Jahresbericht - Öffentlicher Gesundheitsdienst

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01.03.2014 Aufrufe

14 Einblicke in die Arbeit – kurz zusammengefasst Untersuchung der Ökologie von Zecken als Überträger von Krankheitserregern in Baden-Württemberg in Bezug auf Habitat, Landnutzung, Wirtstiere und Klima Patrick Sebastian, Rainer Oehme, Ref. 93 Analyse Zecken und von Zecken übertragene Erkrankungen sind von großer Bedeutung für die Gesundheit von Mensch und Tier. Über die Faktoren, die ihre Verbreitung und Dynamik beeinflussen, ist allerdings nur wenig bekannt. In diesem Projekt arbeiten Spezialisten aus verschiedenen Fachbereichen zusammen, um den Einfluss von Wetter, (Mikro-)Klima, Habitat, Landnutzung, menschlichen Eingriffen und die Populationsdynamik der Wirtstiere auf die Verbreitung und Dynamik von Zecken und den von ihnen übertragenen Krankheitserregern für Baden-Württemberg zu bestimmen. Ziel des Projektes ist es, aufgrund der gewonnenen Erkenntnisse spezifische Zecken-Pathogen-Risikokarten für Baden-Württemberg zu erstellen und damit die Grundlagen für Maßnahmen im Rahmen des Gesundheitsschutzes und der Prävention in Baden- Württemberg zu verbessern. Die Studie ist in drei Forschungsmodule (1-3) und ein Modul (4), das sich mit der Analyse der Forschungsmodule 1-3 beschäftigt, unterteilt (siehe Abbildung). Die Module 1-3 bestehen jeweils aus mehreren Submodulen, die sich mit bestimmten ökologischen Variablen befassen. Modul 1 untersucht das großflächige Verbreitungsmuster von Zecken und zeckenübertragenen Erkrankungen in Baden-Württemberg in Abhängigkeit von landschaftlichen, klimatischen und ökologischen Faktoren. Anhand eines Kriterienkatalogs werden an 20 ausgewählten Standorten, die typischen Habitaten in Baden-Württemberg entsprechen, einmal monatlich Zecken gesammelt und bestimmt (Abt. Ökologie Koordination: Karlsruher Institut für Technologie (KIT) Umwelt Detaillierte Studien Pathogene Modul 1 Karlsruher Institut für Technologie (KIT) Landesgesundheitsamt Baden- Württemberg (LGA) - Großflächige Verteilung - Landnutzung - Klimadaten Modul 2 Karlsruher Institut für Technologie (KIT) Universität Hohenheim - Mikroklima - Säugetiere - Habitatsfragmetierung - Zeckenaktivität Modul 4 Individuelle Analysen Datenauswertung Zusammenfassung der Daten und Modellentwicklung Modul 3 Landesgesundheitsamt Baden- Württemberg (LGA) - Pathogen-Nachweis - Pathogen-Prävalenz - Vorkommen/Abwesenheit von FSME Projektstruktur – die vier Module und ihre jeweiligen Komponenten und Parasitologie, Karlsruher Institut für Technologie [KIT]; Landesgesundheitsamt Baden-Württemberg [LGA]). Zusätzlich werden an diesen Standorten wichtige mikroklimatische Daten erhoben. Am Institut für Geo graphie und Geoökologie des KIT (IfGG) werden in einem Geoinforma tionssystem (GIS) die Daten der Zeckenabundanzen mit den jeweiligen Landschaftsmustern und dem lokalen Klima verknüpft, um die Lebensräume, die für Zecken besonders günstig erscheinen, zu erfassen. In Modul 2 untersucht das KIT im Detail, inwiefern Mikroklima, Habitat und Wirtstiere die Populationsdynamik von Zecken beeinflussen. An fünf Intensivmessstationen werden monatlich Kleinsäugerwirte lebend gefangen und auf Zeckenbefall untersucht, Zecken auf der Vegetation gesammelt und mikroklimatische Daten aufgenommen. Das Ziel dieses Moduls ist es, vorkommende Schwankungen in der Zeckendynamik sowohl mit dem Mikroklima als auch mit der Wirtsdynamik zu korrelieren. Um den statistischen Vergleich aller Sammelstellen zu gewährleisten, werden für Modul 1 und 2 durchgehend die gleichen Sammelmethoden verwendet. Um die Zeckenaktivität unabhängig von Jahreszeit, Wetter und Tageszeit messen zu können, hat das KIT sowie die Universität Hohenheim zusätzlich Zeckenstationen in Karlsruhe und Stuttgart aufgebaut, die mehrmals wöchentlich kontrolliert werden. In Modul 3 werden alle gesammelten Zecken aus Modul 1 und 2 vom LGA auf das Vorkommen von Borrelia- und Rickettsia-Arten sowie auf FSME-Viren und Babesia spp. untersucht. In Modul 4 findet eine übergreifende Analyse aller Daten aus den vorherigen Modulen statt, um die relative Bedeutung der untersuchten Faktoren zu bestimmen und um damit ein Risikomodell zu erstellen, das die Bedeutung von Klimaveränderungen für Zeckenübertragene Erkrankungen in Baden-Württemberg mit einbezieht. Bisher ist das Projekt von Frühjahr 2012 bis Frühjahr 2014 durch die Landesanstalt für Umwelt, Messungen und Naturschutz Baden-Württemberg (LUBW) finanziert. Weiterführende Untersu chungen wären aber wünschenswert und auch notwendig. Landesgesundheitsamt Baden-Württemberg / Jahresbericht 2012

Einblicke in die Arbeit – kurz zusammengefasst 15 Von Mäusen und Menschen mit Hantaviren Ides Boone, Christiane Wagner-Wiening, Dorothee Lohr, Günter Pfaff, Ref. 95 Befragungen von Erkrankten und Menschen aus ihrer Nachbarschaft zeigen: Wer mehr über Hantaviren weiß, hat ein geringeres Risiko, zu erkranken. Im Jahr 2012 wurden in Baden-Württemberg 1 683 Erkrankungen durch Hantavirus-Infektionen gemeldet, die die Falldefinition des Robert Koch-Instituts erfüllen. In der bisher größten Hantavirus-Epidemie erkrankten mehr Menschen als in den früheren Ausbruchsjahren 2007 (1 089 Fälle) und 2010 (997 Fälle). Bundesweit wurden 60 % der Hantavirus-Fälle in Baden-Württemberg gezählt. Der Beginn des Ausbruchs zeichnete sich bereits im Herbst 2011 durch einen Anstieg der Fälle ab. Ein starker Fruchtanhang bei Buchen und Eichen hatte das Jahr 2011 zu einem Mastjahr mit idealen Nahrungsbedingungen für Rötelmäuse als Überträger des Hantavirus gemacht. Die meisten Hantavirus-Erkrankungen wurden zwischen April und Mai 2012 gemeldet. In den Ausbruchsjahren 2007 und 2010 lag der Gipfel der Erkrankungszahlen etwa drei bzw. fünf Wochen später. Wie bei früheren Ausbrüchen waren vor allem Männer (70 %) in der Altersgruppe zwischen 20-59 Jahren betroffen. Auch die geografische Verteilung der Hantavirus-Fälle entsprach den Verbreitungsgebieten der Vorjahre. Fast die Hälfte der Erkrankungen (46 %) wurden aus Stuttgart und den Landkreisen Reutlingen, Göppingen, Esslingen und Böblingen übermittelt. Die am häufigsten verzeichneten Symptome waren Fieber (89 %), Nierenfunktionsstörungen (67%), Kopfschmerzen (56%), Muskel-, Glieder- und Rückenschmerzen (48 %). Zwei Drittel der Fälle mussten im Krankenhaus behandelt werden; es gab keinen Todesfall. Bereits zu Beginn des Jahres 2012 veröffentlichte das Regierungspräsidium Stuttgart eine Pressemitteilung des LGA zu Hantaviren und Präventionsmaßnahmen. Weitere Pressemitteilungen des Landesgesundheitsamtes Baden-Württemberg (LGA) im März und im Mai 2012 durch das Ministerium für Arbeit und Sozialordnung, Familie, Frauen und Senioren Baden-Württemberg bewirkten ein breites Medienecho. Um Kenntnisse darüber zu gewinnen, ob die Informationen zu Risikofaktoren und zur Prävention von Hantavirus-Infektionen von der Bevölkerung wahrgenommen werden, wurde in Zusammenarbeit mit Gesundheitsämtern betroffener Kreise eine Fall-Kontroll-Studie begonnen. Zwischen Juli und Dezember wurden 246 Erkrankte (Fälle) und 181 Nichterkrankte (Kontrollen) aus deren Nachbarschaft zu Risikofaktoren, Anwendung von Präventionsmaßnahmen, zur Risikowahrnehmung und zum Kenntnisstand über Hantavirus-Infektionen befragt. Vorläufige Ergebnisse lassen den Schluss zu, dass Präventionsmaßnahmen wie das Tragen von Mundschutz und Handschuhen zwar bekannt sind, jedoch im Alltag selten umgesetzt werden. Untersucht wird nun, ob Nichterkrankte einen höheren Wissenstand zu Hantaviren als Erkrankte hatten. Nach eigenen Angaben wandten Nichterkrankte auch Präventionsmaßnahmen häufiger an, wie Lüften von Räumen vor dem Reinigen und Händewaschen nach der Arbeit. Analyse 140 Pressemitteilung 3 120 übermittelte Fälle/Woche 100 80 60 40 Pressemitteilung 1 Pressemitteilung 2 20 0 1 4 7 10 13 16 19 22 25 28 31 34 37 40 43 46 49 52 Kalenderwoche Gemeldete Hantavirus-Fälle 2012 (Säulen), 2010 (gelbe Linie) und 2007 (schwarze Linie) mit Maxima und Minima 2008, 2009, 2011 (orangene Fläche) Landesgesundheitsamt Baden-Württemberg / Jahresbericht 2012

14<br />

Einblicke in die Arbeit – kurz zusammengefasst<br />

Untersuchung der Ökologie von Zecken als Überträger von<br />

Krankheitserregern in Baden-Württemberg in Bezug auf Habitat,<br />

Landnutzung, Wirtstiere und Klima<br />

Patrick Sebastian, Rainer Oehme, Ref. 93<br />

Analyse<br />

Zecken und von Zecken übertragene Erkrankungen<br />

sind von großer Bedeutung für die Gesundheit von<br />

Mensch und Tier. Über die Faktoren, die ihre Verbreitung<br />

und Dynamik beeinflussen, ist allerdings nur wenig<br />

bekannt. In diesem Projekt arbeiten Spezialisten<br />

aus verschiedenen Fachbereichen zusammen, um den<br />

Einfluss von Wetter, (Mikro-)Klima, Habitat, Landnutzung,<br />

menschlichen Eingriffen und die Populationsdynamik<br />

der Wirtstiere auf die Verbreitung und Dynamik<br />

von Zecken und den von ihnen übertragenen Krankheitserregern<br />

für Baden-Württemberg zu bestimmen.<br />

Ziel des Projektes ist es, aufgrund der gewonnenen<br />

Erkenntnisse spezifische Zecken-Pathogen-Risikokarten<br />

für Baden-Württemberg zu erstellen und damit<br />

die Grundlagen für Maßnahmen im Rahmen des<br />

Gesundheitsschutzes und der Prävention in Baden-<br />

Württemberg zu verbessern.<br />

Die Studie ist in drei Forschungsmodule (1-3) und ein<br />

Modul (4), das sich mit der Analyse der Forschungsmodule<br />

1-3 beschäftigt, unterteilt (siehe Abbildung). Die<br />

Module 1-3 bestehen jeweils aus mehreren Submodulen,<br />

die sich mit bestimmten ökologischen Variablen<br />

befassen. Modul 1 untersucht das großflächige Verbreitungsmuster<br />

von Zecken und zeckenübertragenen<br />

Erkrankungen in Baden-Württemberg in Abhängigkeit<br />

von landschaftlichen, klimatischen und ökologischen<br />

Faktoren. Anhand eines Kriterienkatalogs werden an<br />

20 ausgewählten Standorten, die typischen Habitaten<br />

in Baden-Württemberg entsprechen, einmal monatlich<br />

Zecken gesammelt und bestimmt (Abt. Ökologie<br />

Koordination: Karlsruher Institut für Technologie (KIT)<br />

Umwelt Detaillierte Studien Pathogene<br />

Modul 1<br />

Karlsruher Institut für Technologie (KIT)<br />

Landesgesundheitsamt Baden-<br />

Württemberg (LGA)<br />

- Großflächige Verteilung<br />

- Landnutzung<br />

- Klimadaten<br />

Modul 2<br />

Karlsruher Institut für Technologie (KIT)<br />

Universität Hohenheim<br />

- Mikroklima<br />

- Säugetiere<br />

- Habitatsfragmetierung<br />

- Zeckenaktivität<br />

Modul 4<br />

Individuelle Analysen<br />

Datenauswertung<br />

Zusammenfassung der Daten und Modellentwicklung<br />

Modul 3<br />

Landesgesundheitsamt Baden-<br />

Württemberg (LGA)<br />

- Pathogen-Nachweis<br />

- Pathogen-Prävalenz<br />

- Vorkommen/Abwesenheit von FSME<br />

Projektstruktur – die vier Module und ihre jeweiligen Komponenten<br />

und Parasitologie, Karlsruher Institut für Technologie<br />

[KIT]; Landesgesundheitsamt Baden-Württemberg<br />

[LGA]). Zusätzlich werden an diesen Standorten wichtige<br />

mikroklimatische Daten erhoben. Am Institut für<br />

Geo graphie und Geoökologie des KIT (IfGG) werden<br />

in einem Geoinforma tionssystem (GIS) die Daten der<br />

Zeckenabundanzen mit den jeweiligen Landschaftsmustern<br />

und dem lokalen Klima verknüpft, um die<br />

Lebensräume, die für Zecken besonders günstig erscheinen,<br />

zu erfassen. In Modul 2 untersucht das KIT<br />

im Detail, inwiefern Mikroklima, Habitat und Wirtstiere<br />

die Populationsdynamik von Zecken beeinflussen. An<br />

fünf Intensivmessstationen werden monatlich Kleinsäugerwirte<br />

lebend gefangen und auf Zeckenbefall<br />

untersucht, Zecken auf der Vegetation gesammelt<br />

und mikroklimatische Daten aufgenommen. Das Ziel<br />

dieses Moduls ist es, vorkommende Schwankungen<br />

in der Zeckendynamik sowohl mit dem Mikroklima als<br />

auch mit der Wirtsdynamik zu korrelieren. Um den statistischen<br />

Vergleich aller Sammelstellen zu gewährleisten,<br />

werden für Modul 1 und 2 durchgehend die<br />

gleichen Sammelmethoden verwendet. Um die Zeckenaktivität<br />

unabhängig von Jahreszeit, Wetter und<br />

Tageszeit messen zu können, hat das KIT sowie die<br />

Universität Hohenheim zusätzlich Zeckenstationen in<br />

Karlsruhe und Stuttgart aufgebaut, die mehrmals wöchentlich<br />

kontrolliert werden. In Modul 3 werden alle<br />

gesammelten Zecken aus Modul 1 und 2 vom LGA<br />

auf das Vorkommen von Borrelia- und Rickettsia-Arten<br />

sowie auf FSME-Viren und Babesia spp. untersucht.<br />

In Modul 4 findet eine übergreifende Analyse aller<br />

Daten aus den vorherigen<br />

Modulen statt, um die relative<br />

Bedeutung der untersuchten<br />

Faktoren zu bestimmen<br />

und um damit ein Risikomodell<br />

zu erstellen, das<br />

die Bedeutung von Klimaveränderungen<br />

für Zeckenübertragene<br />

Erkrankungen<br />

in Baden-Württemberg mit<br />

einbezieht. Bisher ist das<br />

Projekt von Frühjahr 2012<br />

bis Frühjahr 2014 durch<br />

die Landesanstalt für Umwelt,<br />

Messungen und Naturschutz<br />

Baden-Württemberg<br />

(LUBW) finanziert. Weiterführende<br />

Untersu chungen<br />

wären aber wünschenswert<br />

und auch notwendig.<br />

Landesgesundheitsamt Baden-Württemberg / <strong>Jahresbericht</strong> 2012

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