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Artikel gespeichert von: http://www.familienleben.ch/article.php?articleid=3197<br />

Medienkonsum: Kanufahren statt Playstation<br />

spielen<br />

Wilfried Brüning meint es ernst. Der Medienpädagoge aus Deutschland rüttelt Eltern<br />

gnadenlos wach. Denn er hat eine Mission: Er will Kinder vor der Verblödung retten,<br />

welche die neuen Medien mit sich bringen können. Deshalb tourt er durch den deutschsprachigen<br />

Raum und erklärt, wie wichtig es ist, den Medienkonsum der Kinder zu begrenzen.<br />

Statt einer Playstation sollten Eltern ihren Kindern lieber eine Kanufahrt schenken, findet<br />

Wilfried Brüning. Foto: Wavebreak Media, Thinkstock<br />

So leicht werden die Eltern den Vortrag über den Medienkonsum von Kindern, den der Verband<br />

Elternbildung Schweiz im März in Zürich organisierte, nicht vergessen. Dafür sorgt Medienpädagoge<br />

Wilfried Brüning. Statt theoretischer Vorträge über die Erkenntnisse aus der<br />

Hirnforschung zum Einfluss der neuen Medien auf die Entwicklung von Kindern, gibt es<br />

simple Rollenspiele mit Tennisbällen, Zitronen und Luftschlangen.<br />

Medienkonsum unbedingt einschränken<br />

Was Wilfried Brüning den Schweizer Eltern mit diesen Spielen ans Herz legen will, ist eine<br />

einfache Botschaft: «Wir müssen die Bildschirmmedienzeit unserer Kinder begrenzen.» Das<br />

sagt er mehr als nur einmal. Konkret heisst das:<br />

<br />

Kinder unter drei Jahren sollten nicht fernsehen und keine Computerspiele oder andere<br />

virtuelle Spiele nutzen.


Für Kinder im Kindergartenalter genügen 30 Minuten Medienkonsum (Fernsehen,<br />

DVD, Computerspiele, Konsolen-Spiele, Chat-Foren) pro Tag.<br />

Primarschulkinder sollten sich mit 60 Minuten Medienkonsum pro Tag zufrieden geben.<br />

Für ältere Kinder sind 90 Minuten am Tag noch vertretbar.<br />

Statt einer Playstation sollten Eltern ihren Kindern lieber eine Kanufahrt bezahlen. Statt Kinder<br />

nach der Schule fernsehen zu lassen, sollten sie sie in den Wald schicken. «Hören Sie auf,<br />

Ihre Kinder einzupampern», sagt der Medienpädagoge und Filmregisseur aus Deutschland,<br />

der viele Jahre in der offenen Jugendarbeit tätig war . Auch wenn es schwer falle und Eltern<br />

Angst vor unwirschen Reaktionen ihrer Kinder haben, «Ihre Kinder werden Sie weiterhin<br />

lieben, auch wenn die Spielkonsole nicht unter dem Weihnachtsbaum liegt». Kindern den<br />

Fernseher oder das Computerspiel zu verbieten, falle Eltern besonders schwer, weil sie häufig<br />

selbst gern einmal vor dem Fernseher entspannen.<br />

Hoher Medienkonsum: negativ für die Entwicklung der<br />

Kinder<br />

Seine Argumente für die Begrenzung des Medienkonsums untermauert Brüning mit Erkenntnissen<br />

aus der Hirnforschung. Übermässiger Bildschirmkonsum wirke sich negativ auf die<br />

Entwicklung der Kinder aus. Ihre Gehirne seien einfacher strukturiert, die Ausbildung von<br />

Metakompetenzen wie Teamfähigkeit oder Kreativität werde verhindert, die Reifung der<br />

kindlichen Psyche werde beeinträchtigt und das Lernen werde schwieriger. Brüning warnt:<br />

«Wir sind gerade dabei unseren Kindern die Kindheit zu stehlen.»<br />

In einem Videoausschnitt stellt er den zuhörenden Eltern Daniel und Robert vor. Daniel ist<br />

beim Fussballspielen draussen auf der Wiese zu sehen, Robert spielt virtuell Fussball mit der<br />

Konsole vor dem Fernseher. Daniels Gehirn läuft auf Hochtouren, denn der Hörsinn muss mit<br />

dem Gleichgewichtssinn in Verbindung treten, die Reaktionsgeschwindigkeit mit dem Bereich,<br />

der die Fehlentscheidungen korrigiert. Fast alle seine Sinne sind im Einsatz. Zudem<br />

lernt er beim Training Geduld zu haben, bis ein Tor fällt. Er lernt, sich in einer Gruppe zu<br />

integrieren und noch viel mehr. Robert dagegen lernt das nicht. In Roberts Gehirn entwickelt<br />

sich kein hochaktives Netzwerk. Er muss lediglich geradeaus sehen, geradeaus hören und<br />

seine Finger bewegen. Die inaktiven Gehirnzellen können absterben.<br />

Später sehen wir Daniel, der zuvor draussen Fussball gespielt hat, bei den Hausaufgaben. Er<br />

ist sehr geduldig, denn das ist er vom Fussballspielen gewohnt. Er weiss, dass er sich anstrengen<br />

und nicht alles sofort klappen muss. Die Kompetenzen, die er während des Fussballspielens<br />

erworben hat, nützen ihm auch für das Lernen. Robert dagegen verzweifelt an seinen<br />

Hausaufgaben. Er verlernt durch das Videospielen, wie geduldig er sein muss und wie viel<br />

Anstrengung es kostet um die Aufgaben zu lösen.


Ein hoher Medienkonsum sei negativ für die Entwicklung unserer Kinder, sagt Wilfried<br />

Brüning. Foto: Angela Zimmerling<br />

Ähnlich wie Robert ergeht es Kindern, die Fernsehen schauen. Wilfried Brüning empfiehlt,<br />

direkt nach der Schule kein Fernsehen zu schauen, sondern erst in den Abendstunden. Der<br />

Medienkonsum nach der Schule bewirkt, dass sich die Kinder später nicht auf Hausaufgaben<br />

konzentrieren können. Das neue Wissen, was Kinder in der Schule gelernt haben, kann nicht<br />

verarbeitet und im Langzeitgedächtnis gespeichert werden. «Bevor wir unseren Kindern erlauben<br />

den Fernseher einzuschalten, müssen wir uns die Frage stellen: Wie viel Zeit der<br />

Nicht-Entwicklung wollen wir unseren Kindern zumuten», fragt der Medienpädagoge.<br />

Es gehe ihm dabei nicht um die Verteufelung der neuen Medien, betont er. Vielmehr will er<br />

Eltern dazu bewegen, den gefährlichen Medienkonsum einzuschränken. Ein «Ja, aber» lässt<br />

Brüning dennoch nicht gelten. Auch wenn Eltern zu ihm kämen und ihm erklären würden,<br />

dass ihr Sohn trotz Videospielen gut in der Schule sei und auch im realen Leben Fussball<br />

spiele, halte er dagegen und sage: «Es gibt so viele Beispiele, bei denen das nicht klappt.»<br />

Laut einem <strong>Bericht</strong> des Beobachters vom vorigen Herbst konnte bisher allerdings nicht gezeigt<br />

werden, ob beispielsweise intensive Computernutzung im Kindesalter zu irreversiblen<br />

Schäden führt oder ob wenig trainierte Hirnleistungen später kompensiert werden. Lutz<br />

Jäncke, Neuropsychologe an der Uni Zürich, sei laut Beobachter ziemlich sicher, dass unser<br />

Denkorgan flexibel auf die neuen Herausforderungen reagieren wird: «Ich bin überzeugt, dass<br />

das Gehirn sich von so etwas nicht aus dem Konzept bringen lässt.»<br />

Medienkonsum von Büchern ist sinnvoll<br />

Bedenkenlos ist für Brüning der Medienkonsum von Büchern, Hörspielen oder Musik. Sie<br />

regen die Kreativität und Fantasie an. Auch Computer gehören seiner Meinung nach dazu,<br />

wenn sie vor allem für die Recherche im Internet oder für schulische Zwecke genutzt werden.<br />

Gegen Lernprogramme hat er nichts einzuwenden. Als Filmregisseur kann er als Alternative<br />

zu Computer- und Videospielen Digital- und Videokameras empfehlen. Damit könnten Kinder<br />

kreativ werden und ihr eigenes Fotobuch oder einen Kurzfilm erstellen.


Weitere Informationen zum Medienkonsum<br />

<br />

<br />

<br />

Auf der Webseite www.jugendundmedien.ch gibt es viele Tipps zum Medienkonsum<br />

von Kindern und Jugendlichen.<br />

Der Medienpädagoge Wilfried Brüning ist auch Autor des Filmes «Wege aus der<br />

Brüllfalle»: www.wege-aus-der-bruellfalle.de<br />

Veranstaltungen von Elternbildung Schweiz finden Sie unter elternbildung.ch<br />

Autor: Angela Zimmerling im März 2013

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