brennpunkt 3-2013 .indd - edition buehrer
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Galerien<br />
Christian Reister: Beides.<br />
Pepper: Gibt es Situationen, Motive, in<br />
bzw. bei denen Du eine Technik bevorzugst?<br />
Was sind die jeweiligen Vorteile<br />
der einen Technik gegenüber der<br />
anderen, wenn man Street Photography<br />
betreibt?<br />
© Christian Reister, Berlin 2012<br />
sind alle mehr oder weniger spontan auf<br />
der Straße entstanden. Wobei die Straßenportraitserien<br />
jeweils in drei Tagen<br />
fertig waren, ALEX hat mich dann zwei<br />
Jahre beschäftigt.<br />
Pepper: Was hat Dich am Alexanderplatz<br />
gereizt?<br />
Christian Reister: Seit ich 1997 nach<br />
Berlin gekommen bin, bin ich meist<br />
mehrmals die Woche am Alex, meist<br />
einfach nur um von der einen Bahn<br />
in die andere umzusteigen, kurz eine<br />
Erledigung zu machen oder sonst wie<br />
durchzuhuschen. So wie es alle anderen<br />
in aller Regel auch machen. Bemerkenswert<br />
an diesem Platz ist ja, dass er<br />
allgemein als ziemlich hässlich und<br />
unwirtlich wahrgenommen wird. Städtebauliche<br />
Maßnahmen haben zumeist<br />
zur Folge, dass er danach noch unschöner,<br />
grauer und grauseliger daherkommt<br />
als vorher. Das sind so Phänomene, die<br />
mich staunen lassen. Wie kann das<br />
denn eigentlich sein, dass in der Mitte<br />
von Berlin-Mitte, die gerne für das trendigste<br />
und yuppihafteste gehalten wird,<br />
was die Haupststadt zu bieten hat, der<br />
größte und bekannteste Platz derart unelegant<br />
daherkommt? Mit allerhand Festivitäten<br />
wird immer mal wieder versucht,<br />
ein wenig Gemütlichkeit auf den Platz<br />
zu zaubern. Dann werden die immergleichen<br />
Buden notdürftig dem jeweiligen<br />
Anlass entsprechend umdekoriert –<br />
ob Oktoberfest oder Weihnachtsmarkt<br />
macht kaum Unterschied... Kurz: das ist<br />
dort alles irgendwie so uncharmant mit<br />
all seiner Antiästhetik, dass es bei mir<br />
ein gewisses »jetzt erst recht« hervorruft.<br />
Wer sind die Menschen da? Was<br />
machen die da? Und siehe da – ich habe<br />
mich dann auch immer mal wieder<br />
dabei ertappt, wie ich dort fröhlich zur<br />
Bulette mein Bier getrunken habe und<br />
durchaus auch mal zu dem ein oder<br />
anderen Schlager mitgesummt habe,<br />
der dort über die Betonplatten weht. Na<br />
also, geht doch.<br />
Pepper: Mir gefällt Dein Buch mit den<br />
Alex-Fotos ziemlich gut. Mit was für<br />
einer Kamera hast Du hier gearbeitet?<br />
Christian Reister: Mit einer recht unspektakulären<br />
Kompaktknipse. Neu für mich<br />
war damals die 24 mm Brennweite und<br />
die Bildproportion 16:9. Beides benutze<br />
ich sonst nicht und hat der Arbeit einen<br />
besonderen Stempel aufgedrückt.<br />
Pepper: Was benutzt Du denn sonst?<br />
Also, was für Kameras.<br />
Christian Reister: Kommt aufs Projekt<br />
an. Meist Kameras, die in die Jackentasche<br />
passen. 35 mm, nichts ungewöhnliches.<br />
Pepper: Analog, digital, oder beides?<br />
Christian Reister: Farbarbeiten digital,<br />
die neue Serie NACHT allerdings war<br />
von vornherein als schwarz/weiss und<br />
grobkörnig angedacht, da arbeite ich<br />
dann lieber mit Film als Digitalbilder<br />
umzuwandeln. Obwohl das natürlich<br />
auch ein völlig legitimes Mittel ist, ich<br />
bin da kein Dogmatiker. An der Arbeit<br />
mit Film schätze ich u. a. auch, dass<br />
man das Ergebnis nicht immer gleich<br />
sieht und ich lasse die Filme gerne lange<br />
liegen, bevor sie entwickelt werden.<br />
Das entschleunigt die Arbeitsweise und<br />
trennt die Bilder besser vom persönlich<br />
Erlebten zum Zeitpunkt der Aufnahme.<br />
Pepper: Was heißt, lange liegen lassen?<br />
Gleich mehrere Monate oder einfach<br />
nur ein paar Tage?<br />
Christian Reister: Ruhig ein paar<br />
Monate.<br />
Pepper: Wieso denkst Du, dass der<br />
noch vorhandene Eindruck des gerade<br />
erst Erlebten Dich in einer objektiven<br />
Beurteilung der gemachten Aufnahmen<br />
beeinflussen könnte? Als Seherfahrener<br />
Mensch kannst Du doch die Spreu<br />
vom Weizen trennen.<br />
Christian Reister: Naja, kühne Behauptung.<br />
Ich kenne keinen Fotografen, der<br />
bei der Beurteilung der eigenen Arbeit<br />
nicht seine Schwierigkeiten hat, das Bild<br />
von der erlebten Realität zu trennen. Das<br />
ganze Drumrum, die Geräusche, die<br />
Gerüche, die Atmosphäre eines Ortes,<br />
die eigene Verfassung etc. schwingen ja<br />
aus der Erinnerung mit, wenn ich mein<br />
eigenes Bild betrachte. Das Bild selbst<br />
klingt und riecht aber nicht. Hat noch<br />
nicht mal eine dritte Dimension. Das ist<br />
einfach nur ein flaches Oberflächenabbild,<br />
bei dem es ja auf ganz andere Kriterien<br />
ankommt als im »richtigen« Leben.<br />
Um das klarer sehen zu können, hilft<br />
es mir, die Bilder zeitlich getrennt vom<br />
Geschehen zu betrachten. Das habe ich<br />
<strong>brennpunkt</strong> 3/<strong>2013</strong><br />
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