Thema Ägypten: Sind die Kartuschen in den „Entlastungskammern“

Thema Ägypten: Sind die Kartuschen in den „Entlastungskammern“ Thema Ägypten: Sind die Kartuschen in den „Entlastungskammern“

01.03.2014 Aufrufe

Thema Ägypten Sind die Kartuschen in den „Entlastungskammern“ gefälscht oder nicht? Gernot L. Geise Daran entzünden sich seit ihrer Entdeckung die Geister: Wie echt sind die Graffiti in den sogenannten Entlastungskammern der Cheopspyramide? Wie bekannt, hat sie der britische Oberst Richard Howard Vyse „entdeckt“, nachdem er sich 1835 den Zugang mit Schießpulver freigesprengt hatte. Die einzelnen übereinander liegenden Kammern benannte er nach prominenten Engländern. Diese Bezeichnungen tragen sie bis heute. Einige Tage, nachdem er die oberste Kammer, die er nach Oberst Campbell benannt hatte, dem britischen Konsul in Kairo, will er dann dort an einem Stein eine hingemalte Kartusche mit dem Herrschernamen des Cheops (Khufu) entdeckt haben. Damit wurde endgültig Cheops als Bauherr der Großen Pyramide zementiert, denn die Entdeckung der Kartusche war eine Sensation, wurde doch bisher kein einziger Hinweis auf den Erbauer der Pyramide gefunden. Doch schnell mehrten sich Zweifel an der Echtheit, denn manchen der ersten Besucher fiel auf, dass die Schriftzüge seltsam frisch wirkten. Angeblich hatten spätere Farbanalysen ergeben, dass eine Farbe verwendet wurde, die noch 1837 auf dem Bazar von Kairo zu erhalten war. Carl Richard Lepsius war damals der bedeutendste deutsche Ägyptologe. Dieser wunderte sich darüber, dass die verwendeten Schriftzeichen der erst später entstandenen hieratischen Schrift ähnelten und teilweise ungewöhnliche Formen aufweisen würden. Es wurde eine Schreibweise verwendet, die erst seit dem Mittleren Reich üblich war, aber seltsamerweise kam wohl niemand auf den Gedanken, dass Vyse der große Fälscher war, der sich den Ruhm anheften wollte, der große Entdecker zu sein. In einer der anderen Kammern fand man eine Kartusche mit dem Richard Howard Vyse (1784-1853) Namen „Chum-Chufu“, was man als weiterer Cheops-Name interpretierte. Allerdings ebenfalls in einer Schreibweise, die erst im Mittleren Reich üblich war. Nach der offiziellen Lehrmeinung hätten die Bautrupps („Phylen“) die jeweiligen Zeichen bereits in den Steinbrüchen aufgemalt, weil sie mitein ander in Wettbewerb standen und mit ihren Texten darauf hinweisen wollten, dass sie es waren, die diesen Stein behauen oder fertiggestellt hätten. Während die Ägyptologen keinen Zweifel an der Echtheit der Chufu- Kartuschen haben, haben sich Außenseiter-Forscher damit befasst. U. a. behauptete der umstrittene Orientalist Zecharia Sitchin, der Herrscher-Name sei falsch geschrieben: Anstelle des Ch ( ) würde ein Ra-Zeichen ( ) stehen. Diese Behauptung konnte allerdings inzwischen widerlegt werden. Sollte Howard-Vyse sie gefälscht haben, dann eigentlich überaus dilettantisch, denn einige der Hieroglyphen, die er an die Wände der „Entlastungskammern” malte, stehen auf dem Kopf, andere enthalten orthografische oder grammatikalische Fehler und wieder andere sind unidentifizierbar. Solche Fehler wären den alten Ägyptern kaum unterlaufen. Die als „Steinbruchzeichen” hingestellten Inschriften lauten: Eines der von Vyse aufgefundenen Zeichen in den „Entlastungskammern”. Die Kartusche reicht bis knapp an den Anschlussstein. Stadelmann bezeichnet sie immer noch (1991) als „Steinbruchinschrift mit dem Namen des Cheops ...” SYNESIS-Magazin Nr. 1/2013 29

<strong>Thema</strong> <strong>Ägypten</strong><br />

<strong>S<strong>in</strong>d</strong> <strong>die</strong> <strong>Kartuschen</strong><br />

<strong>in</strong> <strong>den</strong> <strong>„Entlastungskammern“</strong><br />

gefälscht oder nicht?<br />

Gernot L. Geise<br />

Daran entzün<strong>den</strong> sich seit ihrer<br />

Entdeckung <strong>die</strong> Geister: Wie echt<br />

s<strong>in</strong>d <strong>die</strong> Graffiti <strong>in</strong> <strong>den</strong> sogenannten<br />

Entlastungskammern der Cheopspyramide?<br />

Wie bekannt, hat sie der<br />

britische Oberst Richard Howard Vyse<br />

„entdeckt“, nachdem er sich 1835 <strong>den</strong><br />

Zugang mit Schießpulver freigesprengt<br />

hatte. Die e<strong>in</strong>zelnen übere<strong>in</strong>ander liegen<strong>den</strong><br />

Kammern benannte er nach<br />

prom<strong>in</strong>enten Engländern. Diese Bezeichnungen<br />

tragen sie bis heute.<br />

E<strong>in</strong>ige Tage, nachdem er <strong>die</strong><br />

oberste Kammer, <strong>die</strong> er nach Oberst<br />

Campbell benannt hatte, dem britischen<br />

Konsul <strong>in</strong> Kairo, will er dann<br />

dort an e<strong>in</strong>em Ste<strong>in</strong> e<strong>in</strong>e h<strong>in</strong>gemalte<br />

Kartusche mit dem Herrschernamen<br />

des Cheops (Khufu) entdeckt haben.<br />

Damit wurde endgültig Cheops<br />

als Bauherr der Großen Pyramide<br />

zementiert, <strong>den</strong>n <strong>die</strong> Entdeckung der<br />

Kartusche war e<strong>in</strong>e Sensation, wurde<br />

doch bisher ke<strong>in</strong> e<strong>in</strong>ziger H<strong>in</strong>weis auf<br />

<strong>den</strong> Erbauer der Pyramide gefun<strong>den</strong>.<br />

Doch schnell mehrten sich Zweifel<br />

an der Echtheit, <strong>den</strong>n manchen der ersten<br />

Besucher fiel auf, dass <strong>die</strong> Schriftzüge<br />

seltsam frisch wirkten. Angeblich<br />

hatten spätere Farbanalysen ergeben,<br />

dass e<strong>in</strong>e Farbe verwendet wurde, <strong>die</strong><br />

noch 1837 auf dem Bazar von Kairo<br />

zu erhalten war.<br />

Carl Richard Lepsius war damals<br />

der bedeutendste deutsche Ägyptologe.<br />

Dieser wunderte sich darüber,<br />

dass <strong>die</strong> verwendeten Schriftzeichen<br />

der erst später entstan<strong>den</strong>en hieratischen<br />

Schrift ähnelten und teilweise<br />

ungewöhnliche Formen aufweisen<br />

wür<strong>den</strong>. Es wurde e<strong>in</strong>e Schreibweise<br />

verwendet, <strong>die</strong> erst seit dem Mittleren<br />

Reich üblich war, aber seltsamerweise<br />

kam wohl niemand auf <strong>den</strong> Gedanken,<br />

dass Vyse der große Fälscher war,<br />

der sich <strong>den</strong> Ruhm anheften wollte,<br />

der große Entdecker zu se<strong>in</strong>.<br />

In e<strong>in</strong>er der anderen Kammern<br />

fand man e<strong>in</strong>e Kartusche mit dem<br />

Richard Howard Vyse (1784-1853)<br />

Namen „Chum-Chufu“, was man als<br />

weiterer Cheops-Name <strong>in</strong>terpretierte.<br />

Allerd<strong>in</strong>gs ebenfalls <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Schreibweise,<br />

<strong>die</strong> erst im Mittleren Reich<br />

üblich war.<br />

Nach der offiziellen Lehrme<strong>in</strong>ung<br />

hätten <strong>die</strong> Bautrupps („Phylen“) <strong>die</strong><br />

jeweiligen Zeichen bereits <strong>in</strong> <strong>den</strong><br />

Ste<strong>in</strong>brüchen aufgemalt, weil sie mite<strong>in</strong><br />

ander <strong>in</strong> Wettbewerb stan<strong>den</strong> und<br />

mit ihren Texten darauf h<strong>in</strong>weisen<br />

wollten, dass sie es waren, <strong>die</strong> <strong>die</strong>sen<br />

Ste<strong>in</strong> behauen oder fertiggestellt hätten.<br />

Während <strong>die</strong> Ägyptologen ke<strong>in</strong>en<br />

Zweifel an der Echtheit der Chufu-<br />

<strong>Kartuschen</strong> haben, haben sich Außenseiter-Forscher<br />

damit befasst. U. a.<br />

behauptete der umstrittene Orientalist<br />

Zecharia Sitch<strong>in</strong>, der Herrscher-Name<br />

sei falsch geschrieben: Anstelle des Ch<br />

( ) würde e<strong>in</strong> Ra-Zeichen ( ) stehen.<br />

Diese Behauptung konnte allerd<strong>in</strong>gs<br />

<strong>in</strong>zwischen widerlegt wer<strong>den</strong>.<br />

Sollte Howard-Vyse sie gefälscht<br />

haben, dann eigentlich überaus dilettantisch,<br />

<strong>den</strong>n e<strong>in</strong>ige der Hieroglyphen,<br />

<strong>die</strong> er an <strong>die</strong> Wände der<br />

„Entlastungskammern” malte, stehen<br />

auf dem Kopf, andere enthalten orthografische<br />

oder grammatikalische<br />

Fehler und wieder andere s<strong>in</strong>d uni<strong>den</strong>tifizierbar.<br />

Solche Fehler wären <strong>den</strong><br />

alten Ägyptern kaum unterlaufen. Die<br />

als „Ste<strong>in</strong>bruchzeichen” h<strong>in</strong>gestellten<br />

Inschriften lauten:<br />

E<strong>in</strong>es der von Vyse aufgefun<strong>den</strong>en Zeichen <strong>in</strong> <strong>den</strong> „Entlastungskammern”. Die Kartusche<br />

reicht bis knapp an <strong>den</strong> Anschlussste<strong>in</strong>. Stadelmann bezeichnet sie immer noch (1991) als<br />

„Ste<strong>in</strong>bruch<strong>in</strong>schrift mit dem Namen des Cheops ...”<br />

SYNESIS-Magaz<strong>in</strong> Nr. 1/2013<br />

29


<strong>Thema</strong> <strong>Ägypten</strong><br />

„Die Arbeitsgruppe, wie mächtig<br />

ist <strong>die</strong> weiße Krone des Chnum-<br />

Chufu. Chufu. Chnum Chufu. Jahr<br />

siebzehn” [Edwards, I. E. S., Die<br />

Ägyptischen Pyrami<strong>den</strong>, S. 180;<br />

Lemesurier, The Great Pyramid.<br />

Your Personal Guide, Shaftesbury<br />

1987, S. 71, zitiert <strong>in</strong> Hancock, S.<br />

336].<br />

Die Wissenschaft übernahm freudig<br />

se<strong>in</strong>e Def<strong>in</strong>ition, es sei der Beleg,<br />

dass Chufu (Cheops) der Bauherr der<br />

Pyramide gewesen sei. Doch <strong>die</strong> Hieroglyphe<br />

„Chnum-Chufu” sagt nicht<br />

mehr und nicht weniger als „Der Gott<br />

Chnum beschützt mich” aus. E<strong>in</strong> solcher<br />

Fehler hätte Vyse jedoch nicht<br />

unterlaufen dürfen, wenn er e<strong>in</strong> wenig<br />

mehr Wissen gehabt hätte, <strong>den</strong>n Chnum<br />

war e<strong>in</strong> Gott Oberägyptens und<br />

<strong>in</strong> der Gizeh-Region niemals ansässig!<br />

(Stöber, Herr der Götter, S. 297). Doch<br />

<strong>die</strong>se plumpe Fäl schungsaktion will <strong>die</strong><br />

Ägyptologie nicht als solche erkannt<br />

haben und bestreitet sie bis heute ...<br />

wohl auch deshalb, weil <strong>in</strong> mehreren<br />

Kammern solche oder ähnliche Zeichen<br />

gefun<strong>den</strong> wur<strong>den</strong>, <strong>die</strong> sich ansche<strong>in</strong>end<br />

h<strong>in</strong>ter anderen Ste<strong>in</strong>blöcken fortsetzen.<br />

Sollten <strong>die</strong>se ebenfalls gefälscht se<strong>in</strong>,<br />

müsste sich der Fälscher e<strong>in</strong>e ziemlich<br />

aufwändige Arbeit gemacht haben, <strong>die</strong><br />

Zeichen perfekt bis <strong>in</strong> <strong>die</strong> letzte Ritze zu<br />

malen, ohne <strong>den</strong> anschließen<strong>den</strong> Block<br />

zu beschmieren. Angesichts der anderen<br />

Hieroglyphen, <strong>die</strong> wie flüchtig h<strong>in</strong>gemalt<br />

ersche<strong>in</strong>en, ist es unwahrsche<strong>in</strong>lich,<br />

dass Vyse - sofern er der Fälscher<br />

war - so viel Zeit <strong>in</strong>vestieren konnte,<br />

um <strong>die</strong>se Perfektion zu erreichen. Andererseits<br />

erstrecken sich e<strong>in</strong>ige der<br />

Zeichen über e<strong>in</strong>en Ste<strong>in</strong>block h<strong>in</strong>aus,<br />

was wohl nur möglich ist, wenn <strong>die</strong><br />

Zeichen nachträglich aufgemalt wur<strong>den</strong>,<br />

was wiederum ke<strong>in</strong>en S<strong>in</strong>n ergäbe.<br />

Man darf nicht vergessen, dass man<br />

sich <strong>in</strong> <strong>den</strong> e<strong>in</strong>zelnen Kammern nur<br />

stark gebückt oder kriechend bewegen<br />

kann und <strong>die</strong> Lichtverhältnisse durch<br />

mitgebrachte Fackeln oder Lampen<br />

auch nicht optimal waren. Um e<strong>in</strong>ige<br />

der Zeichen aufzumalen, hätte Vyse<br />

auf dem Rücken liegen und über Kopf<br />

malen müssen.<br />

Merkwürdigerweise s<strong>in</strong>d jedoch<br />

außer <strong>in</strong> <strong>den</strong> <strong>„Entlastungskammern“</strong><br />

nirgendwo <strong>in</strong> der ganzen Cheopspyramide<br />

vergleichbare oder ähnliche<br />

Zeichen vorhan<strong>den</strong>. Es gibt Stimmen,<br />

<strong>die</strong> behaupten, an <strong>den</strong> Außenste<strong>in</strong>en<br />

sei <strong>die</strong> Farbe im Laufe der Jahrtausende<br />

h<strong>in</strong>weg ero<strong>die</strong>rt. Das kann jedoch<br />

kaum se<strong>in</strong>, weil man im Umfeld der<br />

Gizeh-Pyrami<strong>den</strong> <strong>in</strong> Mastabas und<br />

Diese Skizze von Perr<strong>in</strong>g zeigt <strong>den</strong> Teil von „Lady Arbuthnot‘s Kammer“ mit der angeblichen<br />

Khufu-Kartusche.<br />

ehemaligen Tempeln durchaus noch<br />

Ste<strong>in</strong>metzzeichen aus jener Zeit fand,<br />

<strong>die</strong> der Witterung ausgesetzt waren<br />

und trotzdem noch gut zu erkennen<br />

s<strong>in</strong>d.<br />

Die Zeichen <strong>in</strong> <strong>den</strong> <strong>„Entlastungskammern“</strong><br />

bleiben deshalb wohl auch<br />

zukünftig noch e<strong>in</strong> großes Rätsel.<br />

Literatur<br />

Hancock, Graham: „Die Spur der Götter”,<br />

Bergisch Gladbach 1995.<br />

Stöber, Harald: „Herr der Götter. Altorientalische<br />

Dokumente geben kosmische<br />

Geheimnisse preis“, Düsseldorf<br />

1987.<br />

•<br />

Aber wie verhält es sich bei <strong>die</strong>sen Zeichen, <strong>die</strong> sich ansche<strong>in</strong>end h<strong>in</strong>ter anderen Ste<strong>in</strong>en fortsetzen?<br />

30 SYNESIS-Magaz<strong>in</strong> Nr. 1/2013

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!