"weltwärt mit der GIZ" - pädagogisches Konzept (pdf, 1886.50 MB, de)

7
Austen P. Brandt: Wir sind für eine reNektierte,
achtsame und pädagogische Herangehensweise,
damit nicht aufs Neue Verletzungen entstehen.
Wir halten es für wichtig, dass die POC während
der Einheit frei sind, sich selbst zu positionieren. Es
gibt verschiedene Phasen unseres Bewusstseins
und auch unserer Bereitschaft, uns öffentlich zu
positionieren. Das hat zu tun mit rassistischen Erfahrungen
in der Gesellschaft und unseren verschiedenen
Coping strategies. Aus eigener Erfahrung
weiß ich, dass es schmerzhaft und verletzend
sein kann, sich positionieren zu müssen, wenn eine
innere Bereitschaft noch nicht da ist.
Ich denke, dass ein Teil der POC, die im Moment
einen starken Fokus auf ihr POC-Sein legen, zu
anderen Programmen gehen, wie zur Initiative
Schwarzer Menschen in Deutschland. Sie würden
nicht das Format weltwärts wählen. Ich habe auf
den Seminaren die verschiedensten Dinge erlebt.
Auf einem Seminar sind POC ganz tief eingestiegen,
daneben gab es POC, die noch nicht in der
öffentlichen Auseinandersetzung mit ihrem POC-
Sein waren. Deshalb bin ich dafür, ein sehr offenes
Angebot zu machen und nicht die POC in eine Art
von Rechtfertigungsposition zu stellen. Denn sonst
werden POC interessanterweise von Weißen wieder
dazu gebracht: „Du muss Dich jetzt an diesem
Punkt öffentlich selbst reNektieren“. Das funktioniert
nicht. Es ist auch interessant, wenn Weiße
dann eine Fürsorgehaltung gegenüber den POC
haben, das ist wieder eine neokoloniale Form der
Hilfe. In dem Moment, wo POC sich artikuliert,
müssen wir da sein, und das waren wir auch. Da
haben wir unsere Module im Kopf und können
reagieren. Im Moment sind wir in Kontakt mit einigen
POC, die durch unseren Beitrag ReNektionsanstöße
bekommen haben und nach ihrem Auslandsaufenthalt
nun Empowerment-Trainings bei
uns machen möchten und dann bei Phoenix mitarbeiten,
mit der Perspektive selber Trainer oder
Trainerin zu werden.
GIZ: Uns hat immer beeindruckt, dass Ihr allen
Teilnehmenden angeboten habt, sich bei Euch zu
melden, falls es noch Redebedarf gibt. Wurde das
von den Teilnehmenden in Anspruch genommen?
Pädagogische Dokumentation
26
Austen P. Brandt: Einige schicken mir ihre Rundbriefe
oder schreiben direkt. Von einigen Teilnehmenden
kriege ich die Rückmeldung, dass sie unsere
Einheit sehr gut fanden und sie ihnen hilft, die
Situation vor Ort besser zu erkennen. Manche fragen,
ob wir skypen könnten, um noch offene Fragen
zu klären. Es gibt auch ein paar, die nach ihrer
Rückkehr bei Phoenix mitmachen möchten. Eine
POC hat mir in einem berührenden Brief geschrieben,
dass ihr eigentlich dieser Tag die Augen geöffnet
hat und sie einen neuen Bezug zu ihrer POC-
Wirklichkeit in Deutschland gewonnen hat. Es gibt
auch Teilnehmende, die uns in der Vorbereitung
kennen gelernt haben und uns nach ihrer Rückkehr
für Trainings anfragen. So haben wir für einige
Gruppen (WinD-Gruppe in Hamburg) bereits einige
Trainings durchgeführt. Da ist einiges passiert.
GIZ: Gibt es etwas, dass Ihr dem weltwärts-
Programm empfehlen würdet?
Austen P. Brandt: Es gibt sicherlich einen Teil von
Teilnehmenden, die vor Ort nicht nur gute Impulse
geben. Dann ist die Frage, wie stark der Kontext im
Globalen Süden ist und wer damit umgehen kann.
Dafür wäre es zentral, die Leute, die im Globalen
Süden die Freiwilligen begleiten, auszubilden. Da
müsste eigentlich ein ähnlicher Bewusstseinsprozess
statt:nden wie in der Vorbereitung. Dafür
müsste man Prozesse in verschiedenen Ländern
starten und mit empowernden Schritten verbinden.
Denn wenn ein Überheblicher oder eine Unfähige
aus dem Westen kommt, können sie Unheil anrichten.
In dem Moment, wo ich POC-Begleitende in
der Struktur habe, die das erkennen, können sie
diese Teilnehmenden coachen oder sie auch gegebenenfalls
von ihren Aufgaben entbinden. Das
würde ich zu einem wichtigen Punkt einer weiteren
Planung machen. Es ist schwierig, aber ich glaube,
das könnte wirklich neue Impulse setzen und neue
Ebenen der Gerechtigkeit bilden.
GIZ: Wir danken Euch für das Gespräch und die
sehr bereichernde Zusammenarbeit!