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Qualifizierte Nahversorgung im Lebensmitteleinzelhandel

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<strong>Qualifizierte</strong> <strong>Nahversorgung</strong> <strong>im</strong> <strong>Lebensmitteleinzelhandel</strong><br />

‐ Endbericht ‐<br />

Bis zur Novellierung der Baunutzungsverordnung 1977 waren großflächige Einzelhandelsansiedlungen<br />

außer in Kerngebieten (MK) auch in Sondergebieten (SO) ohne zusätzliche Prüfung möglich. Mit der<br />

Novellierung 1977 wurden zum ersten Mal die Versorgung der Bevölkerung <strong>im</strong> Einzugsbereich und die<br />

Entwicklung zentraler Versorgungsbereiche als schützenswert eingestuft. Die Vermutungsgrenze zur<br />

Großflächigkeit wurde zunächst auf über 1.500 m² und mit der Änderungsverordnung von 1986 auf über<br />

1.200 m² Geschossfläche festgesetzt. Seitdem müssen großflächige Einzelhandelsbetriebe in Sondergebieten<br />

(SO) u. a. darlegen, ob von der Ansiedlung Auswirkungen auf den Verkehr, auf die Versorgung der<br />

Bevölkerung <strong>im</strong> Einzugsbereich und die Entwicklung der zentralen Versorgungsbereiche (Zentren) zu<br />

erwarten sind (vgl. § 11 Abs. 3 BauNVO). Dafür muss in der Regel ein gesondertes (neutrales) Gutachten<br />

angefertigt oder eine begründete Bewertung und Abwägung durch die Genehmigungsbehörde vorgenommen<br />

werden. Die Rechtsprechung ist zunächst davon ausgegangen, dass bei einer Geschossfläche<br />

von 1.200 m² eine Verkaufsfläche von rd. 700 m² erreicht wird. 7 Mittlerweile wurde aufgrund der geänderten<br />

Flächenansprüche der Betreiber die Grenze zur Großflächigkeit durch mehrere Rechtsprechungen<br />

auf 800 m² Verkaufsfläche angehoben. 8 Dabei wird für großflächige Betriebe (unabhängig<br />

von der Betriebsform) angenommen, dass sie eine Versorgungsfunktion wahrnehmen, die deutlich über<br />

das direkte Wohnumfeld hinausgeht und somit die Entwicklung zentraler Versorgungsbereiche möglicherweise<br />

beeinträchtigen bzw. auf die Einzugsgebiete von bestehenden Lebensmittelmärkten einwirken.<br />

9 Sind Auswirkungen <strong>im</strong> Sinne des § 11 Abs. 3 BauNVO festzustellen, ist ein großflächiger Einzelhandelsbetrieb<br />

nur in einem Kern‐ (MK) oder Sondergebiet (SO) zulässig. 10<br />

Ergänzend hierzu hat das Bundesverwaltungsgericht mit Urteil vom 24. Nov. 2005 ausgeführt, dass Einzelhandelsbetriebe,<br />

die hauptsächlich der wohnortnahen Versorgung dienen, häufig nicht mehr allein<br />

anhand der Großflächigkeit (also der 800 m²‐Schwelle) best<strong>im</strong>mt werden können und deshalb dem<br />

Nachweis bzw. der Widerlegung von Auswirkungen <strong>im</strong> Sinne des § 11 Abs. 3 BauNVO eine erhöhte Bedeutung<br />

<strong>im</strong> Bebauungsplanverfahren und Abwägungsprozess zugewiesen. Danach ist entscheidend, ob<br />

sich neue Planvorhaben „nach Art, Lage oder Umfang auf die Verwirklichung der Ziele der Raumordnung<br />

und Landesplanung oder auf die städtebauliche Entwicklung und Ordnung nicht nur unwesentlich auswirken<br />

können.“ Unter Auswirkungen werden unter anderem Auswirkungen „auf die Versorgung der<br />

Bevölkerung <strong>im</strong> Einzugsgebiet“ und auf die „Entwicklung zentraler Versorgungsbereiche“ verstanden.<br />

Gängige Praxis ist, diese Auswirkungen anhand von zu erwartenden Umlenkungen der Kaufkraftströme,<br />

Umsatzumverteilung auf den Bestand oder Verkaufsflächenanteilen darzustellen und zu bewerten. 11<br />

7<br />

8<br />

9<br />

BVErwG, Urteil vom 22. Mai 1987 ‐ 4 C 19.85.<br />

BVerwG, Urteil vom 22. Juli 2004 ‐ 4 B 29.04., BVerwG, Urteil vom 24. November 2005 ‐ 4 C 10.04.<br />

BVerwG, Urteil vom 22. Mai 1987 ‐ 4 C 19.85<br />

10 BVerwG, Urteil vom 24. Nov. 2005 ‐ 4 C 10.04; siehe hierzu auch: Bundesministerium für Verkehr, Bau‐ und Wohnungswesen<br />

(BMVBW) (Hrsg.) (2002): Bericht der Arbeitsgruppe Strukturwandel <strong>im</strong> <strong>Lebensmitteleinzelhandel</strong> und § 11 Abs. 3 BauNVO.<br />

11 Ab wann von Auswirkungen <strong>im</strong> Sinne des § 11 Abs. 3 BauNVO bzw. von schädlichen Auswirkungen nach § 34 Abs. 3 BauGB<br />

auszugehen ist, wird <strong>im</strong>mer wieder kontrovers diskutiert. Aufbauend auf den Untersuchungen von Vogels, Karl‐Heinz; Holl,<br />

Stefan; Birk, Hans‐Jörg (1998) wurde <strong>im</strong> Zusammenhang zum § 11 Abs. 3 BauNVO <strong>im</strong>mer wieder die sog. 10 %‐Grenze der<br />

Umsatzumverteilung diskutiert, die besagt, dass die städtebauliche Funktion der Zentren gefährdet ist, sobald die bestehenden<br />

Einzelhandelsbetriebe 10 % Umsatzverluste hinzunehmen haben, so z. B. Acocella, Donato; Fürst, Urs C. (2002): 10 Prozent<br />

Umsatzumverteilung; Stadt und Handel (Hrsg.) (2007): 10% unter der Lupe; Kuschnerus, Ulrich (2007): Der standortgerechte<br />

Einzelhandel. S. 168‐171. Das BVerwG hat u. a. mit Urteil vom 17. Dez. 2009 ‐ 4 C 2.08 zu den schädlichen Auswirkungen<br />

<strong>im</strong> Sinne des § 34 Abs. 3 BauGB festgestellt, dass die Methode, anhand derer schädliche Auswirkungen zu bewerten<br />

sind, <strong>im</strong>mer auf den Einzelfall zu beziehen ist und deren Bewertung grundsätzlich dem Tatsachengericht obliegt.<br />

9

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