Oktober (Doppelseiten) - experimenta.de
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Foto: Sabine Kress<br />
Der Verkauf ihres Körpers bricht die Frau, seelisch, und allzu oft auch körperlich. Ebenso wie<br />
Drogenkonsum. An<strong>de</strong>rs als beim Drogenkonsum, kann von Freiwilligkeit aber nicht wirklich<br />
die Re<strong>de</strong> sein. Die Statistik spricht eine ein<strong>de</strong>utige Sprache: Missbrauchstraumata, seelische<br />
Verletzungen kombiniert mit Armut sind in fast je<strong>de</strong>m Einzelfall die Grundlage für <strong>de</strong>n Weg in die<br />
Prostitution. Die Schwe<strong>de</strong>n bringen mit ihrem Freierverbot zum Ausdruck: Wir wollen nicht, dass<br />
die Notlage <strong>de</strong>r Frauen folgenlos von Männern ausgenutzt wird. Das Geschäft mit <strong>de</strong>r Prostitution<br />
ist reine Machtausübung von Männern über Frauen.<br />
Auch in <strong>de</strong>r Praxis führte die Strafbarkeit <strong>de</strong>r Freier quasi zu Beweislastumkehrungen, die das<br />
Strafgesetz eigentlich nicht kennt, weil <strong>de</strong>r Staat zu ermitteln hat. Aber im Ergebnis zeigte dies<br />
ein prominentes Beispiel. Als 1977 eine anonyme Prostituierte <strong>de</strong>n späteren Ministerpräsi<strong>de</strong>nten<br />
Olof Palme <strong>de</strong>r Inanspruchnahme von Prostitution einer Min<strong>de</strong>rjährigen anzeigte, glaubte man ihr<br />
nicht, verurteilte lediglich die Betreiberin <strong>de</strong>s Bor<strong>de</strong>lls. Das entspricht <strong>de</strong>r <strong>de</strong>utschen Handhabung.<br />
Im Jahre 2010 mel<strong>de</strong>te sich eine Prostituierte zu Wort, die <strong>de</strong>n damaligen schwedischen<br />
Arbeitsminister Sven Otto Littorin beschuldigte. Dieser trat daraufhin zurück, um seine Familie zu<br />
schonen. Man glaubte <strong>de</strong>r Prostituierten.<br />
www.eXperimenta.<strong>de</strong> 36 <strong>Oktober</strong> 2013<br />
<strong>Oktober</strong> 2013<br />
37<br />
Dieser Vorgang und auch <strong>de</strong>r Bericht über die Ergebnisse <strong>de</strong>s Anti-Freier-Gesetzes <strong>de</strong>s<br />
parlamentarischen Untersuchungsausschusses aus <strong>de</strong>m Jahr 2008 belegen ein Um<strong>de</strong>nken im<br />
Wertegefühl <strong>de</strong>r Bevölkerung. Den Sexkauf, wie ihn sich <strong>de</strong>r ganz normale Familienvater hin und<br />
wie<strong>de</strong>r mal gönnte, wird in <strong>de</strong>r schwedischen Gesellschaft heute geächtet. Die Straßenprostitution<br />
ist um die Hälfte gesunken und Trafficking fin<strong>de</strong>t in Schwe<strong>de</strong>n in wesentlich geringerem Umfang<br />
statt, als in allen an<strong>de</strong>ren westeuropäischen Län<strong>de</strong>rn.<br />
So kann ein Gesetz als Grundsatzentscheidung einer Gesellschaft nachhaltig Wirkung zeigen,<br />
sowohl faktisch als auch moralisch. Eine Gesellschaft nimmt zu ihrer Werteordnung damit<br />
Stellung. Und zieht an<strong>de</strong>re Gesellschaften in seiner Vorbildfunktion nach: Norwegen und Island<br />
haben inzwischen ebenfalls Anti-Freier-Gesetze erlassen.<br />
Übrigens: Frankreich hat Bor<strong>de</strong>lle bereits seit 1946 verboten, <strong>de</strong>r Straßenstrich ist ebenfalls<br />
verboten. Seit 2003 ist sogar das passive Anwerben, durch Blickkontakt und Anlächeln, mit<br />
<strong>de</strong>m legendären Sarkozy-Gesetz unter Strafe gestellt („la loi Sarkozy“). Immer wie<strong>de</strong>r wer<strong>de</strong>n<br />
Versuche unternommen, mit Gesetzesinitiativen <strong>de</strong>m schwedischen Vorbild zu folgen, auch Freier<br />
zu bestrafen. Es scheint sich in <strong>de</strong>r französischen Bevölkerung immer mehr die Überzeugung<br />
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