<strong>Greenpeace</strong>-Aktivisten behindern den Bau der Anlage EPR <strong>im</strong> nordfranzösischen Flamanville, die von den unternehmern <strong>als</strong> sicher gepriesen wird: «Der grosse Bluff» steht auf dem Transparent. © Pierre GLEIZES / <strong>Greenpeace</strong>
schulen gestählten Machtbestien in Verwaltung und Wirtschaft durchaus gewachsen. Ihre nicht minder elegante und kluge Politbe raterin Karine Gavand bestätigt den Eindruck, dass <strong>Greenpeace</strong> Frankreich <strong>als</strong> David gegen Goliath die Steinschleuder <strong>im</strong>mer treffsicherer einzusetzen weiss. Auf die Frage, ob <strong>Greenpeace</strong> denn überhaupt Zugang zu wichtigen Politikern hat, entgegnet Gavand lapidar: «Heute Nachmittag sind wir be<strong>im</strong> Premierminister.» Bis Frankreich die Energiewende wirklich in Angriff n<strong>im</strong>mt, wird das grüne Lager noch viel, sehr viel Arbeit leisten müssen. Daran ändert auch nichts, dass die Grüne Partei in der Regierung sitzt: «Es ist seither nur schl<strong>im</strong>mer geworden», sagt Majnoni: «Wir haben eine St<strong>im</strong>me verloren.» – «Immerhin», sagt ihre Kollegin, «hat sich mit Hollande zum ersten Mal überhaupt ein französischer Präsident zu einer Reduktion der Kernenergie verpflichtet. Aber wir machen uns wenig Illusionen.» Wie wendig François Hollande seine energie politischen Pirouetten dreht, zeigt auch die Art, wie er am Vorabend der Wahlen 2012 mit den Grünen umgesprungen ist. Die Sozialisten hatten <strong>im</strong> Herbst 2011 in zähen Verhandlungen der Ökopartei erhebliche Zugeständnisse gemacht, um sich ihre Unterstützung zu sichern. Vereinbart wurde – <strong>im</strong> Fall eines Wahlsiegs – die Reduktion des Anteils der Kernenergie von 75 auf 50 Prozent bis 2025, was unter anderem die Schliessung von 24 der 58 Reaktoren bedeuten würde. Gerade einmal drei Wochen nach der Unterzeichnung des Pakts mit den Grünen kündigte Hollande an, dass er ihn nicht respektieren werde. Die einst hoffnungsvolle Frage, ob Hollande sich gegen den nuklearen Machtblock würde behaupten können, stellt sich gar nicht mehr. Der Präsident, Abkömmling gleich dreier Elite schulen, ist selbst ein Nukleokrat. Heute tut er sich sogar schwer damit, die Zeitbombe Fessenhe<strong>im</strong> zu schliessen. Hollande spielt eine gefährliche Partie. Magazin <strong>Greenpeace</strong> Nr. 3 — 2013 Kernenergie 32 — IV — Da s Unvermeidliche Der Herrscher <strong>im</strong> Élyséepalast setzt nicht nur sein Land und dessen Nachbarn den nicht kalkulierbaren Risiken der Atomenergie aus. Im Fall einer Wiederwahl 2017 würde er die nukleare Frage erst recht lösen müssen – und zwar um so dringender, nachdem er für die Energiewende so viel kostbare Zeit vertan hat. Der französischen Energiewirtschaft steht das Wasser nämlich bis zum H<strong>als</strong>. «Achtzig Prozent des Nuklearparks», sagt Sophia Majnoni, «wurden innerhalb der zehn Jahre um 1980 gebaut. Sie erreichen demnächst alle das Ende ihrer geplanten Laufzeit. Und die Reaktoren sind alle vom selben Bautyp. Würde man bei einem einzigen einen strukturellen Fehler entdecken, müssten wir alle abstellen. Dann droht tatsächlich ein Black-out.» Fukush<strong>im</strong>a hat gezeigt, wie schnell so etwas gehen, wie gross ein solches Klumpen risiko sein kann. Seit Fukush<strong>im</strong>a hat sich das kritische Lager jedoch verstärkt. Nicht nur <strong>Greenpeace</strong> gewinnt an Einfluss. Es gibt nun auch kompetente Journa listen auf dem Gebiet. Die Informationsmauern der Nukleokraten bröckeln. Die Nuklearsicherheitsbehörde ASN (bei uns: Ensi) frisst EDF und Areva nicht mehr völlig aus der Hand. Die Kosten der Atomenergie steigen und nagen an der Geldmacht der Energiekonzerne – und an ihrer Grosszügigkeit: Die lange mitverdienenden Gewerkschaften murren, weil der Rubel nicht mehr rollt. Grüne Technologien und die Konkurrenz durch <strong>im</strong>mer günstigeren Ökostrom aus dem Ausland bedrohen die hiesige Industrie. Auf lokaler Ebene haben die Bürgermeister nach Fukush<strong>im</strong>a begriffen, dass sie bei einem Unfall völlig hilflos wären. Zwei Drittel der Franzosen leben in einem Umkreis von 75 oder weniger Kilometern von einem AKW entfernt. Bloss hat sich die Debatte in Frankreich leider <strong>im</strong>mer nur um die Risiken gedreht. Lösungen <strong>im</strong> Sinn der Energiewende sind <strong>im</strong> Hochtechnologie- und Pionierland kaum ent wickelt worden. Und nun soll bis 2014 ein neues Energiegesetz erarbeitet werden. 2015 beherbergt Frankreich die Kl<strong>im</strong>akonferenz COP und wird