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Fotoszene<br />

Variante eines Konstruktivismus in der<br />

Art von Piet Mondrian bzw. der niederländischen<br />

Künstlergruppe De Stijl oder<br />

von einigen Bauhaus-Künstlern. Hier<br />

sei noch anzumerken, dass Mondrian<br />

selbst ein Verehrer von Cézanne war.<br />

© Efraim Habermann © Efraim Habermann<br />

ein Rätsel, das der Erklärung hinsichtlich<br />

seines Standortes bedarf. Das bronzene<br />

Reiterstandbild für König Friedrich<br />

Wilhelm IV. von Preußen auf der Freitreppe<br />

der Alten Nationalgalerie Berlin<br />

erhält, betrachtet zwischen den Säulen<br />

der Kolonnaden am Rande des Museums,<br />

ein geradezu martialisches Aussehen.<br />

Die Kunst des Sehens, d. h. Vorhandenes<br />

neu und anders zu betrachten,<br />

ist, wie Habermann auch beteuert, eben<br />

nicht erlernbar, sie ist das Charakteristikum<br />

des Fotografen, der zwar nur das<br />

aufnimmt, was er leibhaftig sehen kann,<br />

aber durch das Gesehene zu Neuem<br />

inspiriert wird wie der Maler durch<br />

eine schöne Frau, einen Blumenstrauß<br />

oder eine besondere Lichtstimmung zu<br />

einem Gemälde.<br />

Fast schon Ikone ist bei den Berliner<br />

Fotos und für Habermann-Fans die<br />

1968 entstandene Aufnahme des eigenen<br />

Fahrrades vor der Glasfront der<br />

Neuen Nationalgalerie am Kulturforum,<br />

in deren Scheiben sich die Silhouette<br />

der St. Matthäuskirche spiegelt.<br />

Aber auch stilllebenhafte Arrangements<br />

im urbanen Milieu gehören zum Berliner<br />

Themenkreis: eine Rose im Glas<br />

auf einem Vorsprung, dessen steinerne<br />

Struktur unter Habermanns fotografischem<br />

Auge zum Leben erwacht. Ein<br />

Obststillleben auf einem Steinplateau<br />

gerät zum Bild à la Cézanne, für<br />

Habermann als »Verdi der Malerei« ein<br />

großes Vorbild. Eine Postkarte von Vermeers<br />

berühmtem Gemälde »Mädchen<br />

mit dem Perlenohrring« (1666, Mauritshuis<br />

in Den Haag) wird vor die leere<br />

Kartusche einer Mauerfront gesetzt, die<br />

plötzlich die Funktion eines Bildrahmens<br />

erhält. In Habermanns open-air-<br />

Museum wird Kleines, Unbedeutendes<br />

groß und bedeutsam, Bekanntes, Vertrautes<br />

erscheint in neuem Gewand.<br />

Zugleich erzeugt Efraim Habermann<br />

mit den technischen Mitteln der Bildentwicklung<br />

eine Ton-Malerei, die den<br />

ästhetischen Effekt der reinen Erscheinung<br />

der Dinge akzentuiert, wenn<br />

nicht gar zum Thema macht. So wirken<br />

seine Motive materiell und immateriell<br />

zugleich, versöhnen ihre Vergänglichkeit<br />

mit ihrer gegenwärtigen Präsenz.<br />

Schließlich wurde es auch eine weitere<br />

Spezialität von Efraim Habermann,<br />

Frauen vor Gemälden abzulichten,<br />

wobei neue Sinnzusammenhänge entstehen<br />

können. Das junge Mädchen mit<br />

dem verführerischen Rückendekolleté<br />

scheint 2002 den Sprung in Gustave<br />

Courbets »Welle« (1870) aus der Alten<br />

Nationalgalerie Berlin zu wagen, die<br />

wie eine Urgewalt auf den Betrachter<br />

zurollt. Die Frau und nicht der Mann<br />

als Voyeur betrachtet 1979 in der Neuen<br />

Nationalgalerie Berlin-West kritisch das<br />

edle Hinterteil des nackten »Orangenpflückers«<br />

- eine lebensgroße Ölstudie,<br />

die der Deutschrömer Hans von Marées<br />

1876 für die berühmten Fresken in der<br />

Bibliothek der »Zoologischen Station«<br />

von Neapel malte. Warum Habermann<br />

den Kopf des jungen Adonis aussparte,<br />

bleibt der individuellen Interpretation<br />

des Betrachters überlassen.<br />

Von der Fotografie, deren Aufnahmen<br />

er in seinem selbst eingerichteten Labor<br />

in seiner Berliner Wohnung bis vor<br />

Kurzem selbst entwickelte, kam Habermann<br />

in den letzten Jahren zur Malerei:<br />

wie kleine Meditationen wirken seine<br />

postkartengroßen Aquarelle, in denen<br />

er, einzeln oder als Serie, geometrische<br />

bunte Konstruktionen auf weißes<br />

Papier applizierte: eine spielerische<br />

Efraim Habermann kombinierte Kreise<br />

und Halbkreise, Quadrate, Recht- und<br />

Vierecke, Rhomben, Balken und Punkte<br />

zu kleinen delikaten Kompositionen, in<br />

denen die Primärfarben Rot, Gelb und<br />

Blau eine tragende Rolle spielen. Dabei<br />

beließ er es je nach Einfall und Laune<br />

bei einer rein flächigen Konstruktion<br />

oder weitete diese aus zu Anordnungen,<br />

die durchaus eine plastische Wirkung<br />

zeigen bzw. eine gewisse Gegenständlichkeit<br />

suggerieren können. Diese<br />

Aquarelle halten sorgsam und auf witzige<br />

Weise alles in der Schwebe, sie<br />

laden den Betrachter unaufgeregt dazu<br />

ein, mitzupielen im bunten Baukasten<br />

der konstruktivistischen Malerei. Fotografie<br />

kann hier auch nicht, um nochmals<br />

zu Baudelaire zurückzukehren,<br />

die Malerei bedrohen, hat sie doch eher<br />

auf Habermanns Schwarz-Weiß-Aquarelle<br />

vielleicht retour gewirkt. Und auch<br />

die stille Poetik von Habermanns »positiven<br />

Bilder«, seiner Fotografien, findet<br />

sich in diesen Miniaturen, die zu nichts<br />

lautstark aufrufen und dem Beschauer<br />

keine intellektuelle Dechiffrierungsarbeit<br />

aufbürden. Sie wollen einfach da<br />

sein und betrachtet werden.<br />

Zum achtzigsten Geburtstag: nochmals<br />

Happy Birthday! Und Ihnen, liebe<br />

Freunde der Galerie Carlos Hulsch, viel<br />

Freude bei Efraim Habermanns Kunst!<br />

Dr. Angelika Leitzke, Rede zur Ausstellung<br />

»Efraim Habermann zum 80.<br />

Geburtstag«, Galerie Carlos Hulsch,<br />

Berlin, Juni <strong>2013</strong><br />

bis 16. August <strong>2013</strong><br />

Galerie Carlos Hulsch<br />

KUDAMM-KARREE<br />

Eingang: Lietzenburger Straße 80<br />

10719 Berlin-Charlottenburg<br />

Di – Fr 15 – 19 Uhr<br />

und nach Vereinbarung<br />

<strong>brennpunkt</strong> 3/<strong>2013</strong><br />

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