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Fotoszene<br />

» Afrikanische Portraits«.<br />

Ein Gespräch mit dem<br />

Fotografen Winfried<br />

Bullinger über seine<br />

Arbeit.<br />

Pepper: Zum Jahreswechsel warst Du<br />

zum wiederholten Mal in Äthiopien um<br />

dort beheimatete Volksgruppen aufzusuchen<br />

und die Menschen und ihr<br />

Leben fotografisch zu dokumentieren.<br />

Was interessiert Dich an Äthiopien?<br />

Winfried Bullinger: Äthiopien beherbergt<br />

völlig unterschiedliche Kulturräume.<br />

Mich interessieren dabei für<br />

meine Arbeit gerade die Grenzgebiete.<br />

Das Wüstenvolk der Afar im Nordosten<br />

an der Grenze zu Eritrea oder die Völker<br />

im Westen an der Grenze zu Sudan und<br />

Südsudan. Die Menschen leben dort in<br />

autonomen Gesellschaften, die sich<br />

jetzt teils im Umbruch befinden. Sieben<br />

Aufenthalte dort und im Sudan haben<br />

es mir ermöglicht, meine Portraits zu<br />

konzentrieren und eine Entwicklung zu<br />

verfolgen.<br />

Pepper: Welche Entwicklung hast Du<br />

beobachten können?<br />

Winfried Bullinger: Das Interesse verlagert<br />

sich hin zu einem Kernbereich, auf<br />

den sich die photographische Arbeit<br />

dann konzentriert. Nach den vielen Aufenthalten<br />

lenkt mich wenig ab. Ich konzentriere<br />

mich auf die Person – ich portraitiere<br />

sie wie ich dich portraitieren<br />

würde. Alles »exotische« geht verloren.<br />

Die Bildfolgen werden so stringent.<br />

Pepper: Damit unterscheidest du dich<br />

auch wohltuend von Fotografen die<br />

eben nur wegen der Exotik afrikanische<br />

Volksgruppen aufsuchen. Deine Arbeit<br />

hat, so wie du sie machst, eine ethnologische<br />

Komponente. Das gefällt mir.<br />

Winfried Bullinger: Im Mittelpunkt<br />

steht ein reichhaltiges Portrait, das über<br />

Spuren kulturelle Verknüpfungen offen<br />

legt. Das ist in der Tat ein ethnologischer<br />

Aspekt. Das Bild einer Nuer Frau aus<br />

dem Süden beispielsweise verrät die<br />

Verbindung zum arabischen Nordsudan,<br />

aus dem ihr Kleid stammt. Zugleich<br />

müssen die Bilder eine abstrakte Qualität<br />

aufweisen – sie müssen losgelöst<br />

von ihrem Kontext als Werk “funktionieren”.<br />

Pepper: Hattest du bei den portraitierten<br />

Personen durch Vorgespräche auch<br />

Zugang zu deren privatem Schicksal, so<br />

dass die Fotos nicht nur geografische<br />

und historische Korrelationen aufzeigen,<br />

sondern ganz explizit auch Ausdruck<br />

individueller Lebensumstände<br />

sind ?<br />

»Nuer«, 2011<br />

Winfried Bullinger: Es bleibt das Bild<br />

selbst, das über den Lebensweg der<br />

portraitierten Person etwas aussagt. Ich<br />

konzentriere mich auf das Bild. Mein<br />

Gegenüber gibt mir für die Begegnung<br />

ein bestimmtes Maß an Zeit. Die Aufnahme<br />

mit der Großformatkamera unter<br />

Feldbedingen braucht meine ganze Aufmerksamkeit.<br />

Manchmal folgt dem Portrait<br />

ein Gespräch, übersetzt durch den<br />

lokalen Guide, manchmal zieht die<br />

Person beschäftigt weiter. Immer recherchiere<br />

ich für ein anstehendes Projekt<br />

die Lebensbedingungen und politischen<br />

Zusammenhänge. Vor Ort ergeben<br />

sich Gespräche meist zwischendurch.<br />

Ich fertige aber über die portraitierte<br />

Person keinen Text an.<br />

Pepper: Wie offen sind die Menschen<br />

in den Regionen, die du bereist deinem<br />

Ansinnen gegenüber sie zu portraitieren?<br />

Winfried Bullinger: Fast immer besteht<br />

die Bereitschaft, meiner Einladung zu<br />

einer Portraitsitzung zu folgen. Der Aufnahmeprozess<br />

mit der Großformatkamera<br />

hat etwas rituelles, wofür die Portraitierten<br />

empfindlich sind. Sie behalten<br />

die Kontrolle über ihr Selbstbild. Schwierig<br />

war es für mich, in Ruanda und Ostkongo<br />

Portraitaufnahmen zu machen.<br />

Die Menschen dort waren gegenüber<br />

Portrait-Fotografie skeptisch.<br />

Pepper: Ach, warum das? Angst vor<br />

Okkultismus?<br />

Winfried Bullinger: Die Skepsis hängt<br />

dort mit dem Völkermord in Ruanda<br />

im Jahr 1994 und den nachfolgenden<br />

Konflikten zusammen. Die Bevölkerung<br />

scheut jede Form der Registrierung. Ich<br />

habe das respektiert.<br />

Pepper: Kannst du mir erzählen, wie<br />

dein Interesse daran in Afrika zu fotografieren<br />

entstanden ist? Du hast Ende<br />

der 1980er Jahre in Kapstadt studiert.<br />

Ist das der Beginn deiner Leidenschaft<br />

für diesen Kontinent?<br />

Winfried Bullinger: Das Interesse reicht<br />

lange zurück. Mich hat zunächst die<br />

Radikalität afrikanischer Skulpturen<br />

berührt. Hinzu kamen Filme und Fotografien,<br />

die ich in den achtziger Jahren<br />

gesehen habe. 1987 habe ich dann ein<br />

Jahr lang Kunst an der UCT in Kapstadt<br />

studiert. In der Malereiklasse waren<br />

Schwarze und Weiße zusammen. Die<br />

Apartheid in Südafrika ging ihrem Ende<br />

zu. Es war eine Zeit des Umbruchs und<br />

die Reisen in die Nachbarländer Südafrikas<br />

haben damals meinen Plan wachsen<br />

lassen, künftig an einer Aggregation<br />

von Bildnissen zu arbeiten. Ich<br />

fühle mich mit dem afrikanischen Kontinent<br />

und den Menschen dort verbunden<br />

– ich denke, das ist eine wichtige<br />

Voraussetzung für meine bildnerische<br />

Arbeit.<br />

Pepper: Was veranlasst dich in digitalen<br />

Zeiten analog und in schwarz/weiß<br />

zu arbeiten?<br />

62 <strong>brennpunkt</strong> 3/<strong>2013</strong>

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