01.03.2014 Aufrufe

Qualifizierte Nahversorgung im Lebensmitteleinzelhandel

Qualifizierte Nahversorgung im Lebensmitteleinzelhandel

Qualifizierte Nahversorgung im Lebensmitteleinzelhandel

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

<strong>Qualifizierte</strong> <strong>Nahversorgung</strong> <strong>im</strong> <strong>Lebensmitteleinzelhandel</strong><br />

‐ Endbericht ‐<br />

Ob die Vermutung zu den anzunehmenden Auswirkungen widerlegt werden kann, hängt laut Bundesverwaltungsgericht<br />

entscheidend davon ab, ob der geplante Lebensmittelmarkt über den Nahbereich<br />

hinaus wirkt und in weiter entfernt liegenden Wohngebieten die Gefahr besteht, dass wohnortnahe<br />

Betriebe schließen müssen. 12 Hiermit berücksichtigt das Gericht, dass zum Beispiel ein Lebensmitteldiscounter<br />

mit einer Verkaufsfläche von rd. 800 m² <strong>im</strong> städtischen Kontext vermutlich (fast ausschließlich)<br />

eine <strong>Nahversorgung</strong>sfunktion für die angrenzenden Wohngebiete besitzt, während <strong>im</strong> ländlichen Raum<br />

der Einzugsbereich eines vergleichbaren Marktes wesentlich größer sein dürfte. 13 Somit ist grundsätzlich<br />

möglich, von den pauschalen Festsetzungen zur Großflächigkeit (Vermutungsgrenze) abzuweichen, es ist<br />

dafür allerdings eine Prüfung und/oder Beurteilung notwendig, dass städtebauliche Auswirkungen durch<br />

das Planvorhaben auch unterhalb der vermuteten Grenze zur Großflächigkeit anzunehmen sind oder<br />

umgekehrt oberhalb dieser Grenze nicht anzunehmen sind (atypischer Einzelfall). Die Beweislast der<br />

sog. Atypik oberhalb der 800 m²‐Schwelle liegt be<strong>im</strong> Investor oder Projektentwickler. Bei Ansiedlungsvorhaben<br />

bis 800 m² Verkaufsfläche liegt die Beweislast der Atypik, d. h. dass negative Auswirkungen<br />

anzunehmen sind, hingegen bei der Genehmigungsbehörde. 14 Nach Kuschnerus (2007, S. 53) ist bei der<br />

Bewertung von Lebensmittelmärkten nach § 11 Abs. BauNVO eine „differenzierende Betrachtung“ notwendig.<br />

In diesem Zusammenhang betont er hinsichtlich der praktischen Anwendung der Vermutungsregel<br />

die städtebaulich integrierte Lage als Beurteilungskriterium. 15<br />

Bis zur Novellierung des BauGB 2004 war es für klein‐ und großflächige Einzelhandelsbetriebe zusätzlich<br />

möglich, sich <strong>im</strong> unbeplanten Innenbereich (sog. § 34‐Gebiete) anzusiedeln, sofern sie sich in die nähere<br />

Umgebung einfügen. Das war in der Regel (an Ausfallstraßen) neben z. B. einem Baumarkt, Autohaus<br />

oder einem größeren gewerblichen Betrieb der Fall. Hiervon profitierten vor allem Lebensmitteldiscounter,<br />

deren Flächenanforderungen <strong>im</strong> Vergleich zu den Supermärkten deutlich geringer sind. Seit der Novellierung<br />

des BauGB 2004 muss jedoch für Ansiedlungen <strong>im</strong> unbeplanten Innenbereich zusätzlich nachgewiesen<br />

werden, dass „keine schädlichen Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche in der Gemeinde<br />

oder in anderen Gemeinden zu erwarten [sind]“ (vgl. § 34 Abs. 3 BauGB). Dies gilt unabhängig<br />

davon, ob es sich um klein‐ oder großflächige Betriebe handelt. 16<br />

Mit den Novellierungen des BauGB <strong>im</strong> Jahr 2007 wurden die kommunalen Regelungsmöglichkeiten noch<br />

einmal ausgeweitet. Gestärkt wurde vor allem die Erhaltung und Entwicklung der Zentren (zentrale Versorgungsbereiche)<br />

und die Bedeutung städtebaulicher Entwicklungskonzepte, zum Beispiel kommunale<br />

Einzelhandelskonzepte (vgl. § 1 Abs. 6, Nr. 11 BauGB). Darüber hinaus wurden die Festsetzungsmöglichkeiten<br />

in sog. § 34‐Gebieten (unbeplanter Innenbereich) gestärkt (vgl. § 9 Abs. 2a BauGB).<br />

Trotz dieser Ergänzungen und Novellierungen in den letzten Jahren sehen sich viele Betreiber und Entwickler<br />

von Supermärkten durch die Regelungen des § 11 Abs. 3 BauNVO zur Großflächigkeit benachteiligt,<br />

da in der Regel davon auszugehen ist, dass neue Supermärkte (<strong>im</strong> Gegensatz zu Discountern) grundsätzlich<br />

erst ab einer Verkaufsfläche zwischen 1.200 und 1.500 m² wirtschaftlich erfolgreich betrieben<br />

12 BVerwG, Beschluss vom 24. Nov. 2005 ‐ 4 C 10.04; siehe hierzu auch: Bundesministerium für Verkehr, Bau‐ und Wohnungswesen<br />

(BMVBW) (Hrsg.) (2002): Bericht der Arbeitsgruppe Strukturwandel <strong>im</strong> <strong>Lebensmitteleinzelhandel</strong> und § 11 Abs. 3<br />

BauNVO.<br />

13 vgl. hierzu auch: Bunzel, Arno et al. (2009): Erhaltung und Entwicklung zentraler Versorgungsbereiche. S. 21f.<br />

14 vgl. Kuschnerus, Ulrich (2007): Der Standortgerechte Einzelhandel. S. 52f.<br />

15 vgl. Bau‐ und Wohnungswesen (BMVBW) (Hrsg.) (2002): Bericht der Arbeitsgruppe Strukturwandel <strong>im</strong> <strong>Lebensmitteleinzelhandel</strong><br />

und § 11 Abs. 3 BauNVO. S. 3.<br />

16 BVerwG, Urteil vom 17. Dez. 2009 – 4 C 2.08.<br />

10

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!