Lesen - Golf Dornseif
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Germanophile Kollaborateure des Dritten Reichs<br />
von <strong>Golf</strong> <strong>Dornseif</strong><br />
Am 16. Juli 1941 verkündete Adolf Hitler in einer Ansprache rechthaberisch: “Niemals<br />
darf erlaubt werden, dass ein anderer als der Deutsche Waffen trägt!“ Einige Jahre<br />
später (Wehrmachtbericht vom 11. März 1944) konnte man im Reichsrundfunk<br />
vernehmen: “Durchbruchsversuche scheiterten am hartnäckigen Widerstand lettischer<br />
und estnischer Freiwilligenverbände ...“<br />
Der rassisch-chauvinistische Absolutheitsanspruch des Führers sollte nicht lange<br />
Bestand haben. “Germanische Kollaborateure“ vieler Völker waren plötzlich<br />
hochwillkommen, sogar die bisherigen “russischen Untermenschen“ nach deren<br />
Sinneswandel.<br />
Wehrmacht und Waffen-SS glänzten mit prominenten Namen von Überläufern: Der Sohn<br />
des norwegischen Nobelpreisträgers Knut Hamsun diente ab Januar 1943 bei der<br />
Waffen-SS, ebenso der Sprössling des isländischen Staatspräsidenten Björnsson. John<br />
Amery, Nachkomme des damaligen britischen Kolonialministers, plante den Aufbau des<br />
britischen Freiwilligen-Verbandes LEGION OF SAINT GEORGE.<br />
Alle miteinander wollten den Kommunismus auslöschen und Stalin einen Kopf kürzer<br />
machen. Siegestrunken erwog das SS-Hauptamt schliesslich 1944 in seltenem<br />
Grossmut, einen Europa-Pass für ausländische Freiwillige einzuführen mit allerlei<br />
Privilegien!<br />
Insgesamt leisteten mindestens 1,5 Millionen Ausländer dem Deutschen Reich<br />
Schützenhilfe, von denen 250.000 ihr Leben opferten. Welche Rolle dabei die<br />
germanophilen Kollaborateure der Westvölker spielten, soll hier geschildert werden, denn<br />
es waren “rassisch einwandfreie Elemente“ im Geist der NSDAP.<br />
Französische Freiwillige der Wehrmacht (LVF) in Pommern<br />
1
Am 26. April 1942 äusserte Reichspropaganda-Minister Dr. Joseph Goebbels mit diplomatischer<br />
Zunge: “Das Gerede von Kollaboration ist nur für den Augenblick gedacht“. Er wollte die<br />
ausländischen Freiwilligen unbedingt bei guter Laune halten und sie nicht ins Zwielicht geraten lassen<br />
als “mutmassliche Verräter“ oder dergleichen.<br />
Historiker unterscheiden inzwischen ökonomische, administrative, politisch-ideologische und<br />
militärische Kollaboration in der Auslegung des Begriffs mit Überschneidungen von Fall zu Fall.<br />
Ebenso ist die Rede von neutraler, taktischer, bedingter und bedingungsloser Kollaboration.<br />
Aufschlussreich erscheinen zum Beispiel folgende Modelle von Kollaboration während des Zweiten<br />
Weltkriegs: Anti-imperialistische und antikolonialistische Zielsetzungen (Grossmufti von Jerusalem,<br />
Irakischer Ministerpräsident Rashid Ali al-Galiani, Indischer Freiheitskämpfer Subhas Chandra Bose<br />
und andere mehr).<br />
Faschistische und nationalsozialistische Ideen zur Neuordnung Europas in einem “Germanischen<br />
Staatenbund“ faszinierten etwa den Norweger Quisling, den Niederländer Mussert, den Wallonen<br />
Degrelle sowie die Franzosen Deat und Doriot. Ein Teil der Tragik jener europäischen Kollaborateure<br />
lag darin, dass sie von der deutschen Führung nicht als echte Partner anerkannt wurden, sondern nur<br />
als Befehlsempfänger von Hitlers Gnaden.<br />
Plakatgestaltung des<br />
Reichskommisariats<br />
Westland in Den Haag:<br />
Man sucht Freiwillige für<br />
die SS-Standarte<br />
Westland im Kampf<br />
gegen die Bolschewisten.<br />
2
Marschall Petain beklagte sich bitter im nicht besetzten Rumpf-Frankreich: “Colloboration? Mir wird<br />
alle paar Tage ein Ultimatum zugestellt, und dann und wann bekomme ich ein mageres Trinkgeld in<br />
die Hand gedrückt!“<br />
Zuletzt machte sich Weltuntergangsstimmung breit, So berichtete der Franzose Pierre Rostaing,<br />
Hauptscharführer der Division CHARLEMAGNE, über seine Kompanie, die sich im April 1945 freiwillig<br />
zur Verteidigung Berlins bereit erklärte: “Wir sind keine Deutschen und keine Franzosen mehr. Wir<br />
sind das letzte Karree eines Europas, das sich zu sterben anschickt ...“<br />
Was erwartete die Kollaborateure nach der Kapitulation des Dritten Reichs? Vielfach Hinrichtungen,<br />
langjährige Haftstrafen, Ächtung und Feme-Mord aus blinder Rachsucht, sei es im Westen oder im<br />
Osten, im Norden oder Süden.<br />
Niederländischer Grössenwahn auf Abwegen<br />
Die “Nationalsozialistische Bewegung der Niederlande“ unter Führung von Adriaan Mussert, bereits<br />
1931 in Utrecht gegründet, propagierte ein “Gross-Niederländisches Reich mit 14 Millionen<br />
Niederländern und Flamen, einschliesslich Belgisch-Kongo, aller niederländischen Kolonien und<br />
Südafrika“. Sogar die Nazis reagierten verblüfft angesichts derartiger Masslosigkeit!<br />
Mussert träumte dabei von einer EUROPA UNION gleichberechtigter Völker im nationalsozialistischen<br />
Fahrwasser, von einem “Germanischen Staatenbund“, durch Deutschland angeführt, aber nicht<br />
dominiert. In Berlin schnappte man nach Luft ...<br />
Ab Juli 1940 erhielten niederländische Polizisten eine Spezialausbildung unter Aufsicht erfahrener SS-<br />
Offiziere, die auch Freiwillige anwarben. Ihre wichtigste Aufgabe: Verhaftungen und Abtransport von<br />
verborgenen Juden, Bekämpfung der Résistance Zellen im Land. Im Mai 1940 ordnete Hitler die<br />
Aufstellung der SS-Standarte Westland an, die im Februar 1941 schon 600 niederländische Freiwillige<br />
zählte. 1942 formierte sich die GERMAANSCHE SS EN NEDERLAND unter J.H. Feldmeijer und<br />
wuchs bald auf 4.000 Angehörige.<br />
Niederländische Waffen-SS beim Appell in Den Haag<br />
3
Mussert musste ohnmächtig zuschauen, wie ihm die Führung aus den Händen glitt und andere in<br />
Schlüsselpositionen aufrückten. Alsbald wurde die STANDARTE WESTLAND in die DIVISION<br />
WIKING eingegliedert. Damit nicht genug, liess Reichsführer SS und Chef der Deutschen Polizei,<br />
Heinrich Himmler, eine FREIWILLIGEN-STANDARTE NORDWEST aus Flamen und Niederländern<br />
aufbauen.<br />
Der Drill fand in Hamburg-Langenhorn statt mit harten deutschen Unteroffizieren, die ihre<br />
Geringschätzung gegenüber den neuen Kriegskameraden nicht verhehlten und sie “Versager“<br />
titulierten, weil ihre Heimat innerhalb weniger Tage von der Wehrmacht überrollt werden konnte.<br />
NORDWEST verfügte Ende August 1941 über 1.400 niederländische, 805 flämische und 108<br />
dänische Freiwillige, wurde jedoch bald neu aufgeteilt in eine niederländische und flämische Legion<br />
mit 821 Holländern. Die Bezeichnung NORDWEST übernahm das in Den Haag stationierte SS-<br />
Wachbataillon mit vier Kompanien zur Bewachung niederländischer Konzentrationslager.<br />
Im Juni 1941 meldete der Vertreter des Auswärtigen Amtes beim Reichskommissar nach Berlin, die<br />
NSB sowie NSNAP unter Ritter von Rappard hätten bisher 4.000 Männer für die Waffen-SS und 4.000<br />
Männer für das NSKK gestellt. Die Organisationen der Freiwilligen “verschachtelten“ sich Immer mehr<br />
aus eifersüchtigen Konkurrenz-Überlegungen.<br />
Schliesslich hob man eine FREIWILLIGE LEGION NIEDERLANDE aus der Taufe zum Einsatz gegen<br />
die Sowjetunion. Diesmal ging es nicht um Gliederungen der Waffen-SS (wie bisher), sondern um<br />
“eine Truppe unter nationaler Führung“, die nicht das Recht hatte, Kragenspiegel mit den SS-Runen<br />
zu tragen. Rechtsextreme Kreise reagierten voller Begeisterung und glaubten an eine<br />
“Unabhängigkeitsbewegung“ auf lange Sicht.<br />
Anfang 1942 umfasste die Legion etwa 3.000 Männer, darunter 2.200 Niederländer. 28 Offiziere und<br />
Unteroffiziere sorgten für Disziplin. Bis zum September 1942 musste aber ein Viertel der Freiwilligen<br />
ausgetauscht werden von insgesamt 9.600 Soldaten “wegen Reibereien zwischen vorgesetzten<br />
Deutschen und starrköpfigen Holländern“.<br />
Gerardus Mooyman war der<br />
erste niederländische<br />
Freiwillige in SS-Uniform,<br />
dem wegen hervorragender<br />
Tapferkeit das Ritterkreuz<br />
verliehen wurde.<br />
4
Im Januar 1942 erfolgte an der Wolchow Front die erste Feindberührung. Bis zum März verzeichnete<br />
die schlecht ausgebildete Truppe 80 Prozent Verluste, blieb jedoch bis April 1943 durch<br />
Verstärkungen an der Nordfront verankert. Das deutsche Oberkommando entschloss sich schweren<br />
Herzens, einen Monat später in Grafenwöhr die Legion aufzulösen und den Restbestand anderen<br />
Einheiten zuzuteilen.<br />
Niemals um Neugründungen verlegen, kam die Vierte SS-Freiwilligen-Panzergrenadier-Brigade<br />
Nederland zustande, in der sowohl Niederländer als auch volksdeutsche Rumänen ihre Muskeln<br />
spielen lassen sollten: eine etwas abenteuerliche Mixtur!<br />
In den Niederlanden häuften sich mittlerweile die innenpolitischen Spannungen ab 1944.<br />
Kollaborateure und Widerstandsvertreter, gemässigte Mussert-Anhänger, zersplitterte Opportunisten<br />
und Profiteure verfolgten ihre eigenen Ziele und gingen einander an die Gurgel. Im Februar 1943<br />
ermordeten unbekannte Täter General Seyffardt, Ehrenkommandeur der Legion Nederland. Zwischen<br />
Februar und September 1943 starben 40 NSB-Parteigenossen unter den Pistolenschüssen von<br />
Attentätern. 1944 mussten sogar 300 niederländische Kollaborateure ihr Leben lassen, mutmasslich<br />
von “Widerständlern“ ins Jenseits befördert “wegen Landesverrat“.<br />
Vergeblich bemühte sich die SS um Aufklärung der Zusammenhänge mit Hilfe des<br />
Sonderkommandos Feldmeijer: Im Zug der “Aktion Silberdistel“ wurden 50 Résistance Aktivisten<br />
liquidiert.<br />
Die folgende Übersicht veranschaulicht im einzelnen, welche Leistungen die freiwilligen Niederländer<br />
zugunsten des Deutschen Reiches in verschiedenen Formationen erbrachten:<br />
Polizei 18.000<br />
Waffen-SS 25.000<br />
Germanische SS-NL 4.000<br />
Germanischer Sturmbann 7.000<br />
(Niederländer in<br />
Deutschland ansässig)<br />
Im deutschen Heer 800<br />
In deutscher Marine 1.500<br />
NSKK-Kraftfahrer 9.000<br />
OT-Schutzkommandos<br />
mit TENO, SS-Postschutz<br />
usw. 10.000<br />
(OT = Organisation Todt,Bauarbeiter)<br />
(TENO = Technische Nothilfe)<br />
Februar 1942 Selo Gora:<br />
Niederländische Freiwillige<br />
wurden mit dem Eisernen<br />
Kreuz ausgezeichnet in<br />
ihrem Winterquartier.<br />
5
Im Herbst 1944 kämpften drei LANDSTORM Bataillone gegen britische und kanadische<br />
Invasionstruppen. Die BRIGADE NEDERLAND verlor vom Januar bis April 1944 an der Ostfront fast<br />
4.000 Tote, Verwundete und Vermisste. Erfüllt von Galgenhumor sangen die niederländischen<br />
Freiwilligen in deutscher Sprache:<br />
Auf dem Weg nach Narwa,da steht ein Bataillon<br />
das sind die letzten Reste von NEDERLANDS DIVISION.<br />
Sie mochten so gerne Moskau sehen,<br />
doch mussten dann alle stiften gehen:<br />
wie einst Napoleon!<br />
Rottenführer Derk Elsko Bruins erledigte mit drei Sturmgeschützen acht sowjetrussische Panzer und<br />
wurde im September 1944 mit dem Ritterkreuz ausgezeichnet.<br />
Im November 1944 entstand aus dem LANDSTORM NEDERLAND die SS-Freiwilligen-Grenadier-<br />
Brigade gleichen Namens , vereinigt mit dem SS-Wachbataillon Nordwest. Im Winter 1944/1945<br />
starben in der sogenannten “Festung Holland“ etwa 18.000 Niederländer an Unterernährung und<br />
Krankheiten.<br />
Als im April 1945 auch die Landwehr zum Fronteinsatz herangezogen werdet sollte, meuterten einige<br />
hundert Waffenträger. Sie wurden kurze Zeit im Konzentrationslager Amersfoort eingesperrt. Zum 8.<br />
Mai 1945 zogen die Niederländer nach der deutschen Kapitulation Bilanz: Rund 10.000 Freiwillige<br />
waren auf deutscher Seite gefallen.<br />
Wie in Frankreich,Belgien und anderen einst besetzten Gebieten folgte alsbald ein Feldzug der Rache<br />
an den Kollaborateuren. Fast jeder 70. Holländer geriet in Haft und 106 Internierungslager füllten sich<br />
im Handumdrehen. Grausamkeiten wie zuvor in deutschen KZ-Einrichtungen waren alltäglich.<br />
Deutsch-Niederländische Polizei mit Radpanzer bei Paraden<br />
6
Entgegen allen Regelungen des Völkerrechts führte die neue niederländische Regierung<br />
Straftatbestände rückwirkend ein und beauftragte Sondergerichte mit “Aufräumungsaktionen“ ohne<br />
Pardon. Bis Ende 1948 fällten solche Einrichtungen nahezu 50.000 Urteile. 28.151 Kollaborateure<br />
erhielten bis zu fünf Jahre Gefängnisstrafen. 1.303 mal wurden Haftstrafen zwischen 5 und 10 Jahren<br />
verhängt. 531 Personen mussten 10 Jahre hinter Gittern verbringen.<br />
Den Freiwilligen im Militärdienst drohten durchschnittlich Haftstrafen zwischen vier und acht Jahren.<br />
Ein niederländischer Psychologe befragte in den Internierungslagern zahlreiche ehemalige Freiwillige<br />
nach ihrer ursprünglichen Motivation. Dr. A.F.G. van Hoesel ermittelte dabei im einzelnen:<br />
Flucht vor der Polizei (wegen Straftaten)<br />
Abenteuerlust<br />
Liebe zum Beruf (Pilot,Techniker)<br />
Politischer Idealismus<br />
Wunsch nach spannender Abwechslung<br />
Keine klaren Antworten<br />
4 Prozent<br />
15 Prozent<br />
2 Prozent<br />
3 Prozent<br />
41 Prozent<br />
(Alle übrigen)<br />
In 60.000 Fällen wurde Niederländern die Staatsangehörigkeit entzogen. 1951 ermöglichte man ihnen<br />
eine “Re-Naturalisierung“. 154 Todesurteile führten bis 1952 zu 42 Hinrichtungen, obwohl die<br />
Niederlande schon 1870 die Todesstrafe abgeschafft hatten. Ab Dezember 1943 wurde sie wieder<br />
“aktiviert“.<br />
Schauplatz FIandern unter dem Hakenkreuz<br />
Nach der Einrichtung der deutschen Militärverwaltung im Königreich Belgien erhielt der deutsche<br />
Militär-Gouverneur die Anweisung, den flämischen Bevölkerungsanteil gegenüber dem wallonischen<br />
(Französisch sprechenden) zu bevorzugen, denn die Flamen standen auf der Werteskala der Berliner<br />
Rassentheoretiker an erster Stelle als “Super-Arier“ und “vorbildliche Nordmenschen“.<br />
Im November 1940 wurden 79.000 Flamen grosszügig aus ihrer Kriegsgefangenschaft entlassen,<br />
nachdem kein geringerer als Hitler-Stellvertreter Rudolf Hess sich für sie eingesetzt hatte.<br />
Andererseits fanden zahlreiche wallonische Facharbeiter in Deutschland gut bezahlte Arbeit. Im Mai<br />
1942 reiste in Brüssel der 300.000ste Arbeiter freiwillig ins Reich, um dort einen Job zu akzeptieren.<br />
Eine wesentliche politische Rolle spielte der 1933 gegründete VLAAMSCH NATIONAAL VERBOND<br />
(VNV), in dem sich 1936 bereits 166.000 Stimmen vereinigten als VLAAMSER BLOK. Das waren 12,7<br />
Prozent der flämischen Wähler.<br />
(Anmerkung: Nach Beobachtungen des Verfassungsschutzes von 2013 bestehen enge Verbindungen<br />
zwischen bundesdeutschen Rechtsextremisten bzw. deren Zusammenschlüssen und den<br />
gegenwärtigen flämischen Separatisten, die nach wie vor einen unabhängigen Staat für sich allein<br />
erzwingen möchten).<br />
Flämische Freiwillige beim<br />
Bahntransport in Richtung<br />
Ostfront als LEGION<br />
VLAANDEREN.<br />
7
Der VNV vertrat wie die NSB in den Niederlanden den sogenannten “grossdeutschen Gedanken“ und<br />
forderte ein “grossniederländisches Reich unter der Einbeziehung Luxemburgs und Französisch-<br />
Flanderns“. VNV hatte einen radikalen sowie gemässigten Flügel aufzuweisen und zählte 1939<br />
ungefähr 30.000 Mitglieder, also teils Nazis und teils Liberale. Hinzu kamen die REX-VLAANDEREN<br />
(Monarchisten) und die seit 1931 aktiven Männer vom VERBOND VAN DIETSCHE NATIONAAL-<br />
SOLIDARISTEN. Nicht zu vergessen die 1935 entstandene “Deutsch-Flämische Arbeitsgemeinschaft<br />
DE VLAG“, unterstützt von Reichsführer SS Heinrich Himmler.<br />
In diesen Kreisen wünschte man sich einen “flämischen Reichsgau“ als Anschluss mit unbeschränkter<br />
Treue zum Nationalsozialismus auf Ewigkeit. Ende September 1940 gründeten Flamen die<br />
ALGEMEENE SS--VLAANDEREN, später “Germanische SS in Flandern“ genannt. Es blieb nicht aus,<br />
dass die zersplitterten grösseren und kleineren Gruppierungen deutschfreundlicher Konstruktion<br />
einander erbittert bekämpften in ihren Allmachtbestrebungen.<br />
Im April und Mai rückten 450 flämische Freiwillige in die Germanische Brigade-Kaserne zu Hamburg-<br />
Langenhorn ein. Im Juli 1941 dienten schon 1200 Flamen bei den Standarten Westland und<br />
Nordwest. Kommandosprache sollte ausschliesslich Deutsch sein. Im November 1941 begann der<br />
Einsatz gegen die Sowjetunion im Osten.<br />
Die Flamen wollten auf der Kommandosprache Flämisch beharren, was aber trotz allen guten Willens<br />
der deutschen Vorgesetzten an der Front unrealistisch erschien. Verbittert erinnerten sich die Flamen<br />
an den Ersten Weltkrieg, als die flämischen Einheiten von wallonischen Offizieren angeführt wurden,<br />
die sich weigerten, in flämischer Sprache (statt auf Französisch) Befehle zu erteilen.<br />
Nach der Kesselschlacht am Wolchow, wo die Freiwilligen der Legion Flandern zwischen Spaniern<br />
der Blauen Division kämpften und starben, standen die Flamen im Juli 1942 vor Leningrad im Gefecht<br />
mit etwa 700 Soldaten. Im März 1943 drohte das Fiasko bei Krasny Bor: von 450 dort eingesetzten<br />
Flamen fielen 400 durch Tod oder Verwundung aus. Man teilte die Überlebenden anderen SS-<br />
Truppen zu.<br />
Aufmarsch der VLAAMSE WACHT im Brüsseler Sportpalast<br />
8
Aufschlussreich erscheinen die Rekrutierungsbedingungen im einzelnen:<br />
Standarte Westland: 17 bis 25 Jahre, Mindestgrösse 1,68 m, Wunschgrösse 1,74 m<br />
Waffen-SS: 17 bis 40 Jahre, 1,70 m (bis zu 20 Jahren 1,68 m)<br />
Legion, Flandern: 17 bis 40 Jahre, Wunschgrösse etwa 1,65 m<br />
Sturmbrigade Langemarck: 11 bis 45 Jahre, Wunschgrösse etwa 1,65 m<br />
Es boten sich immer mehr Möglichkeiten zum freiwilligen Dienst. Die flämische Wachabteilung<br />
umfasste 1942 12 Kompanien und 1.725 Männer mit weiteren Kompanien in der Ausbildung. 3.362<br />
Flamen machten sich bei der Luftwaffe nützlich zur Bewachung von Flugplätzen in Belgien und<br />
Nordfrankreich “als Wehrmachtgefolge“. Im Mai 1943 verpflichteten sich überdies 3.000 Flamen beim<br />
Nationalsozialistischen Kraftfahrer-Korps (NSKK)<br />
Am 14. Juni 1942 marschierten 7.000 flämische Nationalisten (am 12. Juli sogar 12.000) durch<br />
Brüssel in demonstrativer Einigkeit, umjubelt von der Bevölkerung, zu Ehren des Flämischen<br />
Nationalverbandes. Dazu gehörten auch 3.000 Mädchen und junge Frauen in schmucken Uniformen.<br />
Es zeichnete sich im Hintergrund immer deutlicher ab, dass flämischer Nationalismus und deutscher<br />
Nationalsozialismus wie Feuer und Wasser aufeinander trafen. Ein künftiges “Reichsland Flandern“<br />
erschien wenig verlockend (nach dem Endsieg). Im Sommer 1943 froren die meisten Organisationen<br />
ihre Kollaboration mit Deutschland ein, ohne sie vollständig aufzugeben. Unterstützt wurde die<br />
Werbung für die Rekrutierung bei der deutschen Kriegsmarine. Heimlich glaubte man an einen<br />
Separatfrieden zwischen dem Reich und den Westmächten.<br />
Ein Freiwilliger der<br />
Brigade Langemarck<br />
begrüsst flämische<br />
Schwestern des<br />
Deutschen Roten<br />
Kreuzes in Prag 1944.<br />
9
Am abenteuerlichsten verlief das Schicksal des kühnen Flamen Remy Schrijnen, der bis zur<br />
Kapitulation mit seiner Panzer-Abwehrkanone (Pak) 35 sowjetrussische Tanks ausser Gefecht setzte.<br />
Schrijnen geriet in Gefangenschaft der US Army, konnte entfliehen und wollte weiter nach Spanien<br />
entkommen. Unterwegs fiel er in die Hände der französischen Polizei und wurde Ende 1945 nach<br />
Belgien ausgeliefert. Er hatte fast drei Jahre an der Ostfront hinter sich gebracht.<br />
Zuerst sollte der junge Mann zum Tod verurteilt werden. Danach waren, lange Haftstrafen vorgesehen<br />
in Mons, Brüssel, Beverloo und Brügge. 1950 kam Schrijnen auf Bewährung frei, aber nicht lange: er<br />
betätigte sich politisch für Amnestie-Bestrebungen. Neue Haftjahre 1953 bis 1955 waren die<br />
juristische Quittung. Seit 1962 lebt Schrijnen in der Bundesrepublik Deutschland zurückgezogen. Die<br />
letzten flämischen Freiwilligen mussten 18 Jahre in sowjetrussischen Zwangsarbeiterlagern Sibiriens<br />
verbringen und wurden im Mai 1962 freigelassen.<br />
Ein tapferer Flame erhielt das Ritterkreuz an der Ostfront: Remy Schrijnen schoss sieben Sowjet-<br />
Panzer ab als SS-Sturm-Mann. Himmler empfing ihn in Berlin mit Glückwünschen und Ehrungen.<br />
Während die Fronten nacheinander zusammenbrachen, sammelten sich 15.000 flämische Flüchtlinge<br />
in Lüneburg. Widerspenstige Funktionäre der Flamen landeten in den Konzentrations- und<br />
Internierungslagern. Ende April 1945 blieb den Freiwilligen an allen Fronten nur noch die<br />
Gefangenschaft übrig.<br />
18.000 flämische Uniformträger traf die ganze Härte der Gesetze wegen Kollaboration. 105 Flamen<br />
wurden erschossen, 1.022 erhielten lebenslängliche Haftstrafen, 3.542 hatten mit 10 bis 20 Jahren<br />
Gefängnis zu rechnen. 14.215 kamen mit Haft unter drei Jahren davon.<br />
April 1945 an der Oder: Langemarck Artillerie ohne Munition<br />
10
Die Blauhemden von Wallonien<br />
Nach der belgischen Kapitulation am 8. Mai 1940 und der Besetzung des Landes durch deutsche<br />
Truppen konzentrierte sich die Empörung der Bevölkerung vor allem auf die nach Frankreich<br />
geflüchtete Regierung.<br />
Bei der ältesten faschistischen Gruppierung handelte es sich um die 1922 von ehemaligen<br />
Frontkämpfern gegründete LEGION NATIONALE mit 5.000 sogenannten Blauhemden. Auf<br />
Kollaborationskurs ging dagegen die von Léon Degrelle 1935 ins Leben gerufene rexistische<br />
Bewegung, orientiert am Vorbild Italien mit Mussolini.<br />
1940 überreichte Degrelle der deutschen Besatzungsmacht ein Memorandum, das die<br />
Wiederherstellung des “Germania Inferior“ Karls V. und damit den Anschluss Nordfrankreichs sowie<br />
der Niederlande an ein neues Gross-Burgund forderte. Die Deutschen waren zwar beeindruckt,<br />
wollten sich aber vorläufig nicht festlegen.<br />
Als Deutschland den Russlandfeldzug einleitete, meldeten sich spontan 1.200 Wallonen zum<br />
antikommunistischen Kampfeinsatz freiwillig. Zahlreiche belgische Offiziere in Gefangenenlagern<br />
wollten ebenfalls mitmachen, falls ihr König damit einverstanden sei. Das Oberkommando der<br />
Wehrmacht reagierte mit keinem Wort.<br />
Weil die Waffen-SS das strikte Prinzip “rassisch germanischer Exklusivität“ vertrat, fand die<br />
Wallonische Legion Anschluss bei der weniger wählerischen Wehrmacht. Nahezu 900 Freiwillige<br />
verliessen Brüssel dann am 8. August 1941 in Richtung Ostfront. Degrelle versuchte sich<br />
einzuschmeicheln, indem er seine Männer als “Germanen französischer Sprache“ aufzuwerten<br />
versuchte gegenüber den deutschen Rassisten.<br />
Legion WALLONIE am 3.7 cm Panzer-Abwehrgeschütz<br />
11
Die Wallonische Legion verwandelte sich im Lager Meseritz (Warthegau) in das Infanterie. Bataillon<br />
373 zur Ausbildung. Im März 1942 folgten weitere wallonische Freiwillige. Stolz liessen sie ihre<br />
Fahnen mit dem historischen Burgunderkreuz wehen und bewährten sich neben deutschen<br />
Kameraden an vielen Frontabschnitten. Belgische Offiziere hielten alle Führungspositionen.<br />
Innerhalb Belgiens formierten sich in Etappen wallonische Wachabteilungen und Kraftfahrer-Kolonnen<br />
neben einer Hilfsgendarmerie. Ab Juli 1942 verübten Widerständler Attentate auf deutschfreundliche<br />
Bürgermeister und andere Funktionäre. Zwischen Januar und September 1943 wurden 108 Anhänger<br />
der flämischen und wallonischen Kollaboration ermordet, darunter 51 Rexisten. Ab Januar 1943 bis<br />
März 1944 zählte man 740 ermordete Rexisten als Opfer der Untergrundkämpfer.<br />
Die Verteilung der wallonischen Freiwilligen hatte folgenden Schlüssel:<br />
Wehrmacht 2.400<br />
Waffen-SS 6.000<br />
NSKK Kraftfahrer 6.000<br />
Hilfsgendarmerie 500<br />
Garde Wallonie 6.000<br />
Gendarmerie 38.000<br />
Inzwischen liess Degrelle gegenüber den Deutschen durchblicken, dass er bei der Neuordnung<br />
Europas damit einverstanden sei, Flandern und die Niederlande in einem Reichsgau zusammen zu<br />
fassen. Wallonie und Nordfrankreich würden in einem weiteren Reichsgau gut zusammenpassen. Ein<br />
dritter Reichsgau Brabant mit Brüssel als Hauptstadt stand gleichfalls zur Diskussion, wohlwollend<br />
von Berlin aus betrachtet.<br />
Als die Niederlage des Dritten Reichs zum Greifen nahe war, flüchteten 15.000 wallonische<br />
Kollaborateure ins deutsche Reichsgebiet zur Tarnung und liessen ihre Angehörigen nachkommen.<br />
Degrelle empfahl sich als “Ministerpräsident einer belgischen Exil-Regierung“ in Berlin. Es gelang ihm,<br />
sich an Bord einer HE-111 nach Spanien abzusetzen.<br />
Léon Degrelle besuchte seine Freiwilligen an der Ostfront<br />
12
Die Justiz der Sieger rechnete erbarmungslos ab. 338.750 Fälle sollten von Militärgerichten bearbeitet<br />
werden. Man unterschied drei Tätergruppen: Denunzianten, Ostfront-Freiwillige und politisch Aktive<br />
der Besatzungszeit. 1944/1945 waren in Belgien bereits 44.000 Personen in Haft und es folgten<br />
20.000 aus Deutschland zurück gekehrte Soldaten. In den belgischen Haftanstalten standen<br />
allerdings offiziell nur 5.000 Plätze zur Verfügung. Nun wurden alle Gefängnisse qualvoll überbelegt.<br />
242 Personen fielen in die Hände des Henkers.<br />
In 50.000 Fällen erfolgten Haft- und Geldstrafen bzw. knapp 2.000 lebenslängliche Strafen hinter<br />
Gittern. Zahlreiche Verurteilte wandten sich mit Protesten an den Europarat wegen Verstössen gegen<br />
die Konvention zum Schutz der Menschenrechte.<br />
Dänemark und das Schalburg Korps<br />
Im Gegensatz zu allen übrigen von deutschen Truppen besetzten Staaten Westeuropas konnte das<br />
Königreich Dänemark seine Einrichtungen (und seinen König) von 1940 bis August 1943 aufrecht<br />
erhalten, denn die demokratisch gewählte Regierung blieb im Amt und das Parlament arbeitete weiter.<br />
Auch die stark reduzierten Streitkräfte blieben bewaffnet und funktionsfähig.<br />
144 Abgeordnete des dänischen Folketing vertraten die sozialdemokratische Mehrheit und nur acht<br />
liessen sich auf Kooperation mit der Besatzungsmacht ein. Das waren vier Parlamentarier der<br />
autoritären Bauernbewegung, ein Vertreter der Deutschen Minderheit bzw. der NSDAP Nord-<br />
Schleswig und drei Abgeordnete der Dänischen Nationalsozialisten (Dansk National Socialistik<br />
Arbejderparti, 1930 gegründet).<br />
Dr. Clausen, Anführer der DNSAP, entwickelte sich zum hoffnungslosen Alkoholiker und brachte die<br />
Deutschen oft genug in peinliche Verlegenheit. Allerdings war jene Partei stets bereit, Freiwillige für<br />
deutsche Interessen anzuwerben und alle Weisungen aus Berlin prompt zu befolgen mit eigener<br />
Jugend-Organisation. Nachwuchs zugunsten der Waffen-SS stand immer bereit.<br />
Ab April 1940 formierte man die STANDARTE NORDLAND mit Werbebüros in allen grösseren<br />
Städten. Als der Russlandfeldzug begann, meldeten sich 216 Dänen zur SS-DIVISION WIKING und<br />
wurden im REGIMENT NORDLAND untergebracht . Die Kopenhagener Regierung bremste auf ihre<br />
Weise den Zustrom kampfbereiter Dänen, um nicht allzu viel Kanonenfutter liefern zu müssen.<br />
Vier Wochen Heimaturlaub: Freikorps Dänemark 1942 Kopenhagen<br />
13
Mehr Glück hatten die Deutschen mit den Sympathien für das FREIKORPS DÄNEMARK im Kampf<br />
gegen den Bolschewismus bzw. den gemeinsamen Erzfeind Europas im Osten.<br />
03. Juli 1941 150 Freiwillige<br />
20. Juli 1941 480 Freiwillige<br />
31. Dez. 1941 1.066 Freiwillige<br />
115 dänische Offiziere des stehenden Heeres meldeten sich im Verlauf des Krieges zur Waffen-SS<br />
mit Einwilligung des Parlaments und Garantien für spätere Versorgungsansprüche. Wer nicht ins<br />
Fahrwasser der SS oder Nazis geraten wollte, wählte den Weg als Freiwilliger bei der Armee<br />
Finnlands, die garantiert unpolitisch ihren Auftrag erfüllte.<br />
SS-Sturmbannführer von Schalburg übernahm eine Schlüsselposition als ehemaliger Jugendleiter der<br />
DNSAP. Christian Frederik von Schalburg wurde von den Deutschen hoch geachtet und genau so von<br />
seinen Landsleuten als echter Haudegen geschätzt. Er fiel am 2. Juni 1942 bei Demjansk in der<br />
Sowjetunion.<br />
Bis zum Sommer 1942 hatte das Freikorps 75 Prozent seiner Kampfstärke eingebüsst. Die<br />
Überlebenden durften einen Monat Urlaub in der Heimat verbringen, wo es zu Auseinandersetzungen<br />
mit deutschfeindlichen Gruppen kam. Ab Dezember 1942 stand das Freikorps dank Verstärkungen<br />
erneut an der Ostfront mit 1.100 Männern.<br />
Es konnte nicht ausbleiben, dass die kleineren Verbände Freiwilliger ihre Existenzberechtigung<br />
einbüssten und von grösseren Formationen der Waffen-SS übernommen werden sollten. Dies<br />
wiederum gefiel den nationalbewussten Kriegern überhaupt nicht. So kam das REGIMENT<br />
DANMARK zustande mit 40 Prozent Dänen und 60 Prozent Reichsdeutschen bzw. Volksdeutschen<br />
aus Rumänien. Die Soldaten bewährten sich gemeinsam in Kroatien sowie zuletzt im<br />
eingeschlossenen Berlin.<br />
Mai 1945: Dänische Untergrundkämpfer proben den Aufstand<br />
14
Der vorletzte Regimentskommandeur, der dänische Sturmbannführer Per Sörensen, fiel am 24. April<br />
1945 am S-Bahnhof Köllnische Heide. Die Vermischung der geschrumpften Einheiten brachte es mit<br />
sich, dass zuletzt dänische Offiziere sogar deutsche Soldaten kommandierten sowie andere<br />
Nationalitäten.<br />
Kein Frontsoldat ahnte, dass ab Mitte 1943 die Stimmung in der Heimat umzuschlagen drohte. Streiks<br />
und Sabotage sorgten für Spannungen, sodass die Deutschen am 29.August 1943 den militärischen<br />
Ausnahmezustand verhängten. Einheiten der Wehrmacht entwaffneten die Reste dänischer<br />
Streitkräfte im Land. Die Regierung demissionierte und Staatssekretäre der einzelnen Ministerien<br />
behielten notgedrungen den Überblick.<br />
Im November 1943 zählte man 115 Sabotagefälle landesweit. Im Dezember und Januar 1944 waren<br />
es jeweils 63. Um die Lage zu klären, wurde das Schalburg Korps eingesetzt. Familienangehörige von<br />
Frontsoldaten erhielten Drohungen der Untergrund Aktivisten und brauchten militärischen Schutz.<br />
Résistance Elemente ermordeten 139 Deutsche und 375 Dänen. Am 5.Mai 1945 kapitulierten die<br />
deutschen Truppen in Dänemark.<br />
Der übliche Rachefeldzug führte zur Verhaftung von 22.000 Dänen wegen Kollaboration. Die 1930<br />
abgeschaffte Todesstrafe wurde “rückwirkend“ wieder in Kraft gesetzt {wie vergleichsweise in den<br />
Niederlanden). Etwa 14.500 Personen mussten sich vor dänischen Gerichten verantworten. 112<br />
Todesurteile hatten 46 Vollstreckungen zur Folge. Insgesamt kämpften 8.000 Dänen an der Ostfront.<br />
Etwa 4.000 fanden dabei den Tod und 500 blieben vermisst.<br />
15
Karl O. Christiansen, ein dänischer Soziologe, untersuchte die Motivation der Kriegsteilnehmer: 77<br />
Prozent Untere Mittelschicht, ein Arbeiter- und Bauernheer in der Zusammensetzung. 26 Prozent<br />
stammten aus der Landwirtschaft, 37 Prozent waren Handwerker und Industrie-Arbeiter. 16 Prozent<br />
zählten zu den Arbeitslosen, als sie sich freiwillig meldeten. 47 Prozent hatten Erfahrungen an<br />
deutschen Arbeitsplätzen (Verwaltung usw. )<br />
Die meisten Freiwilligen stammten aus kinderreichen Familien: 54 Prozent mit drei Geschwistern, 39<br />
Prozent vier bis acht Geschwister und sieben Prozent neun Geschwister (oder noch mehr). Zur<br />
Motivation konnte ermittelt werden: 40 Prozent politische Überzeugung, 15 Prozent materielle<br />
Notlage, 13 Prozent Flucht aus familiären Problemen (auch Schulden), 11 Prozent Sympathien für<br />
Deutschland, sechs Prozent Arbeitslosigkeit.<br />
Quisling und Norwegens Schicksal<br />
Vidkun Quisling, Führer der NASJONAL SAMLING (NS), war genau so überrascht wie seine<br />
Landsleute, als deutsche Truppen am Morgen des 9. April 1940 in Norwegen landeten. Nach der<br />
Flucht des norwegischen Königs und der Regierung versuchte Quisling mit einem Überraschungsakt<br />
ein Kabinett unter seiner Führung zu bilden und die Wehrmacht vor vollendete Tatsachen zu stellen.<br />
Innerhalb von sechs Tagen beendeten die Deutschen diesen Spuk.<br />
Zum bedeutenden Gegenspieler Quislings wurde alsbald Reichskommissar Terboven, dem selbst<br />
Goebbels das “politische Fingerspitzengefühl eines Holzhackers“ bescheinigte. Mitte Mai 1941<br />
entstand die norwegische SS (NORGES SS) mit zunächst 130 Freiwilligen. Danach bildete man eine<br />
Freiwilligen-Legion Norwegen unter landeseigener Führung. Bis Dezember 1941 lagen knapp 2.000<br />
Meldungen vor.<br />
Die Ausbildung der Freiwilligen fand in Fallingbostel (Lüneburger Heide) statt. Ab März 1942 standen<br />
die Männer an der Front bei Leningrad und wurden von ihren deutschen Kameraden freundlich<br />
aufgenommen. Paramilitärische Formationen ergänzten die Verbrüderung, zum Beispiel HIRD, eine<br />
Art norwegische SA mit 7.400 Angehörigen. Die Marine-Abteilung umfasste 500 Matrosen und die<br />
Flieger-Miliz FLYHIRDEN 75 Unterstützer der deutschen Luftwaffe.<br />
Vidkun Quisling verleiht Eiserne Kreuze vor Leningrad Mai 1942<br />
16
400 norwegische Krankenschwestern sprangen an der Ostfront ein sowie in Finnland. Im<br />
Spätsommer 1941 gab es eine SS-Skijäger-Kompanie, um die finnische Ftont zu entlasten. Ab<br />
Februar 1942 durfte Quisling in die Rolle des Minister-Präsidenten schlüpfen, gefördert von Terboven.<br />
45.000 Anhänger - Quislinge genannt - plusterten sich auf. Sogar Hitler geruhte, den Wichtigtuer zu<br />
empfangen.<br />
Unentwegt präsentierte Quisling neuartige “Pläne zur Ordnung Europas“ nach dem Krieg, für die sich<br />
niemand interessierte. Der weltberühmte norwegische Dichter und Schriftsteller Knut Hamson,<br />
Nobelpreisträger von 1920, brach vor Adolf HitIer in Tränen aus, als er den Führer vergeblich um<br />
“mehr Verständnis für die Norweger“ bat. Im September 1943 soll Hitler dagegen eine<br />
“Unabhängigkeitserklärung“ zugunsten Norwegens “ausgesprochen“ haben. Etwas Schriftliches ist<br />
nicht überliefert.<br />
Im Januar 1944 zählten 3.878 norwegische Soldaten zu Einheiten der Waffen-SS. Nach vorsichtigen<br />
Schätzungen darf man davon ausgehen, dass sich zwischen 1940 und 1945 ungefähr 15.000<br />
Norweger innerhalb der Wehrmacht und Waffen-SS engagierten, doch wurden nur 7.000 als “tauglich“<br />
ausgebildet und eingesetzt. 10 Prozent fielen im Kampf an der Ostfront. Es existierte ausserdem ein<br />
GERMANISCHER LANDDIENST mit 200 Männern im Warthegau, die landwirtschaftliche Betriebe<br />
leiteten und überwachten. (Warthegau war besetztes polnisches Hoheitsgebiet}.<br />
Rechnet man sämtliche norwegischen Organisationen zusammen, die im Dienst der Deutschen<br />
standen, so dürften es etwa 50.000 männliche und weibliche Personen gewesen sein. Degrelle schlug<br />
Quisling vor, mit ihm nach Spanien zu entkommen, doch Quisling lehnte ab. Am 24. 0ktober 1945<br />
fand die Hinrichtung Quislings wegen Hochverrat statt. Während fünf Monaten Haft erhielt der<br />
Todeskandidat täglich nur 800 Kalorien Nahrung “als zusätzliche Strafe“.<br />
Knut Hamsun verbrachte 120 Tage in einer psychiatrischen Klinik. Er war 88 Jahre alt, halb blind und<br />
halb taub, büsste sein Vermögen ein und stand als Verräter im Dezember 1947 vor seinen<br />
erbarmungslosen Richtern. Die Justiz befasste sich mit 92.000 Norwegern wegen Kollaboration.<br />
18.000 Angeklagte erhielten Haftstrafen. 3.500 mussten länger als drei Jahre hinter Gittern<br />
verbringen. In 28.568 Fällen wurden Geldstrafen ausgesprochen: Einnahmen des Staates 280<br />
Millionen Kronen.<br />
Anwerbung norwegischer Freiwilliger für die Legion in Oslo 1942<br />
17
Sogar Island nahm am Kriegsspiel teil<br />
Am 1.Dezember 1918 erhielt Island die Unabhängigkeit zugesprochen, blieb jedoch in Personalunion<br />
mit dem Königreich Dänemark assoziiert. 1939 lebten dort knapp 120.000 Insulaner. Am 10. Mai 1940<br />
besetzten britische Truppen Island und ein Jahr später beschloss das Parlament die Trennung von<br />
Dänemark. Eine Volksabstimmung bestätigte im Mai 1944 diese Handlungsweise.<br />
1940 und 1941 hielten sich Isländer in unbekannter Zahl in Dänemark und Norwegen auf. Sie waren<br />
bei der SS hochwillkommene reinrassige Elite! Zahlreiche Männer meldeten sich als Freiwillige, doch<br />
fehlen genauere Daten. Der Sohn des Staatspräsidenten SVEINN BJÖRNSSON (1944 - 1952)<br />
besuchte die SS-Junkerschule Bad Tölz und diente danach noch in der Kriegsberichter-Einheit<br />
(Propaganda Kompanie) SS-Standarte Kurt Eggers.<br />
Bemerkenswert im Fall Island ist vor allem, dass die Kollaboration der Bürger mit Deutschland nicht<br />
die geringsten Konsequenzen für deren Wohlergehen während des Krieges oder in der Zeit danach<br />
hatte. Die neutrale Republik betrachtete den Kriegsdienst zugunsten der SS oder Wehrmacht als<br />
“reine Privatangelegenheit“. Ausser Island reagierte auch das Fürstentum Liechtenstein so souverän<br />
wie kein anderer Staat: niemand hatte etwas zu befürchten als ehemaliger Kriegsteilnehmer bei den<br />
Deutschen!<br />
Norwegischer SS-Hauptoffizier vor Leningrad Ostern 1942<br />
18
Schwedische Diplomatie auf Schlingerkurs<br />
Trotz der traditionellen schwedischen Neutralität nahmen wiederholt freiwillige Truppenkontingente an<br />
Kriegen ausserhalb des Landes teil. So half eine schwedische Brigade den Finnen 1918 ihre<br />
Unabhängigkeit zu gewinnen neben Aktionen in Estland. Nordische Solidariät und Antikommunismus<br />
prägten die GrundeinsteIlung.<br />
Auch im Spanischen Bürgerkrieg schlugen sich tapfere Schweden, um die Republik zu retten. Im<br />
russisch-finnischen Winterkrieg 1939/1940 war Hilfeleistung selbstverständlich: eine 8.000 Mann<br />
starke Brigade schoss sich den Weg frei. Neun Bomber und 12 Jagdmaschinen ergänzten die<br />
Kooperation. Als der deutsche Angriff auf die Sowjetunion Schlagzeilen machte, strömten viele<br />
Schweden zum finnischen Heer, angeblich mehr als 2.000 im September 1941.<br />
Am 25. Juni gestattete der schwedische Reichstag grosszügig (entgegen allen Gepflogenheiten<br />
korrekter Neutralität) den Transport der deutschen 163. Infanterie-Division von Oslo nach Finnland auf<br />
dem Schienenweg. Wer sich auf dem diskreten Umweg über die Finnen an der Ostfront bewähren<br />
wollte, durfte dies ungestraft tun.<br />
Bereits in den dreissiger Jahren machten sich in Schweden nationalsozialistische Splittergruppen<br />
bemerkbar neben den Rechtsextremisten unterschiedlicher Orientierung. Man kannte die SVERIGES<br />
FASCISTIKA sowie die eifrige Nationalsozialistische Volkspartei. 1936 verfügte die<br />
NATIONALSOCIALISTIKA ARBETARPARTIET über etwa 14.000 eingeschriebene Parteigänger. Das<br />
FINNISCHE KOMITEE vermittelte laufend Freiwillige an die finnische Armee bis 1944. Man konnte<br />
sich auch direkt beim SS-Ersatzkommando Oslo rekrutieren lassen.<br />
Beim Oberkommando der Wehrmacht und Reichsführer SS Heinrich Himmler machte sich<br />
Enttäuschung breit, weil man mit wesentlich mehr schwedischen Freiwilligen gerechnet hatte im<br />
Verlauf der ersten Kriegsjahre. Die geplante Aufstellung einer Schwedischen Legion platzte wie eine<br />
Seifenblase.<br />
SS-Ski-Jäger aus Norwegen und Schweden im Finnland-Einsatz<br />
19
Bei der Dritten Kompanie der SS-Panzeraufklärungsabteilung 11 Nordland gab es ab 1943 einen<br />
ganzen Zug aus Schweden (Schwedenzug genannt) mit drei Unterführern und 40 Soldaten. Sein<br />
letztes Gefecht führte dieser Schwedenzug mit Resten der Division Nordland in Berlin am Anhalter<br />
Bahnhof im Mai 1945. Zwei Männer überlebten.<br />
130 Schweden kehrten bei Kriegsende in ihre Heimat zurück, ohne dass ihre nationalsozialistische<br />
Vergangenheit irgendwelche Konsequenzen nach sich zog.<br />
Historische Filmaufzeichnungen von Kriegsberichterstattern, die Motive von den letzten Kämpfen<br />
nahe der Reichskanzlei in Berlin zeigen und kürzlich vom TV-Sender PHOENIX ausgestrahlt wurden,<br />
zeigten unter anderem einige zerschossene Radpanzerwagen mit dem deutlichen weissen Schriftzug<br />
WIKING. Man darf daraus den Schluss ziehen, dass es sich bei den (gefallenen oder überlebenden)<br />
Besatzungen um Schweden oder Norweger handelte.<br />
Finnland in der Aussenseiterrolle<br />
Unter den Signaturstaaten des Antikominternpaktes und den Teilnehmern am antibolschewistischen<br />
Kreuzzug lässt sich Finnland nicht so ohne weiteres einordnen. Finnland war der einzige<br />
demokratische Staat, der im Juni 1941 seine Truppen gegen Stalin aufbot, denn Finnland betrachtete<br />
diesen Einsatz als ein Fortsetzungskrieg nach dem Winterkrieg von 1939/1940: 10 Prozent des<br />
Hoheitsgebietes gingen damals verloren sowie 12 Prozent der landwirtschaftlichen, gewerblichen und<br />
industriellen Betriebe.<br />
Der deutsche<br />
Divisionskommandeur<br />
Felix Steiner begrüsst<br />
finnische Kriegsversehrte<br />
der Waffen-SS in<br />
Ruhpolding 1943. Die<br />
Männer hielte sich dort<br />
zur Erholung auf als<br />
Ehrengäste des Reichs.<br />
20
Finnland wollte seine geraubten Ländereien zurück gewinnen und sonst garnichts. Nachdem dies<br />
gelungen war, fiel kein weiterer Schuss. So weigerte sich das finnische Hauptquartier im Herbst 1943,<br />
als an der Front im Norden 550.000 Deutsche und Finnen nur 270.000 Russen gegenüber standen,<br />
grünes Licht für eine vorteilhafte Offensive zu schalten.<br />
Die Zustimmung aus Helsinki, im Frühjahr 1941 ein finnisches Bataillon der Waffen-SS aufbauen zu<br />
helfen,war nicht von einem ideologischen Einverständnis mit Berlin getragen. Man wollte aber den<br />
Expansionsdrang der Sowjetunion tatkräftig bremsen. Moskau konnte sich nicht mit seinen<br />
Eroberungen im Winterkrieg zufrieden geben und forderte im Januar 1941 ultimativ Verhandlungen<br />
über die Ausbeutung der Petsamo Nickelgruben. 51 Prozent des Aktienkapitals sollten in<br />
sowjetrussische Hände übergehen.<br />
Unter diesen bedrohlichen Umständen kam den Finnen das Angebot Deutschlands sehr gelegen,<br />
finnische Freiwillige für die Waffen-SS zu werben und den Russen die Zähne zu zeigen. Bereits am<br />
17. März folgte Helsinki mit dankbarer Reaktion, doch wollten die Finnen keine enge Anbindung bei<br />
der SS und zogen eine andersartige Zusammenarbeit vor:<br />
Die finnische Formation sollte in die Tradition des 27. Königlich-preussischen Jäger-Bataillons<br />
gegliedert werden, das im hohen Norden einen ausgezeichneten Ruf hatte. Während des Ersten<br />
Weltkriegs dienten im kaiserlichen Deutschland viele Finnen bei diesen Jägern, um gegen den<br />
zunehmenden Einfluss der Russen auf ihr Heimatland zu protestieren. Seit 1809 war Finnland<br />
praktisch in russischen Händen unterjocht.<br />
Zur Tarnung nannte man die finnischen Freiwilligen während ihrer Ausbildung bei Hamburg<br />
“Pfadfinder Lehrgang Lokstedter Lager“. Ab Mai 1916 nannten sich die Finnen in dieser Gruppierung<br />
mit einer Stärke von fast 2.000 Männern “Königlich-Preussisches Jäger-Bataillon Nummer 27“ zum<br />
Einsatz im Baltikum und an der Ostfront. Am 10. Februar 1918 wurden die Finnen· aus der<br />
kaiserlichen Armee ehrenhaft entlassen, um daheim in den Unabhängigkeitskrieg eingreifen zu<br />
können.<br />
Während des Zweiten Weltkriegs bemühten sich die Finnen, irgendwie eine “Quadratur des Kreises“<br />
für sich zu konstruieren: Einerseits wünschten die Nordischen eine enge Bindung an das militärisch<br />
und kulturell eindrucksvolle Deutschland, andererseits fühlten sich die Finnen ziemlich unbehaglich in<br />
ihrer Rolle als “Nazi-Mitläufer“ auf Gedeih und Verderb.<br />
Bedrückte Gesichter Juni 1943: Auflösung der finnischen Einheit<br />
21
Die nationalistische Rechte im Land präsentierte sich mit zwei relativ schwachen Organisationen:<br />
AKADEMISCHE KARELISCHE GESELLSCHAFT VON 1922 und die 1932 entstandene<br />
VATERLÄNDISCHE VOLKSBEWEGUNG. Bis zum Mai 1941 kamen etwa 1.100 Männer zur<br />
Musterung bei den Deutschen: 125 Offiziere, 109 Unteroffiziere, 850 Soldaten, darunter Veteranen<br />
des Winterkriegs. Am Oktober 1941 folgte die Vereidigung auf Adolf Hitler im Zeichen der SS-Runen.<br />
Nach dem Einsatz an der Ostfront erlitten die finnischen Kontingente erhebliche Verluste, obwohl sie<br />
sich hervorragend bewährten und lobend im Wehrmachtbericht erwähnt wurden. Der Kampf im<br />
Kaukasus kostete im Sommer 1942 unter 1.500 Freiwilligen 250 Gefallene und 400 Verwundete<br />
neben 400 weiteren Kranken. Im Juli 1943 untersagte Marschall Mannerheim plötzlich die weitere<br />
Verwendung finnischer Freiwilliger und liess ihre Verbände auflösen.<br />
Im September 1944 kam es zum Waffenstillstand zwischen der Sowjetunion und Finnland sowie zum<br />
Abbruch der diplomatischen Beziehungen zwischen Berlin und Helsinki. Niemand wurde jedoch<br />
später strafrechtlich verfolgt oder auf andere Weise benachteiligt, sei es mit oder ohne Vergangenheit<br />
bei der Waffen-SS.<br />
Die Norwegen bewährten<br />
sich als hervorragende<br />
Skiläufer-Soldaten im<br />
Kampf gegen russische<br />
Gegner dank ihrer<br />
Zähigkeit unter härtesten<br />
Bedingungen.<br />
22
Auch Schweizer und Liechtensteiner waren dabei<br />
Für die schweizerischen und Liechtensteiner Flüchtlinge, die illegal über die Grenze kamen, um sich<br />
im Reich zum Kriegs- oder Arbeitseinsatz zu melden, wurde im Januar 1941 vom Berliner SS-<br />
Hauptamt eine Auffangstelle eingerichtet. Das Amt befand sich in Stuttgart, Panoramastrasse 11,<br />
später in Strassburg und Bregenz.<br />
Chef der AuffangsteIle: SS-Obersturmführer Alfred Nikles, Schweizer Bürger, später SS-<br />
Unterscharführer Benno Schaeppi und Sepp Naegele, ein Liechtensteiner. Schätzungsweise 1.500<br />
Schweizer und Liechtensteiner liessen sich registrieren, überwiegend im Sommer und Herbst 1941.<br />
Einige Enttäuschte kehrten in die Schweiz zurück und riskierten Strafen in Form von Festungshaft.<br />
Welche Motive hatten die Überläufer in Richtung Nazi-Deutschland? Man unterschied drei Kategorien:<br />
Nationalsozialisten bzw. Faschisten, Abenteuerlustige sowie Kriminelle. Die Straftäter wollte keiner<br />
aufnehmen, sodass sie zurück geschickt wurden.<br />
Etwa 800 Freiwillige traten in die Waffen-SS ein und 70 in die Wehrmacht. Mehr als 40 Eidgenossen<br />
wurden zu Offizieren befördert. 300 Schweizer fielen im Waffendienst des Deutschen Reichs. Es<br />
lebten während des Kriegs ungefähr 40.000 Schweizer in Deutschland , Erst im Sommer 1944 gelang<br />
es, einen Bund schweizerischer Nationalsozialisten zu gründen. Am 6. Mai 1945 zeichnete man den<br />
schweizerischen SS-Untersturmführer Peter Renold (als einzigen Schweizer) mit dem Ritterkreuz aus.<br />
Im Mai 1945 kam unvermeidlich die Stunde der Abrechnung wegen Landesverrat. 33 Personen<br />
verurteilten die Juristen zum Tod wegen Hochverrat sowie Spionage und 17 mussten sterben,<br />
darunter ein Liechtensteiner Todeskandidat. Bis November 1945 büssten 29 Eidgenossen ihr<br />
Bürgerrecht ein. Es häuften sich Prozesse wegen Landesverrat über Jahre hinweg.<br />
Diese beiden schweizerischen Offiziere meldeten sich freiwillig zur französischen Waffen-SS 1944 im<br />
elsässischen Ort Sennheim. Links im Bild Dr. H. Büeler, später Verteidiger der Festung Kolberg,<br />
rechts H. Hersche. Anfang Mai 1945 erhielt der eidgenössische SS-Untersturmführer Pater Renold<br />
(als einziger Schweizer) noch das Ritterkreuz verliehen kurz vor der deutschen Kapitulation.<br />
23
Das winzige Liechtenstein mit 11.100 Bewohnern im Jahr 1941 hatte schon während des Ersten<br />
Weltkriegs einige Freiwillige beim deutschen bzw. österreich-ungarischen Heer untergebracht.<br />
Während des Zweiten Weltkriegs eilten 85 Liechtensteiner zu den deutschen Fahnen.<br />
1933 entstand im Fürstentum ein Liechtensteiner Heimatdienst, rechtsextremistisch und<br />
judenfeindlich orientiert, beliebt bei der Jugend wegen des schneidigen Auftretens. Von den 85<br />
Freiwilligen fanden 40 den Tod auf deutschen Kriegsschauplätzen. Nach Kriegsende passierte weiter<br />
garnichts: was die Freiwilligen getan hatten, war ihre “Privatangelegenheit“ nach dortiger<br />
Rechtsauffassung!<br />
England und die Kanal Inseln<br />
Die Channel Islands waren das einzige “britisch orientierte Gebiet“, das deutsche<br />
Besatzungsstreitkräfte erlebte in nahezu freundschaftlicher Koexistenz. 1939 zählte Jersey 50.000<br />
Bewohner, Guernsey 40.000, Alderney 1.500 und Sark 6.000 Menschen. 30.000 deutsche Soldaten<br />
hielten Wacht und niemand merkte etwas vom Krieg bei näherer Betrachtung.<br />
Die Wehrmacht erwies sich als grosszügig und mischte nicht in der Verwaltung mit: Polizisten in<br />
englischer Uniform gingen nach wie vor auf Streife und die Beamtenschaft machte weiter wie bisher.<br />
Kein Wunder, dass Deutsche und Insulaner überall miteinander harmonierten.<br />
Die Kanal Inseln sind auch heute noch ein völkerrechtliches Kuriosum, denn die dort ansässigen<br />
Menschen zählen nicht zum Vereinigten Königreich, obwohl sie sich (fast) wie Engländer benehmen.<br />
Seit vielen Jahrhunderten “herrschen“ uralte Familien über die Eilande in Selbstverwaltung aus kaum<br />
nachvollziehbaren Ursachen. Kein Wunder, dass die Inselgruppe ein beliebtes Steuerparadies<br />
geworden ist.<br />
Links im Bild der Schweizer Dr. Franz Riedweg in seiner Funktion als "Erster Stabschef der<br />
Germanischen Leitstelle im SS-Hauptamt Berlin". Rechts Peter Renold, schweizerischer Angehöriger<br />
der Waffen-SS und Ritterkreuzträger (Mai 1945 verliehen).<br />
24
1942 wurden 2.000 britische Staatsbürger von den Channel Islands in deutsche Internierungslager<br />
verbracht, weil sie juristisch “Ausländer“ bzw. “Gegner“ waren. Es gab keine Kriegsfreiwilligen und<br />
keine Résistance. So ging alles friedlich zu Ende<br />
Vergeblich blieben alle Anstrengungen der Deutschen, die im Reich lebenden britischen Staatsbürger<br />
sowie britische Kriegsgefangene für den Nationalsozialismus zu begeistern. Im Januar 1944 fanden<br />
sich 50 Engländer endlich dazu bereit, im British Free Corps anzutreten und bei der Waffen-SS mit zu<br />
marschieren. Genau genommen waren es “Angehörige von Commonwealth Staaten“ der englischen<br />
Krone (Südafrikaner, Kanadier, Inder, Australier usw.)<br />
Nach dem Krieg drohten den Freiwilligen Todesstrafen, langjährige Haftstrafen und Geldbussen. Die<br />
Südafrikaner (Buren) kamen nur mit Geldstrafen davon. William Joyce, der über den deutschen<br />
Kurzwellenfunk aus Berlin aufhetzende Kommentare mit Richtstrahler nach England und USA<br />
verbreitete, fand im Januar 1946 den Tod am Galgen in London.<br />
Franzosen machten eifrig mit<br />
Mehrere hunderttausend Franzosen kollaborierten auf militärischem, politischem, kulturellem und<br />
wirtschaftlichem Gebiet mit dem Reich von 1940 bis 1945. Es kamen 30.000 Freiwillige zum Kampf<br />
gegen die Sowjetunion, während man in Berlin sich vorsichtshalber mit 15.000 begnügen wollte.<br />
Am 18. Juli hielten die Parteien der Kollaborateure in Paris eine Massenveranstaltung ab, an der<br />
8.000 Personen voller Begeisterung teilnahmen. Im Mittelpunkt stand die “Legion des volontaires<br />
francais contre le bolshevisme“ (LVF). Ein Ehrenkomitee prominenter Politiker, Künstler und<br />
Geistlicher setzte sich an die Spitze der Bewegung.<br />
Paris 1944: Französische Freiwillige reisen an der Ostfront<br />
25
10.788 Freiwillige Meldungen Juli 1941 bis Mai 1943: (tauglich 6429) 13.400 Freiwillige Meldungen<br />
Juli 1941 bis August 1944: (tauglich 5.800) Zahlreiche Freiwillige wurden zurückgewiesen wegen ihres<br />
schlechten Gebisszustands (etwa 70 Prozent).<br />
Am 4. September 1942 reisten die ersten Freiwilligen ab: 25 Offiziere und 803 Unteroffiziere sowie<br />
Mannschaften. Der Zug führte sie nach Polen, und am 20. September folgten weitere 900 Männer. Ab<br />
Oktober wurden die Franzosen an die Ostfront verlegt. Bereits Anfang Dezember mussten sie<br />
abgelöst werden angesichts Temperaturen um minus 40 Grad Celsius, schlechter Ausrüstung und<br />
mangelhafter Ausbildung.<br />
Nach solcher Enttäuschung zogen die Deutschen ihre französischen Helfer nur noch zum Einsatz<br />
gegen Partisanen heran. 120 Schützen erhielten das Eiserne Kreuz für ihre Tapferkeit. Im Januar<br />
1943 zählte die Legion 3.205 Angehörige, davon 2.400 an der Ostfront.<br />
5.000 Franzosen schlossen sich dem Nationalsozialistischen Kraftfahrer Korps an, 5.000 arbeiteten<br />
für die Organisation Todt (wie Pioniere) und 2.000 sympathisierten mit der Kriegsmarine. Sogenannte<br />
Kriegswerft-Polizei bewachte die deutschen Bunker für Unterseeboote am Atlantik. Man schätzt, dass<br />
32.000 Franzosen im Dienst der Gestapo und/oder Abwehr (Gegenspionage) standen.<br />
Im Februar 1944 warf sich die Legion an der Ostfront zum letzten Mal den Sowjetrussen entgegen.<br />
400 Gefallene standen auf der Verlustliste. Ende Januar 1944 zählte die Waffen-SS 2.480 Franzosen.<br />
Bis zum 2. Mai 1945 verteidigten 250 Franzosen Berlin mit letzten Kräften.<br />
“Wilden Hinrichtungen“ durch die Résistance sollen 10.000 Franzosen zum Opfer gefallen sein,<br />
darunter auch heimgekehrte Freiwillige aus dem Osten. Andere Quellen sprechen von 50.000<br />
Mordopfern der Vergeltung, vielleicht sogar über 100.000. Ungefähr eine Million Franzosen füllten die<br />
Gefängnisse. 6.763 Todesurteile wurden ausgesprochen, 767 auch ausgeführt. Fast 4.000 zum Tod<br />
verurteilte Franzosen konnten rechtzeitig in Verstecke fliehen.<br />
Germanisches Sendungsbewusstsein ohne Fortune<br />
Freiwillige aus neutralen und besetzten Gebieten mit anfangs kaum mehr als 30.000 Männern stellten<br />
nur eine kleine heterogene Gruppe dar, verglichen mit jenen 600.000 Bewaffneten der sogenannten<br />
Bündnistruppen in geschlossenen Grossverbänden bis zur Ebene von Armeen. Obwohl unter den<br />
Legionären die ideologische Klammer stärker gewesen sein dürfte als unter den verbündeten<br />
Nationaltruppen, so waren sie doch nicht bloss Anhänger des deutschen Nationalsozialismus und<br />
seines Führers.<br />
Rekrutierung der<br />
französischen<br />
Freiwilligen in Paris:<br />
Bekämpfung des<br />
Bolschewismus!<br />
26
Die Minorität repräsentierte rechtsradikale und/oder faschistische Strömungen in den Heimatländern,<br />
oft Aussenseiter der Gesellschaft mit politischer Schubkraft und der Hoffnung auf Anerkennung im<br />
Kampf gegen die Rote Armee. Individuell möchte man unterstellen, dass sich Abenteuerlust,<br />
Idealismus und politischer Ehrgeiz miteinander vermischten.<br />
Wer hat wo und wie stark sein Leben riskiert? Rechnet man die Verbündeten der Wehrmacht und die<br />
Freiwilligen aus allen Teilen Europas zusammen, so handelte es sich um knapp eine Million Soldaten:<br />
Finnland 476.000 Uniformierte, Rumänien 325.685 Soldaten, Slowakei 41.000, Ungarn 45.000,<br />
ausländische Freiwillige 43.000 (geschätzt). Drei Millionen Deutsche standen an der Ostfront (später<br />
nur noch 2,5 Millionen). Plötzlich aber kamen eine Million ehemalige Sowjetbürger als Freiwillige<br />
hinzu, um den Bolschewismus zu liquidieren<br />
Ohne den Zuzug der verbündeten Armeen hätte die Wehrmacht (und Waffen-SS) 1941 niemals bis<br />
vor die Tore Moskaus marschieren können. Angesichts etwa 2.000 Kilometern Frontlinie wurden 600<br />
km von den Finnen gehalten, weitere 600 von Ungarn und Rumänen. Nur deshalb konnte die<br />
Wehrmacht die Masse des Ostheeres im Zentrum gegen Moskau vorrücken lassen.<br />
Ohne die Mobilisierung zusätzlicher Kräfte der Verbündeten durfte Hitler 1942 seine Sommer-<br />
Offensive Richtung Wolga und Kaukasus nicht verwirklichen. Schliesslich ist noch zu bedenken, dass<br />
spätestens nach der Katastrophe von Stalingrad nur mit Hilfe von ausländischen Kräften ein<br />
Zusammenbruch der Ostfront vermieden wurde.<br />
In der Schlussphase des Krieges 1944, als man alle rassistischen und ideologischen Vorurteile fallen<br />
lassen musste, wenn es um die Rekrutierung von “Kanonenfutter“ ging, stammten 763.000 Soldaten<br />
allein aus den annektierten und “eingedeutschten“ Gebieten (Elsass, Lothringen, Eupen-Malmedy,<br />
polnische Volksdeutsche), umgerechnet acht Prozent der “Gesamt-Wehrmacht“.<br />
Nichtdeutsche Kämpfer bzw. Hilfswillige (Hiwis) waren innerhalb der Wehrmacht und Waffen-SS mit<br />
20 Prozent zu veranschlagen. Die von der SS bevorzugt angenommenen germanischen Freiwilligen<br />
schienen vielfach durch Rechtsextremismus und Abenteuerlust motiviert. Es trifft zu, dass<br />
Antikommunismus und Antisemitismus zahlreiche Freiwillige zu Terror und Mord gegen eigene<br />
Landsleute inspirierte.<br />
Daneben hat sich erwiesen, dass der gedankenlos geprägte Begriff “Kollaboration“ untauglich ist, um<br />
das Phänomen ausländischer “Mitmacher“ bei Hitlers Wehrmacht und Waffen-SS in seiner Vielfalt und<br />
Vielschichtigkeit zu erfassen. Kollaboration wurde zum Odium für alle, die man beim Ende des<br />
Krieges (aus vielfältigen Gründen) “erledigen“ wollte, das heisst bestrafen und/oder ermorden lll<br />
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