<br />

die richtigen Schlussfolgerungen gezogen werden<br />

können. Dazu zählt auch, was vor dem Anfall war.<br />

Bei der Anfallsbeschreibung helfen Fragen weiter:<br />

▶▶Was hat Patient gerade gemacht?<br />

▶▶Wie hat der Anfall begonnen?<br />

▶▶Waren die Augen geöffnet/geschlossen oder aktiv<br />

zugekniffen?<br />

▶▶Traten motorische Phänomene auf (Zuckungen,<br />

Versteifungen, automatisierte Handlungen wie<br />

Nesteln, Reiben)<br />

▶▶War eine Bewusstseinsstörung vorhanden?<br />

Hierzu kann es wichtig sein, den Betroffenen anzusprechen:<br />

Schaut er den Fragenden an, reagiert<br />

er in irgendeiner anderen Weise, kann er sprechen,<br />

antwortet er korrekt? Falls er nicht in der Lage ist<br />

zu sprechen, kann er Aufforderungen befolgen?<br />

▶▶Wie endet der Anfall?<br />

▶▶Wie verhält sich der Betroffene nach dem Anfall?<br />

Ist er gleich wieder bewusstseinsklar, kann er sprechen,<br />

ist er müde oder schläft er sogar ein?<br />

▶▶Wie lange hat der Anfall gedauert?<br />

Zu bedenken ist auch, dass nicht alles, was für einen<br />

epileptischen Anfall gehalten wird, auch ein epilep-<br />

DEFINITIONEN<br />

Trotz ausgeklügelter<br />

Therapie wird jeder<br />

dritte Patient nicht<br />

anfallsfrei.<br />

▶▶EEG: Das Elektroenzephalogramm ist eine Methode zur Aufzeichnung<br />

der elektrischen Spannungsschwankungen des Gehirns meist über auf<br />

der Kopfhaut applizierte Elektroden. Während eines epileptischen Anfalls<br />

treten charakteristische EEG-Veränderungen auf. Oft zeigen sich aber auch<br />

außerhalb der Anfälle epilepsietypische Veränderungen.<br />

▶▶Synkope: Kurzer, spontan reversibler Bewusstseinsverlust infolge einer<br />

gestörten Hirndurchblutung (Kreislaufkollaps, Ohnmacht).<br />

▶▶Grand mal: Generalisierter tonisch-klonischer Anfall, der landläufig als<br />

typisch für das Krankheitsbild Epilepsie angesehen wird. Beginn mit einer<br />

meist sehr kurzen (Sekunden) tonischen Phase, in der sich plötzlich alle<br />

Muskeln des Patienten gleichzeitig versteifen und es oft zu unkontrollierten<br />

Stürzen kommt. In der klonischen Phase kommt es zu Zuckungen<br />

der Extremitäten und der Zunge (Schaumbildung). Auch Blauverfärbungen<br />

des Gesichts sind möglich, weil die Atemmuskulatur nicht ausreichend eingesetzt<br />

wird. Typisch ist auch die anschließende Müdigkeit des Patienten<br />

aufgrund des hohen Energieverbrauchs im Anfall. Daher sollte sich der Patient<br />

anschließend ausruhen oder schlafen.<br />

<strong>Heilberufe</strong> / Das Pflegemagazin 2013; 65 (10)<br />

53


PflegeKolleg<br />

Epilepsie<br />

Es gibt keinen<br />

Grund,bei einem<br />

Epilepsieanfall in<br />

Panik auszubrechen.<br />

Verhaltensregeln bei Anfällen<br />

Das können Sie tun<br />

▶▶Verletzungen vermeiden.<br />

▶▶Beim Patienten bleiben.<br />

▶▶Patient nach einem Grand mal-Anfall<br />

in die stabile Seitenlage bringen.<br />

Das sollen Sie unterlassen<br />

▶▶Dinge in den Mund schieben, um einen<br />

Zungenbiss zu verhindern.<br />

▶▶Den Patienten festhalten.<br />

▶▶Benzodiazepine geben, wenn der Anfall<br />

vorbei ist.<br />

tischer Anfall ist. Die häufigsten Differentialdiagnosen<br />

sind psychogene nicht epileptische Anfälle, auch<br />

dissoziative Anfälle genannt, sowie Synkopen. Letztere<br />

können ebenfalls mit kurzen Zuckungen der<br />

Extremitäten einhergehen.<br />

Medikamentöse Behandlung<br />

steht im Vordergrund<br />

Therapeutisch steht die medikamentöse Behandlung<br />

bei Epilepsien im Vordergrund. Zur Behandlung stehen<br />

zahlreiche Medikamente zur Verfügung (Tab. 1).<br />

Dabei richtet sich die Auswahl des Wirkstoffs nach<br />

dem vorliegenden Epilepsiesyndrom. Aus diesem<br />

Grund ist die Klärung des Syndroms vor Beginn der<br />

Therapie unumgänglich.<br />

So sind einige Medikamente bei idiopathisch generalisierten<br />

Epilepsien nicht wirksam. Auch Begleiterkrankungen,<br />

Alter und das Nebenwirkungsprofil<br />

gilt es zu berücksichtigen. Das vom Epileptologen<br />

ausgewählte Medikament wird dann bis zur effektiven<br />

Dosis oder – falls weiterhin Anfälle auftreten – bis<br />

zur Verträglichkeitsgrenze oder zugelassenen Höchstdosis<br />

aufdosiert. Die Chance, mit dem ersten Medikament<br />

anfallsfrei zu werden, beträgt knapp 50 %.<br />

Erst bei Versagen des Medikamentes, das heißt wenn<br />

trotz Höchstdosis weiterhin Anfälle auftreten oder es<br />

zu Nebenwirkungen kommt, wird ein weiteres Medikament<br />

eindosiert. Das zuvor eindosierte Medikament<br />

kann bei Erreichen einer wirksamen Dosis des<br />

zweiten Medikamentes ausschleichend abgesetzt<br />

werden, da es ja nicht geholfen hatte.<br />

Manchmal sieht man, dass ein erstes Medikament<br />

zu einer Verringerung der Anfallsfrequenz geführt<br />

hat (Teilwirksamkeit). In so einem Fall kann auch<br />

eine Kombinationstherapie sinnvoll sein. Die Chance,<br />

mit dem zweiten Medikament anfallsfrei zu werden,<br />

beträgt allerdings nur noch 13 %, mit jedem<br />

weiteren Medikament nimmt die Chance auf circa<br />

4 % ab (Abb. 1). Trotz ausgeklügelter Therapie wird<br />

etwa jeder dritte Patient nicht anfallsfrei. Man spricht<br />

von therapieresistenten oder pharmakoresistenten<br />

Epilepsien. Die Mechanismen, warum das bei einigen<br />

Patienten so ist, sind noch nicht geklärt.<br />

Bei einer Pharmakoresistenz muss überprüft werden,<br />

ob die Option zu einem epilepsiechirurgischen<br />

Eingriff besteht. Diese Behandlungsmöglichkeit<br />

kommt bei fokalen Epilepsien in Betracht, wenn ein<br />

Anfallsursprung festgestellt werden kann. Unter kontinuierlichem<br />

Video-EEG werden Anfälle aufgezeichnet,<br />

um über die Anfallssemiologie und den Beginn<br />

des Anfallsmusters im EEG Rückschlüsse auf den<br />

Anfallsgenerator im Gehirn schließen zu können.<br />

Stimmen alle Untersuchungsergebnisse (einschließlich<br />

craniales MRT und Neuropsychologie und gegebenenfalls<br />

weitere funktionelle bildgebende Untersuchungen<br />

wie PET oder SPECT) überein, kann ein<br />

epilepsiechirurgischer Eingriff empfohlen werden.<br />

Ziel ist es, dabei die epileptogene Region zu entfernen,<br />

so dass anschließend keine Anfälle mehr<br />

auftreten. Die Abgrenzung von Arealen, die Funktion<br />

im Gehirn tragen (Sprache, Motorik, Gedächtnis),<br />

ist immens wichtig, weil natürlich durch die Operation<br />

keine Defizite produziert werden sollen. Stellt<br />

sich heraus, dass mehrere Anfallsgeneratoren vorhanden<br />

sind, kann ein solcher Eingriff nicht durchgeführt<br />

werden. Zu groß wäre die Gefahr von Funktionsverlusten.<br />

Andere Therapiealternativen bestehen<br />

in der Implantation eines Vagus-Nerv-Stimulators<br />

(VNS) oder der ketogenen Diät, einer sehr fettreichen<br />

und kohlenhydratarmen Ernährungsform, die bei<br />

Patienten mit schwer therapierbaren Epilepsien angewendet<br />

werden kann.<br />

Mit Anfällen richtig umgehen<br />

Epileptische Anfälle zu erkennen, kann manchmal<br />

sehr schwierig sein. Auch in spezialisierten Epilepsie-<br />

FAZIT FÜR DIE PFLEGE<br />

▶▶Epileptische Anfälle können sehr unterschiedlich<br />

aussehen. Daher sollten Pflegekräfte neben dem<br />

klassischen Grand mal-Anfall auch die anderen,<br />

weniger auffälligen Anfallsformen kennen. Auch<br />

diese Patienten sind im Anfall hilflos und auf Unterstützung<br />

angewiesen.<br />

▶▶Tritt ein epileptischer Anfall auf, heißt es Ruhe<br />

bewahren. Lassen Sie den Patienten nicht allein<br />

und sorgen Sie für eine sichere Umgebung, bis der<br />

Anfall vorbei ist.<br />

▶▶Die richtige Behandlungsmaßnahme nach einem<br />

Grand mal-Anfall ist die stabile Seitenlage. Jede<br />

Form des Status epilepticus erfordert sofortigen<br />

Therapiebeginn, jedoch ist nur der Grand mal-<br />

Status ein lebensbedrohlicher Notfall.<br />

54<br />

<strong>Heilberufe</strong> / Das Pflegemagazin 2013; 65 (10)


Kliniken gelingt dies nicht immer, dann müssen<br />

Hilfsuntersuchungen wie das kontinuierliche Video-<br />

EEG angewendet werden. Es kann also durchaus<br />

passieren, dass diskretere Anfälle übersehen werden.<br />

Am beeindruckendsten oder vielleicht auch erschreckendsten<br />

sind Grand mal-Anfälle. Es gibt jedoch<br />

keinen Grund, in Panik auszubrechen. Wenn<br />

ein Anfall beginnt, sollte wenn möglich auf die Uhr<br />

geschaut werden, um später einen Anhalt zu haben,<br />

wie lange das Ereignis gedauert hat. Den Beginn eines<br />

Anfalls zu erfassen, ist leider nicht sehr oft möglich.<br />

In diesem Fall müssten wir tatsächlich gerade unseren<br />

Blick auf den Patienten richten. Hinweise für einen<br />

Anfallsbeginn können unnatürliche Bewegungen sein<br />

oder plötzlich fehlende Reagibilität. In den meisten<br />

Fällen kommt man erst zu einem Anfall hinzu.<br />

Ein Anfall dauert in der Regel nicht länger als zwei<br />

Minuten. Ein Anfall, der drei Minuten dauert, ist<br />

schon lang. Oft kommt dem Beobachter diese Zeit<br />

subjektiv viel länger vor. Während des Anfalls kann<br />

man nicht viel tun, außer zu vermeiden, dass es zu<br />

Verletzungen kommt. Daher sollten beispielsweise<br />

gefährliche Gegenstände aus der Umgebung des Patienten<br />

entfernt, die Brille abgenommen, die Zigarette<br />

entfernt und wenn möglich ein Kissen unter den<br />

Kopf gelegt werden, notfalls reicht auch die Hand des<br />

Helfers. Läuft der Patient im Anfall umher (automotorischer<br />

Anfall), sollte er vorsichtig geführt werden,<br />

um zu verhindern, dass er sich in Gefahr bringt.<br />

Nach einem Grand mal, der für den Organismus<br />

eine große Belastung darstellt, erschlaffen die Muskeln<br />

häufig, so dass es im Mund- und Rachenraum<br />

zu einem schnarchenden Geräusch kommt. Die<br />

Schutzreflexe können erloschen sein, daher sollte der<br />

Patient in die stabile Seitenlage gebracht werden, um<br />

zu verhindern, dass er an seiner zurückfallenden<br />

Zunge erstickt. Manchmal kommt es nach Anfällen<br />

zu psychomotorischer Unruhe oder auch zu aggressivem<br />

Verhalten. Durch Appellieren an die Vernunft<br />

kann in solchen Fällen nicht viel erreicht werden, da<br />

sich der Patient noch in einem bewusstseinsgestörten<br />

Zustand befindet. Ruhige Ansprache kann möglicherweise<br />

helfen, zum Selbstschutz sollte man aber<br />

bei Aggressivität Abstand halten, dabei immer im<br />

Auge behaltend, dass sich der Patient nicht selbst in<br />

Gefahr bringt. Wichtig ist es, beim Patienten zu bleiben,<br />

bis diese Phase vorüber ist.<br />

Der epileptologische Notfall<br />

– jetzt müssen Sie handeln<br />

Dauert ein epileptischer Anfall länger als fünf Minuten<br />

(Uhr!) an, handelt es sich um einen Status epilepticus.<br />

Jetzt sollte ein Arzt verständigt werden, der<br />

den Anfall mit der intravenösen Gabe eines Medikamentes<br />

unterbrechen wird. Auch beim Status epilepticus<br />

kann zwischen verschiedenen Formen unterschieden<br />

werden. Nur der Grand mal-Status ist ein<br />

TAB. 1 ANTIEPILEPTIKA<br />

Medikamente zur Monotherapie<br />

▶▶Carbamazepin<br />

▶▶Gabapentin<br />

▶▶Lamotrigin<br />

▶▶Levetiracetam<br />

▶▶Oxcarbazepin<br />

▶▶Phenytoin<br />

▶▶Topiramat<br />

▶▶Valproinsäure<br />

Medikamente zur Kombinationstherapie<br />

▶▶Carbamazepin<br />

▶▶Eslicarbazepin<br />

▶▶Gabapentin<br />

▶▶Lacosamid<br />

▶▶Lamotrigin<br />

▶▶Levetiracetam<br />

▶▶Oxcarbazepin<br />

▶▶Phenytoin<br />

▶▶Pregabalin<br />

▶▶Retigabin<br />

▶▶Topiramat<br />

▶▶Zonisamid<br />

lebensbedrohlicher Notfall. Daneben gibt es noch<br />

den Absencen-Status und den fokalen Status mit und<br />

ohne motorische Zeichen und mit und ohne Bewusstseinsstörung.<br />

Von einem Status epilepticus spricht<br />

man auch, wenn mehrere Anfälle in Folge auftreten,<br />

ohne dass der Patient in der Zwischenzeit das Bewusstsein<br />

wieder erlangt.<br />

Ist eine Epilepsie mit möglicherweise rezidivierendem<br />

Status beim Patienten bekannt, ist die Anordnung<br />

einer Bedarfsmedikation sinnvoll, für den<br />

Fall, dass eine rasche intravenöse Behandlung nicht<br />

gewährleistet ist. Als Bedarfsmedikation eignet sich<br />

die Verabreichung von Diazepam rektal, alternativ<br />

auch Midazolam buccal, das heißt zwischen Zahnleiste<br />

und Wange. Die Gabe von Lorazepam (Tavor®)<br />

sublingual ist im Status epilepticus dagegen nicht<br />

sinnvoll, da die Wirkung erst nach 20 bis 25 Minuten<br />

zu erwarten ist.<br />

Dr. med. Anja Grimmer<br />

Prof. Dr. med. Martin Holtkamp<br />

Epilepsie-Zentrum Berlin-Brandenburg<br />

Ev. Krankenhaus Königin Elisabeth<br />

Herzberge, Herzbergstr. 79, 10365 Berlin<br />

a.grimmer@keh-berlin.de<br />

Literatur bei den Verfassern<br />

<strong>Heilberufe</strong> / Das Pflegemagazin 2013; 65 (10)<br />

55


PflegeKolleg<br />

Epilepsie<br />

Schulungsprogramme im Blick<br />

Mit MOSES und PEPE Epilepsie<br />

bewältigen<br />

Als chronische Krankheit beeinflusst eine Epilepsie immer auch den Lebensalltag der Betroffenen. Zum professionellen<br />

Umgang mit der Erkrankung gehören daher weitaus mehr als die Diagnostik und Verordnung<br />

von Medikamenten und Therapien. Spezielle Schulungsprogramme unterstützen den Patienten bei der<br />

Krankheitsbewältigung und lassen ihn zum Experten in eigener Sache werden.<br />

KEYWORDS<br />

Schulungsprogramme<br />

Krankheitsbewältigung<br />

MOSES<br />

PEPE<br />

famoses<br />

Patientenschulungen<br />

vermitteln Wissen und<br />

geben Patienten die<br />

Möglichkeit, sich mit<br />

anderen Betroffenen<br />

auszutauschen.<br />

Obwohl die Krankheit Epilepsie schon seit der<br />

frühen Menschheitsgeschichte bekannt ist,<br />

bleibt sie doch für die meisten Menschen eine<br />

unbekannte Größe und selbst Betroffene oder ihre<br />

Angehörigen wissen oftmals zu wenig darüber. Die<br />

Krankheit erfordert es, dass die Betroffenen selbst<br />

einen maßgeblichen Beitrag zu ihrer Behandlung<br />

leisten. Nur wenn es gelingt, sie über die verschiedenen<br />

Aspekte der Krankheit zu informieren,<br />

können die alltäglichen Beeinträchtigungen sowie<br />

Einschränkungen durch die Epilepsie auf Dauer<br />

verringert werden. Um dies zu erreichen, wurden<br />

Patientenschulungsprogramme entwickelt. Während<br />

der regelmäßigen Treffen wird nicht nur theoretisches<br />

Wissen vermittelt, die Teilnehmer erhalten<br />

hier auch die Gelegenheit, ihre persönlichen Erfahrungen<br />

einzubringen und sich mit anderen Betroffenen<br />

auszutauschen.<br />

Die Vermittlung der Schulungsinhalte übernehmen<br />

speziell ausgebildete „Trainer“, in der Regel Pflegekräfte<br />

der jeweiligen Stationen. Da das Krankheitsbild<br />

Epilepsie sehr unterschiedliche Patientengruppen<br />

betrifft, wurden eigene Schulungsprogramme für<br />

Erwachsene (MOSES), Menschen mit Epilepsie und<br />

zusätzlicher Lern-, oder geistiger Behinderung (PEPE)<br />

sowie für Kinder mit Epilepsie und ihre Eltern entwickelt<br />

(famoses).<br />

Erwachsenenschulung mit MOSES<br />

MOSES ist ein interaktives modulares Programm, das<br />

– erstmals in der Epilepsietherapie – die Schulung<br />

von Betroffenen in Kleingruppen von sieben bis zehn<br />

Personen ermöglicht.<br />

Der interaktive Charakter der Schulung spiegelt<br />

sich darin wider, dass die Themen im gemeinsamen<br />

Gespräch geklärt werden. Durch den modularen Aufbau<br />

der Schulung aus einzelnen Elementen können<br />

die Schulungsthemen sozusagen „portionsweise“<br />

bewältigt werden, was das Verständnis erleichtert.<br />

Folgende Ziele verfolgt das Schulungsprogramm:<br />

1. Die Krankheit und ihre Auswirkungen kennenund<br />

verstehen lernen.<br />

2. Diagnostische und therapeutische Maßnahmen<br />

verstehen.<br />

3. Lernen, mit der Erkrankung umzugehen und sie<br />

aktiv zu verarbeiten.<br />

4. Verständnis für psychosoziale Fragen und berufliche<br />

Aspekte fördern.<br />

5. Selbsthilfe und Eigeninitiative erlernen.<br />

6. Den Alltag mit möglichst wenigen Einschränkungen<br />

führen.<br />

Wissen erarbeiten<br />

Das Schulungsprogramm MOSES umfasst neun Themenschwerpunkte,<br />

die für den eigenverantwortlichen<br />

Umgang des Patienten mit seiner Krankheit unerlässlich<br />

sind. Durch ihre Teilnahme können sich die<br />

Betroffenen aktiv sowohl mit anderen Patienten als<br />

auch mit dem Trainer austauschen – ein großer Vorteil<br />

des Programms.<br />

Die Schulung findet als Gruppenseminar statt, in<br />

dem Themen aus dem Alltag von Menschen mit Epilepsie<br />

sowie häufig auftretende Fragen und Sorgen<br />

im gemeinsamen Gespräch, geklärt werden. Sie werden<br />

zudem vertraut gemacht mit Chancen und Grenzen<br />

der Epilepsiebehandlung. Es geht also um weit<br />

mehr als die Vermittlung von bloßem Faktenwissen.<br />

Unterstützt wird die Schulung durch ein begleitendes<br />

Arbeitsbuch („Moses Er-Arbeitungsbuch“).<br />

PEPE – Psycho-Edukatives Programm<br />

Epilepsie<br />

Manche Gehirnschädigungen können sowohl zu Epilepsien<br />

als auch zu anderen körperlichen oder geistigen<br />

Störungen führen. Daher leidet ein Teil der<br />

Epilepsie-Patienten auch an einer Lern- oder geistigen<br />

Behinderung. Für diese Patientengruppe ist ein spezielles<br />

Schulungsprogramm entwickelt worden, dass<br />

deren kognitiven Fähigkeiten berücksichtigt. Die<br />

Zielgruppe umfasst anfallskranke Menschen mit einer<br />

DOI: 10.1007/s00058-013-1085-1<br />

56<br />

<strong>Heilberufe</strong> / Das Pflegemagazin 2013; 65 (10)


leichten bis mittleren Intelligenzminderung, mit Intelligenz<br />

im unteren Durchschnittsbereich sowie mit<br />

normaler Grundintelligenz, aber speziellen Leistungsdefiziten.<br />

PEPE vermittelt die Lerninhalte auf einem<br />

zielgruppengerechten Theorieniveau und unter Anwendung<br />

von Bild-, und Anschauungsmaterialien.<br />

Leit- und Identifikationsfiguren, die den Ablauf des<br />

Programmes „moderieren“, sind die Comic-Figuren<br />

Pepe und Pepa, deren Geschichte sich wie ein roter<br />

Faden durch das gesamte Programm zieht.<br />

Der Begriff Psychoedukation beinhaltet zum einen<br />

die Vermittlung von Wissen über die Erkrankung,<br />

zum anderen verdeutlicht er, dass chronische Krankheiten<br />

mehr sind als „nur“ körperliche Erkrankungen.<br />

Erfahrungen von psychischer und sozialer Belastung<br />

werden ausgetauscht, Möglichkeiten zum Umgang<br />

mit der Belastung gesucht und Fähigkeiten zur Bewältigung<br />

krankheitsbezogener Probleme erlernt.<br />

famoses – Modulares Schulungsprogramm<br />

Erkrankt ein Kind an Epilepsie müssen sowohl die<br />

Kinder als auch die Eltern lernen, den Alltag mit der<br />

Krankheit zu bewältigen. Daher besteht das Schulungsprogramm<br />

„famoses“ aus einem Kinder- und<br />

einem Elternkurs mit aufeinander abgestimmten<br />

Inhalten. Wie bei den anderen Schulungen vermitteln<br />

medizinisch orientierte Module das notwendige Basiswissen.<br />

Psychosoziale Module thematisieren hingegen<br />

die Angst vor dem Anfall, das Sprechen über<br />

die Krankheit und die Anpassung der Lebensgewohnheiten<br />

an die Erkrankung.<br />

Die Didaktik berücksichtigt, dass Kinder im Alter<br />

von sieben bis zwölf Jahren Wissen anders aufnehmen<br />

und verarbeiten als Erwachsene. Während das Elternprogramm<br />

weitgehend das bei MOSES bewährte<br />

Vorgehen umsetzt, umfasst das Kinderprogramm<br />

Rollenspiele, spielerisches und emotionales Lernen,<br />

Gruppenarbeit u.v.m. So werden komplexe Zusammenhänge,<br />

wie die Wirkung der Medikamente im<br />

Körper oder Veränderungen der Erregungsvorgänge<br />

im Gehirn während eines Anfalls, für die Kinder<br />

spielerisch erlebbar gemacht. Entscheidend ist es jedoch,<br />

alle Bilder zu vermeiden, die Ängste vor der<br />

Epilepsie fördern: So ist der Vergleich des Anfalls mit<br />

einem „Gewitter im Gehirn“ bei Kindern tabu.<br />

Bei famoses begeben sich die Kinder mit den Trainern<br />

auf eine Schiffsreise. Ziel ist es, dass sie „Kapitän<br />

auf ihrem Lebensschiff “ werden und das „Steuer<br />

selbst in die Hand nehmen“. Denn der Wunsch, die<br />

Kinder vor den zum Teil unkalkulierbaren und oft<br />

überschätzten Risiken einer Epilepsie zu schützen,<br />

kann dazu führen, dass sie „im Hafen“ bleiben und<br />

verlernen, mit den Herausforderungen des Lebens<br />

zurecht zu kommen. Vom „Hafen“ aus, wo sich die<br />

Kinder kennen lernen und eine Einführung in das<br />

Arbeitsmaterial erhalten, machen sie sich auf zu den<br />

verschiedenen Inseln als Stationen ihrer Reise. Der<br />

FAZIT FÜR DIE PFLEGE<br />

▶▶Eine Epilepsie beeinflusst immer den Lebensalltag der Betroffenen und<br />

ihres familiären Umfeldes. Zum professionellen Umgang mit der Erkrankung<br />

gehören daher weitaus mehr als Diagnostik und Therapie.<br />

▶▶Mit den Programmen MOSES, PEPE und famoses existieren Schulungsangebote,<br />

die auf die jeweiligen Lernvoraussetzungen der verschiedenen<br />

Zielgruppen ausgerichtet sind.<br />

▶▶Hauptziel der Schulungen ist neben der notwendigen Wissensvermittlung<br />

vor allem der Erwerb von Kompetenzen, die dem Patienten eine besser Alltagsbewältigung<br />

ermöglichen.<br />

▶▶Bei der Schulung von Kindern stehen spielerisches und emotionales Lernen<br />

im Vordergrund. Dabei müssen jedoch alle Bilder vermieden werden,<br />

die Ängste vor der Epilepsie fördern.<br />

Schulungsmodule in MOSES<br />

Leben mit Epilepsie<br />

Lernen, von der Krankheit ausgelöste Gefühle wahrzunehmen und darüber zu sprechen.<br />

Wege kennen lernen zur besseren Bewältigung der Epilepsie.<br />

Epidemiologie<br />

Häufigkeit und Verbreitung von Epilepsien im Vergleich zu anderen Erkrankungen.<br />

Vorstellung einiger Biografien von Menschen mit Epilepsien.<br />

Basiswissen<br />

Behandlung von Kernfragen im Zusammenhang mit Epilepsie: Anfallsentstehung, Anfallsarten,<br />

Ursachen für epileptische Anfälle<br />

Diagnostik<br />

Vorstellung der wichtigsten Untersuchungsmethoden und diagnostischen Maßnahmen.<br />

Außerdem: Bedeutung einer genauen Anfallsbeschreibung sowie der Dokumentation<br />

von Anfällen und Untersuchungsergebnissen<br />

Therapie<br />

Erläuterung der vielfältigen Therapiemöglichkeiten, allgemeine Richtlinien der medikamentösen<br />

Therapie und ihre Umsetzung, Informationen zu den gängigsten Antiepileptika.<br />

Außerdem: Wie, wann und warum ist aktive Mitarbeit der Betroffenen notwendig?<br />

Wie können die Betroffenen ihre eigene Therapie am besten erklären?<br />

Selbstkontrolle<br />

Wie lässt sich das Auftreten epileptischer Anfälle beeinflussen oder gar verhindern?<br />

Vermeidung von Anfallsauslösern und Erkennen von Vorgefühlen, Möglichkeiten der<br />

Anfallsabwehr und Voraussetzung für eine erfolgreiche Selbstkontrolle.<br />

Prognose<br />

Der unterschiedliche Verlauf von Epilepsien, Abschätzen der Chancen auf Anfallsfreiheit<br />

(Behandlungsprognose) und der Aussichten, nach Absetzen der Medikamente anfallsfrei<br />

zu bleiben (Rezidiv Prognose). Besprechung der Situation von Menschen, bei<br />

denen sich völlige Anfallsfreiheit nicht erreichen lässt.<br />

Psychosoziale Aspekte<br />

Auswirkung von Epilepsien auf Lebensgefühl, Alltag und Beruf, Wege zur Stärkung des<br />

Selbstwertgefühles und zur Verbesserung der sozialen Kontakte, über die Möglichkeiten<br />

und Hilfen für Betroffene im Berufsleben und zur Rehabilitation.<br />

<strong>Heilberufe</strong> / Das Pflegemagazin 2013; 65 (10)<br />

57


PflegeKolleg<br />

Epilepsie<br />

Erkrankt ein Kind an<br />

Epilepsie, müssen<br />

sowohl das Kind als<br />

auch die Eltern lernen,<br />

den Alltag mit der<br />

Krankheit zu<br />

bewältigen.<br />

Kurs sollte darauf abgestimmt werden, dass er an vier<br />

Tagen oder an einem Wochenende durchgeführt werden<br />

kann. Das Elternprogramm wendet sich auch an<br />

Eltern, deren Kinder nicht parallel geschult werden<br />

können, weil sie zu jung sind oder eine Behinderung<br />

die Teilnahme an der Schulung nicht möglich macht.<br />

Patientenschulungen organisieren<br />

Da alle Kurse einen nicht unerheblichen Zeitraum<br />

umfassen, bildet die Zeitplanung eines der größten<br />

Probleme im Rahmen der Vorbereitung. Die Patienten<br />

werden stationär aufgenommen, was gerade bei den<br />

Kindern häufig zum Problem wird, denn sie sollen ja<br />

möglichst wenig in der Schule fehlen. Daher versuchen<br />

wir, den Kurs in die bei uns am Epilepsiezentrum<br />

sehr erfolgreich angebotene Komplexbehandlung zu<br />

integrieren. Auch beim PEPE-Kurs gibt es die Möglichkeit<br />

einer ambulanten Teilnahme.<br />

Die Schulungen richten sich vor allem an Patienten<br />

mit einer aktiven Epilepsie. Viele Probleme werden<br />

von den Kursteilnehmern im Vorfeld gar nicht wahrgenommen<br />

und ergeben sich erst in den Gesprächen<br />

während der Kursstunden. Die Aha-Erlebnisse sind<br />

oft sehr beeindruckend und viele Teilnehmer wirken<br />

nach den Kursen deutlich erleichterter, selbstsicherer<br />

und entspannter. Diese Erfahrungen werden an die<br />

Mitpatienten weitergegeben und wecken auch bei<br />

ihnen Interesse an einer Schulung. Alle Kursprogramme<br />

setzen eigentlich voraus, dass die Teilnehmer<br />

lesen und schreiben können. Viele unserer Patienten<br />

– ob im Mehrfachbehindertenbereich oder bei den<br />

Kindern – erfüllen diese Voraussetzungen nicht. Um<br />

ihnen dennoch die Teilnahme zu ermöglichen, wurden<br />

die Programme modifiziert. Kursinhalte werden<br />

vereinfacht dargestellt, es wird viel mit Anschauungsmaterial<br />

gearbeitet und im Famoses-Kurs wird vieles<br />

spielerisch vermittelt.<br />

Von der Schulung profitieren<br />

Obwohl sich die Teilnehmer gegenseitig unterstützen<br />

und jeder seine individuellen Fähigkeiten und Fertigkeiten<br />

einbringt, kommt es immer wieder vor, dass<br />

Teilnehmer Schwierigkeiten haben, den Kurs bis zum<br />

Ende mitzumachen. Hier ist es Aufgabe der Trainer,<br />

ihn zu motivieren durchzuhalten, vielleicht eine Kursstunde<br />

auszulassen und später wieder einzusteigen.<br />

In einzelnen Fällen muss man aber auch akzeptieren,<br />

dass der Kurs abgebrochen wird. Es kommt auch vor,<br />

dass Teilnehmer aufgrund einer Verschlechterung<br />

ihres Allgemeinzustandes oder wegen eines epileptischen<br />

Ereignisses nicht an einer Kursstunde teilnehmen<br />

können. In diesem Fall gibt es die Möglichkeit,<br />

den Inhalt im Schulungsmaterial nachzulesen<br />

oder es wird individuell nachgeschult.<br />

Der Erfolg der Schulungen lässt sich nur schwer<br />

messen. Anhand der im PEPE-Kurs abschließend<br />

durchgeführten Kursbeurteilung ist eine positive<br />

Tendenz in den Bereichen Selbstbewusstsein und<br />

Selbstständigkeit zu vermerken. In dem Bereich Wissen<br />

über Epilepsie ist es jedoch nur im geringen Maß<br />

objektivierbar. Auch die Kinder interessiert eher, dass<br />

sie trotz ihrer Erkrankung zur Klassenfahrt mitfahren<br />

können, bei Freunden übernachten dürfen und dass<br />

es viele andere gibt, die die gleiche Erkrankung haben.<br />

Aber wenn sich durch das veränderte Verhalten der<br />

Kursteilnehmer die Lebensqualität verbessert, sie<br />

nicht mehr so viel Angst haben, sich mehr zutrauen<br />

und dadurch auch die Angehörigen, Eltern und Betreuer<br />

entlastet werden, sind die Schulungen ein großer<br />

Erfolg.<br />

Angela Skuza<br />

Kinderkrankenschwester und PEPE-Trainerin<br />

a.skuza@keh-berlin.de<br />

famoses – die Kinder gehen auf eine Schiffsreise und<br />

lernen spielerisch, die Epilepsie besser zu bewältigen.<br />

Katrin Wiens<br />

Kinderkrankenschwester und famoses-<br />

Trainerin<br />

Königin-Elisabeth-Krankenhaus Herzberge,<br />

Herzbergstr. 79, 10365 Berlin<br />

k.wiens@keh-berlin.de<br />

© Bethel-Verlag, Bielefeld<br />

58<br />

<strong>Heilberufe</strong> / Das Pflegemagazin 2013; 65 (10)


Altersepilepsie<br />

Anfallsfrei leben – sicher leben<br />

Epilepsien stellen nach Schlaganfällen und demenziellen Erkrankungen die dritthäufigste<br />

neurologische Erkrankung im Alter dar. Neuerkrankungen treten heute bei älteren<br />

Menschen öfter auf als bei Kindern und Jugendlichen: Jede vierte neu diagnostizierte<br />

Epilepsie betrifft Menschen jenseits des 60. Lebensjahrs. Mit dem veränderten Patientenspektrum<br />

gehen auch Besonderheiten in Therapie und Pflege einher.<br />

© Klaus Rose<br />

DOI: 10.1007/s00058-013-1086-0<br />

Epilepsien erfordern in jedem Lebensalter meist<br />

eine dauerhafte antikonvulsive Therapie. Diese<br />

kann gerade bei älteren Patienten spezielle<br />

Probleme mit sich bringen, denn nicht nur physiologische<br />

Veränderungen im Alter, auch die bei älteren<br />

Patienten häufige Polymedikation erschweren<br />

die Behandlung.<br />

So ändert sich im Verlauf des Älterwerdens die<br />

Aufnahmefähigkeit des Magen-Darm-Kanals für die<br />

antiepileptische Medikation. Außerdem ist die Proteinsynthese<br />

reduziert und die Ausscheidung von<br />

Substanzen über die Niere (renale Ausscheidung)<br />

ebenfalls vermindert. Ältere Patienten können daher<br />

eine höhere, nicht gebundene Serumkonzentration<br />

von Antiepileptika aufweisen als aufgrund der totalen<br />

Serumkonzentration vermutet [1,2]. Daher müssen<br />

bei unklaren Intoxikationen auch nicht an Eiweiß<br />

gebundene Antiepileptika-Fraktionen gemessen werden.<br />

Des Weiteren ist häufig die pharmakodynamische<br />

Rezeptorempfindlichkeit für Antiepileptika<br />

erhöht, so dass häufiger Nebenwirkungen auftreten.<br />

Diese Besonderheiten im Vergleich zu jüngeren Patienten<br />

haben auch Konsequenzen für die Behandlung:<br />

So sollte bei der Einstellung des Patienten auf<br />

seine antiepileptische Medikation mit niedrigeren<br />

Dosierungen von Antikonvulsiva begonnen und auch<br />

die Dosiserhöhung langsam durchgeführt werden.<br />

Denn ältere Patienten können unter Umständen ihre<br />

Nebenwirkungen nicht so gut berichten wie jüngere<br />

Patienten und das Nebenwirkungsrisiko für Medikamente<br />

ist erhöht [3].<br />

Bezüglich des Antiepileptika-Einsatzes bei Altersepilepsien<br />

existieren nur relativ wenige kontrollierte<br />

Studien. Im Hinblick auf die Valproinsäure-Therapie<br />

werden 30–40 % niedrigere Dosen als bei jüngeren<br />

Patienten empfohlen [4,5,6,7]. Im Vergleich zu Carbamazepin<br />

Standardtabletten hatte Lamotrigin weniger<br />

Nebenwirkungen und eine höhere Beibehal-<br />

KEYWORDS<br />

Altersepilepsie<br />

Antiepileptika<br />

Antikonvulsiva<br />

Retentionsrate/<br />

Abbruchrate<br />

Nebenwirkungen<br />

Compliance<br />

<strong>Heilberufe</strong> / Das Pflegemagazin 2013; 65 (10)<br />

59


PflegeKolleg<br />

Epilepsie<br />

Ein Drittel der<br />

Patienten mit<br />

Altersepilepsie<br />

weist eine<br />

Polytherapie auf.<br />

Interaktionen sind hier<br />

daher gehäuft<br />

zu finden.<br />

FAZIT FÜR DIE PFLEGE<br />

tensrate (Retentionsrate). Carbamezepin retard-Medikationen<br />

wiesen weniger Nebenwirkungen und eine<br />

bessere Beibehaltensrate als nicht retardierte Carbamazepin-Tabletten<br />

auf [8]. Im Verlauf der Lamotrigin-Behandlung<br />

wurden 52 % der Patienten anfallsfrei,<br />

unter Carbamazepin retard 57 % in den letzten<br />

20 Behandlungswochen. Ein Behandlungsabbruch<br />

aufgrund von Nebenwirkungen erfolgte bei Lamotrigin-Behandlung<br />

in 14 % und bei Carbamazepin<br />

retard-Behandlung in 25 % der Fälle. Die Retentionsrate<br />

von Lamotrigin betrug 73 % und unter Carbamezepin<br />

retard-Behandlung 67 % [9].<br />

Im Rahmen eines Expertenratings Deutsch-Österreichisch-Schweizer<br />

Neurologen wurden 2007 auch<br />

Empfehlungen zur Behandlung von Altersepilepsien<br />

ausgesprochen: Demnach gelten Levetiracetam, Lamotrigin<br />

und Gabapentin als Medikamente der ersten<br />

Wahl, gefolgt von Topiramat und Valproat. Oxcarbazepin<br />

und Carbamazepin wurden bei Altersepilepsien<br />

weniger empfohlen, da hier in verstärktem Maße<br />

Hyponatriämien auftreten können sowie Reizleitungsstörungen<br />

des Herzens [10].<br />

Valproat wird vor allem bei generalisierten Epilepsien<br />

angewandt. Hierbei muss jedoch auch auf die<br />

Entwicklung einer Enzephalopathie, Tremor oder<br />

Nebenwirkungen durch Interaktion mit Antikoagulantien<br />

geachtet werden. Bei Anwendung von Gabapentin<br />

oder Pregabalin ist vor allem die Nierenfunktion<br />

zu berücksichtigen. Ist diese eingeschränkt,<br />

müssen diese renal auszuscheidenden Substanzen<br />

besonders vorsichtig und reduziert dosiert werden.<br />

In Anbetracht der gehäuft auftretenden Osteoporosen,<br />

Herzerkrankungen und Antikoagulations-Komedikation<br />

ist bei erhöhter Sturzgefahr, z.B. bei einem<br />

tonisch-klonischen Anfall, bereits u.U. nach einem<br />

Anfall die Indikation zur antikonvulsiven Einstellung<br />

gegeben [11,12]. Bei Komedikation mit Antidepressiva,<br />

Antipsychotika, Kalziumkanalblockern, Gerinnungshemmern<br />

sollte die Serumkonzentration der<br />

angewendeten Antiepileptika kontrolliert werden.<br />

Sedierende Substanzen wie Phenobarbital, welches<br />

▶▶Immer öfter treten Epilepsien heute erstmalig im Alter auf. Die Zahl der<br />

Neuerkrankungen ist mittlerweile höher als bei Kindern und Jugendlichen.<br />

Aufgrund von Begleiterkrankung und physiologischen Veränderungen<br />

müssen bei älteren Epileptikern verschiedene Therapiebesonderheiten<br />

berücksichtigt werden.<br />

▶▶Wichtig ist ein möglichst einfaches Behandlungsregime, das sich auch<br />

von alten Menschen mit kognitiven Einschränkungen umsetzen lässt.<br />

▶▶Häufig gestaltet sich die regelmäßige Antiepileptika-Einnahme bei alten<br />

Menschen schwierig. Daher sind therapieunterstützende Maßnahmen von<br />

Pflegekräften umso wichtiger. Dazu zählen Beratung, Erinnerungshilfen<br />

oder das Führen eines Anfallstagebuchs.<br />

Epilepsien im höheren Lebensalter<br />

▶▶Definition: Im engeren Sinne handelt es sich<br />

um Epilepsien, die sich nach dem 60. oder 65.<br />

Lebensjahr manifestieren. Im weiteren Sinne<br />

sind es auch Epilepsien, die in jüngerem Alter<br />

erstmals aufgetreten sind, aber bis ins höhere<br />

Lebensalter fortbestehen. Bei 50–70 % der<br />

Epilepsien im höheren Lebensalter handelt es<br />

sich um eine Erstmanifestation.<br />

▶▶Ursachen: Altersepilepsien entwickeln sich<br />

häufig in Folge eines durchlebten Schlaganfalls,<br />

aufgrund von Hirntumoren oder neurodegenerativen<br />

Erkrankungen. Vielfach lässt<br />

sich aber auch keine Ursache feststellen.<br />

▶▶Anfallsformen: Da häufig eine organische Ursache<br />

für das Anfallsleiden vorliegt („symptomatische<br />

Epilepsie“), handelt es sich bei Erstmanifestationen<br />

meist um (komplex)-fokale<br />

Anfälle, aus denen sich aber sekundär auch generalisierte<br />

Anfälle entwickeln können.<br />

▶▶Achtung: Verwirrtheitszustände bei alten<br />

Menschen können auch von einem nichtkonvulsiven<br />

Status epilepticus herrühren.<br />

(Quelle: Dt. Gesellschaft für Epileptologie e.V.)<br />

zudem stark mit anderen Medikamenten interagiert,<br />

sollten vermieden werden. Es gibt Hinweise dafür,<br />

dass Frakturen gehäuft unter Phenobarbital-Medikation<br />

auftreten.<br />

Ein Drittel der Patienten mit Altersepilepsien weisen<br />

eine Polytherapie, manchmal von zehn Substanzen<br />

auf. Hierbei sind natürlich Interaktionen, Sedierung<br />

und Nebenwirkungen gehäuft zu finden. Gangstörungen<br />

treten besonders unter Phenobarbital-,<br />

Phenytoin- und Carbamazepin-Behandlung auf.<br />

Auch bei Kombinationen mit trizyklischen Antidepressiva,<br />

Benzodiazepinen und anderen sedierenden<br />

Substanzen werden gehäuft Stürze und Verletzungen<br />

beobachtet. Weiterhin können sich die kognitiven<br />

Funktionen der Patienten verschlechtern [13,14,15].<br />

Therapie – möglichst einfach<br />

Bei vielen Patienten mit Altersepilepsien ist eine Monotherapie<br />

erfolgreich. Eine möglichst einfache Verabreichung<br />

der Medikation pro Tag hilft bei der<br />

Überwachung der regelmäßigen Tabletten-Einnahme.<br />

Als einfaches Therapieregime kann bei vielen älteren<br />

Patienten eine Valproat-Therapie als abendliche Einmalgabe<br />

und Lamotrigin als morgendliche Einmalgabe<br />

erfolgreich eingesetzt werden. Die Einnahmetreue<br />

ist gerade bei Epilepsien für den Erfolg der<br />

Langzeitbehandlung von großer Bedeutung. Besondere<br />

Schwierigkeiten im Hinblick auf eine regelmä-<br />

60<br />

<strong>Heilberufe</strong> / Das Pflegemagazin 2013; 65 (10)


ßige Medikamenteneinnahme ergeben sich bei älteren<br />

Patienten mit kognitiven Störungen, Sehproblemen<br />

oder Problemen mit der Feinmotorik, also beispielsweise<br />

Schwierigkeiten Medikamentenpackungen zu<br />

öffnen.<br />

Die Medikation sollte mit ausreichend Flüssigkeit<br />

oral verabreicht werden (z.B. 250 ml Wasser). Auf<br />

Schluckprobleme muss besonders geachtet werden .<br />

Schluckstörungen treten bei älteren Patienten in circa<br />

11 % auf und können neben Begleitsymptomen<br />

einer neurologischen Erkrankung auch durch die<br />

Einnahme von Psychopharmaka (trockener Mund)<br />

zustande kommen. Im Falle von Schluckstörungen<br />

können Minitabletten hilfreich sein. Diese sind nicht<br />

nur leichter zu schlucken (z.B. aufgelöst in Wasser),<br />

sondern haben auch eine ungestörtere Pyloruspassage,<br />

so dass ein Dumping Syndrom vermieden werden<br />

kann.<br />

Ältere Epileptiker betreuen<br />

Bei der Betreuung von Patienten mit Altersepilepsien<br />

ist das Führen eines Anfallskalenders unerlässlich.<br />

Wichtig sind Eintragungen zum Anfallstyp sowie zum<br />

zeitlichen Auftreten am Tag. Außerdem sollte – falls<br />

vorhanden – ein Familienmitglied zum Anfallsablauf<br />

und den Umständen des Auftretens befragt werden.<br />

Gab es bestimmte Auslösefaktoren? Anschließend<br />

sollten die Patienten gefragt werden, welcher Einnahmemodus<br />

für sie am leichtesten durchzuhalten ist.<br />

Weiterhin sollte über Erinnerungshilfen zur regelmäßigen<br />

Medikamenteneinnahme gesprochen werden.<br />

Das können Dosierungsbehälter sein, SMS,<br />

Klingeltöne o.ä.<br />

Nur zwei Drittel der Patienten mit Altersepilepsien<br />

erhalten eine hinreichende und gut verständliche<br />

Information im Hinblick auf die erforderliche Einnahmetreue.<br />

Daher ist es wichtig, sie auf die Zeit<br />

außerhalb des Krankenhauses mit den notwendigen<br />

täglichen Aktivitäten vorzubereiten und eine feste<br />

Anbindung an eine ambulante Versorgung zu gewährleisten.<br />

Reduzierte Mobilität, weite Entfernung<br />

zum nächsten ambulanten Arzt oder zur Apotheke<br />

müssen im Hinblick auf ein Altersepilepsie-Patientenmanagement<br />

erkannt und frühzeitig im Behandlungsplan<br />

berücksichtigt werden. Daher sind Verwandte,<br />

Hausarzt, Neurologe und speziell trainierte<br />

Pflegekräfte in das Behandlungsnetzwerk einzubeziehen<br />

[16,17].<br />

Prof. Dr. Hermann Stefan<br />

Universitätsklinikum Erlangen<br />

Neurologische Klinik<br />

Biomagnetismus – MEG<br />

Schwabachanlage 10, 91054 Erlangen<br />

hermann.stefan@uk-erlangen.de<br />

Literatur beim Verfasser<br />

Interview<br />

Fortbildung<br />

notwendig<br />

HEILBERUFE: Herr Prof.<br />

Stefan, immer häufiger<br />

begegnen Pflegekräfte<br />

Patienten mit einer Altersepilepsie. Sind sie<br />

ausreichend darauf vorbereitet?<br />

Stefan: Eher nicht, Pflegende in Krankenhäusern<br />

oder Pflegeeinrichtungen sollten vermehrt mit<br />

den Besonderheiten von Patienten mit Altersepilepsien<br />

vertraut gemacht werden. Dies betrifft<br />

nicht nur das Erkennen der Anfälle, beispielsweise<br />

in Form des nicht konvulsiven Sta tus, sondern auch<br />

Durchführung und Überwachung der Therapie.<br />

Was zeichnet denn Anfälle im Alter aus?<br />

Stefan: Epileptische Anfälle laufen bei alten Menschen<br />

eher als fluktuierende Bewusstseinsstörung<br />

ab – mit oder ohne Automatismen. Die sekundäre<br />

Generalisation zu tonisch-klonischen – also den<br />

„typischen“ epileptischen Anfällen – fehlt häufig.<br />

Zudem bestehen nach Anfällen häufig länger<br />

anhaltende kognitive Defizite, die sich als Gedächtnisstörung,<br />

Sprachstörungen oder auch in<br />

Form von Stimmungsschwankungen äußern.<br />

Und wie können Pflegende dann erkennen,<br />

dass es sich um einen Anfall handelt?<br />

Stefan: Das ist nicht einfach. Aber bei jeder unklaren<br />

Verwirrtheit, die nicht auf Exsikkose, Hypoglykämie,<br />

Elektrolytstörung oder Intoxikation<br />

zurückzuführen ist, sollten Pflegekräfte hellhörig<br />

werden und den Arzt verständigen. In diesen<br />

Fällen ist eine EEG-Ableitung angezeigt. Damit ist<br />

eine epileptiforme Aktivität nachweisbar, auch<br />

wenn sich das Anfallsgeschehen nicht zuordnen<br />

lässt.<br />

Was empfehlen Sie Pflegeeinrichtungen?<br />

Stefan: Zunächst sollten sie in ihren Fortbildungen<br />

Altersepilepsien einschließen. Hierzu<br />

gehören auch Video-Demonstrationen von epileptischen<br />

und nicht epileptischen Anfällen, die<br />

Dokumentation von Anfallskalendern, die einfach<br />

handbare Einnahme von Antiepileptika sowie<br />

sozialmedizinische Aspekte. Patienten mit Sturzanfällen<br />

benötigen einen Sturzhelm. Zudem<br />

sollte ein Patient mit epileptischen Anfällen ohne<br />

entsprechende Überwachung nicht im Einzelzimmer<br />

untergebracht werden.<br />

Das Interview führte Nicoletta Eckardt<br />

<strong>Heilberufe</strong> / Das Pflegemagazin 2013; 65 (10)<br />

61


PflegeKolleg Fragebogen<br />

Epilepsie<br />

(Es ist jeweils nur eine Antwort richtig.)<br />

ZERTIFIZIERTE<br />

F O R T B<br />

3<br />

Punkte<br />

I L D U N G<br />

Fernfortbildung<br />

zum Mitmachen<br />

Mit dem HEILBERUFE<br />

PflegeKolleg können sich<br />

alle Pflegekräfte unkompliziert<br />

fortbilden. Wenn<br />

Sie 9 der 10 Fragen richtig<br />

beantworten, erhalten Sie<br />

ein anerkanntes Zertifikat,<br />

das Ihnen 3 Punkte im<br />

Rahmen der Registrierung<br />

beruflich Pflegender<br />

(RbP – www.regbp.de)<br />

beim Deutschen Pflegerat<br />

(DPR) sichert.<br />

So nehmen Sie teil<br />

Am einfachsten füllen Sie<br />

den Fragebogen unter<br />

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online aus. Unmittelbar<br />

nach der Teilnahme erfahren<br />

Sie, ob Sie bestanden<br />

haben und können sich<br />

Ihr Zertifikat gleich ausdrucken.<br />

Per Post senden Sie den<br />

Fragebogen an:<br />

Springer Medizin<br />

Redaktion HEILBERUFE<br />

Heidelberger Platz 3<br />

14197 Berlin<br />

(Fax: 030 82787 5505)<br />

Die Online-Teilnahme ist<br />

für Abonnenten der Zeitschrift<br />

HEILBERUFE<br />

kostenlos; von Nicht-<br />

Abonnenten sowie bei<br />

postalischer Einsendung<br />

wird eine Bearbeitungsgebühr<br />

erhoben.<br />

Teilnahmeschluss<br />

ist der 31.01.2014<br />

1. Welches ist die wichtigste Maßnahme während<br />

eines epileptischen Anfalls?<br />

A Den Arzt zu rufen<br />

B Ein Notfallmedikament zu verabreichen<br />

C Ruhe zu bewahren<br />

2. Welche großen Gruppen der Epilepsiesyndrome<br />

werden unterschieden?<br />

A Idiopathisch generalisierte Epilepsien, fokale<br />

Epilepsien, unklassifizierte Epilepsien<br />

B Idiopathische Epilepsien, generalisierte Epilepsien,<br />

fokale Epilepsien<br />

C Generalisierte Epilepsien, fokale Epilepsien<br />

3. Welches ist die Behandlungsmethode der<br />

ersten Wahl bei einer Epilepsie?<br />

A Medikamente<br />

B Epilepsiechirurgie<br />

C Diät<br />

4. Wie bezeichnet man einen Anfall mit Verkrampfung<br />

ohne Zuckungen?<br />

A Myoklonischer Anfall<br />

B Klonischer Anfall<br />

C Tonischer Anfall<br />

5. Welche ist die geeignetste Maßnahme nach<br />

einem Grand mal?<br />

A Rückenlage<br />

B Bauchlage<br />

C Stabile Seitenlage<br />

6. Für welches Epilepsiesyndrom spricht eine<br />

Absence?<br />

A Idiopathisch generalisierte Epilepsie<br />

B Fokale Epilepsie<br />

C Unklassifizierte Epilepsie<br />

Name, Vorname<br />

Straße<br />

PLZ/Ort<br />

7. Wie wird Wissen in den vorgestellten Schulungsprogrammen<br />

vermittelt?<br />

A Frontale theoretische Wissensvermittlung<br />

B In Einzelsitzungen (Patient-Trainer)<br />

C Durch die aktive Auseinandersetzung mit dem<br />

Thema Epilepsie in Kleingruppen.<br />

8. Was ist das Hauptziel der hier vorgestellten<br />

Patientenschulungsprogramme bei Epilepsie?<br />

A Das Betreuungsteam besser kennenzulernen.<br />

B Neben der notwendigen Wissensvermittlung vor<br />

allem der Erwerb von Kompetenzen, die dem Patienten<br />

eine besser Alltagsbewältigung ermöglichen.<br />

C Andere Betroffene kennenzulernen.<br />

9. Wie werden Altersepilepsien behandelt?<br />

A Es gibt keine Unterschiede gegenüber der<br />

Behandlung von jüngeren Erwachsenen.<br />

B Epilepsien im Alter benötigen keine antiepileptische<br />

Therapie, weil die Krankheit milde verläuft.<br />

C Bei der Wahl der antiepileptischen Medikation<br />

müssen verstärkt Nebenwirkungen, Interaktionen<br />

und altersbedingte physiologische Veränderungen<br />

berücksichtigt werden.<br />

10. Was ist bei der Betreuung von Patienten<br />

mit Altersepilepsien unerlässlich?<br />

A Das Führen eines Anfallskalenders mit Eintragungen<br />

zum Anfallstyp, zum zeitlichen Auftreten<br />

am Tag sowie zum Anfallsablauf.<br />

B Die ständige Überwachung des Patienten.<br />

C Die Übernahme des Therapiemanagements<br />

durch die Pflegekraft.<br />

Ich bin Abonnent/in von HEILBERUFE und möchte gegen<br />

Gebühr (5 €/pro Zertifikat) postalisch teilnehmen.<br />

Ich habe kein HEILBERUFE Abo und möchte gegen Gebühr<br />

(7,50 €/ pro Zertifikat) postalisch teilnehmen.<br />

E-Mail<br />

Datum/Unterschrift<br />

62<br />

<strong>Heilberufe</strong> / Das Pflegemagazin 2013; 65 (10)

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