Programmheft ansehen - Gürzenich-Orchester Köln
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siegelbewahrer Beethovens« hat Liszt ihn apostrophiert. Und in<br />
seiner Wirkungsstätte Weimar veranstaltete Liszt 1852, 1855 und<br />
1856 umfangreiche Berlioz-Wochen, bei denen nahezu alle seine<br />
wichtigen Werke zur Aufführung kamen. In der Goethe-Stadt fühlte<br />
sich der in seiner französischen Heimat oft als lärmender Großorchestrator<br />
karikierte Komponist angekommen. Und so bedankte<br />
er sich 1856 auch bei Weimarer Sängern und Sängerinnen für<br />
ihr Engagement, indem er ihnen den Großteil der orchestrierten<br />
Lieder seines Zyklus »Les nuits d’été« op. 7 widmete. Schon<br />
1840 hatte sich Berlioz an die Vertonung der sechs Gedichte<br />
Théophile Gautiers gesetzt. Im Juni 1841 war sodann der Liederreigen<br />
komplett, mit dem ihm ein Pionierwerk auf dem Gebiet des<br />
französischen Kunstliedes gelungen war. Ursprünglich sind die<br />
»Sommernächte« (der Titel stammt vom Komponisten) für Klavier<br />
und Mezzosopran bzw. Tenor geschrieben. Und kaum waren sie<br />
gedruckt, nahm selbst die in Leipzig erscheinende »Allgemeine<br />
musikalische Zeitung« von ihnen Notiz: »Von Berlioz sind sechs<br />
Lieder erschienen, doch sind sie mehr Balladen als etwas Anderes.<br />
›Journal des Debats‹ und die ›Gazette musicale‹ sind ganz entzückt<br />
davon, und finden den Großen auch im Kleinen groß. Wir<br />
wollen wünschen, dass dieses Urteil überall sich gleich bleibt.«<br />
Dass diese sich um die Liebe und ihre Vergänglichkeit drehenden<br />
»Les nuits d’été« aber entscheidende Impulse für das <strong>Orchester</strong>lied<br />
eines Wagner, Mahler oder Strauss liefern sollten, verdankt<br />
sich den Orchestrierungskünsten des feinsinnigen Melodikers<br />
Berlioz. Schon 1843 hatte er das Lied »Absence« für seine spätere,<br />
zweite Frau Marie Recio neu eingerichtet – wenngleich sie<br />
sang »wie eine Katze« (Berlioz). Mitte der 1850er Jahre instrumentierte<br />
er die restlichen fünf Lieder.<br />
Das erste Lied »Villanelle« kommt mit volksliedhafter Subtilität<br />
daher und besingt unbeschwert den Frühling und die Freuden der<br />
Liebe. Dieses Glück währt jedoch nur kurz. Das ins Halbdunkel<br />
getauchte und von sanften Melismen beseelte »Le Spectre de la<br />
rose« ist eine Traumszene, in der sich eine Frau der verstorbenen<br />
Liebe erinnert. Ähnlich schicksalstrunken ist auch das Lamento<br />
»Sur les lagunes« aufgeladen. Und noch düsterer, wehmütiger,<br />
flehender geben sich »Absence« sowie das fürs <strong>Orchester</strong> im<br />
Pianissimo-Bereich äußerst nuanciert gestaltete »Au cimetière –<br />
Clair de lune«. Mit dem eher heiter gehaltenen »L’île inconnue«<br />
scheint der Zyklus doch noch auf ein Happy End zuzusteuern. Aber<br />
gegen Ende muss der Liebende erkennen, dass es für ihn und seine<br />
Angebetete jene Insel nicht gibt, auf der die Liebe ewig währt.