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Galerien<br />

Christian Reister<br />

»BERLIN TRILOGIE«<br />

Berlin kann ganz still sein. Auch wenn<br />

alle so tun, als befinde sich die Stadt<br />

in einem ewigen Bedeutungsrausch aus<br />

Kreativität, Party und Umsturz, finden<br />

sich doch immer genug Nischen, in<br />

denen eigentlich gar nichts wichtiges<br />

passiert. In diesen Ecken stöbert Christian<br />

Reister die ganz normalen Menschen<br />

auf: Alte und Junge, Tagträumer und<br />

Nachtschwärmer, graue Mäuschen und<br />

affektierte Selbstdarsteller. Sie bewegen<br />

sich am Rande des Geschehens, tun oft<br />

nichts und verfangen sich doch immer<br />

wieder in Situationen von wunderbar<br />

abseitiger Skurrilität. So werden sie<br />

auf Reisters Fotos festgehalten, die<br />

unter ihrer oft humorvollen Oberfläche<br />

immer auch ein wenig Melancholie<br />

in sich tragen und einen besonderen,<br />

subjektiven Blick auf das Leben im<br />

heutigen Berlin werfen.<br />

Die Ausstellung »Berlin Trilogie« in<br />

der traditionsreichen Photogalerie im<br />

Café Aroma vereint Fotografien der<br />

Arbeiten ALEX (Berlin, Alexanderplatz<br />

2008-2010), NACHT (seit 2001, work<br />

in progress) und Straßenfotografie aus<br />

den letzten acht Jahren.<br />

Das Interview ist in seiner ursprünglichen<br />

und ungekürzten Fassung im Mai<br />

<strong>2013</strong> auf http://blog.pepperproject.de<br />

erschienen.<br />

Christian Reister im Gespräch mit<br />

Pepper.<br />

Pepper: Du hast Dich in Deiner Arbeit<br />

als Fotograf vor allem auf die Street<br />

Photography konzentriert. Wie hat sich<br />

das entwickelt?<br />

Christian Reister: Ich kam zur Fotografie<br />

in einer Zeit in der ich sehr stark in<br />

meinen Brotjob als Webdesigner eingebunden<br />

war. Ende der Neunziger war<br />

ich Ende zwanzig und saß quasi Tag und<br />

Nacht am Computer. Da haben sich als<br />

© Christian Reister, Berlin 2010, (Original in Farbe)<br />

analoge Gegenbewegung drei Dinge<br />

in mein Leben geschlichen: die Lust an<br />

langen Spaziergängen, vor allem auch<br />

nachts, häufiger eine Reise in irgendeine<br />

Stadt und die Fotografie als künstlerisches<br />

Ausdrucksmittel. Alles drei passt<br />

ja wunderbar zusammen. Mit der Zeit<br />

habe ich begonnen, mich ernsthafter<br />

mit Fotografie zu beschäftigen. Aus der<br />

spaßigen Freizeitbeschäftigung wurde<br />

Passion und da ich diese schon immer<br />

hauptsächlich auf der Straße betrieben<br />

habe, haben mich dann auch bald<br />

die Meister dieses Genres am meisten<br />

beeindruckt: Frank, Winogrand, Klein,<br />

Erwitt... all diese New Yorker Fotografen.<br />

Aber auch Martin Parr war für mich<br />

damals eine ganz große Entdeckung.<br />

Bis ich mich selbst an Menschen rangetraut<br />

habe, hat es einige Zeit gedauert<br />

und letztlich habe ich mir das auch<br />

alles nicht überlegt sondern habe in<br />

erster Linie immer einfach gemacht.<br />

Irgendwann wurde der Begriff »Street<br />

Photography« dann wieder populär und<br />

ich dachte, super, da kannste dich einreihen,<br />

da haste nen Label, das passt<br />

schon irgendwie, Erklärung ende. Auch<br />

wenn ich mich im Detail wenig für die<br />

Definition oder Abgrenzung zu anderen<br />

Genres interessiere und ich vieles,<br />

was unter »Street Photography« läuft,<br />

gähnend langweilig finde, glaube ich<br />

doch, dass in den ungestellten, spontan<br />

erfassten Momenten aus dem öffentlichen<br />

Leben einen gewisse Urkraft der<br />

Fotografie liegt, die mir so unendlich<br />

mehr gibt und über unsere Gesellschaft<br />

verrät, als die aufwändigsten Inszenierungen.<br />

Einfach weil nichts planbar ist<br />

und ich am Ende des Tages – wenn es gut<br />

läuft – ein Bild mit nach Hause nehme,<br />

das mir die Welt ein bisschen anders<br />

zeigt, als ich sie bisher gesehen habe.<br />

Pepper: Du hast in London und New<br />

York Einheimische fotografiert, aber<br />

eher im klassischen Portraitbereich, in<br />

Berlin hast Du Dich intensiv mit dem<br />

Treiben der Menschen auf dem Alexanderplatz<br />

beschäftigt. Sind es bestimmte<br />

Städte und dort bestimmte Orte, die<br />

Dich vor allem anziehen, oder hast Du<br />

Deine Kamera grundsätzlich bei Dir<br />

und benutzt sie auch tagtäglich; ist es<br />

also eher ein Zufall, dass durch Deine<br />

aktuellen Publikationen und Ausstellungen<br />

der Eindruck einer sehr gezielten<br />

Location-Suche entsteht?<br />

Christian Reister: Nun, es ist schon so,<br />

dass ich die Kamera immer dabei habe<br />

und laufend am »einsammeln« bin. Eine<br />

gezielte Locationsuche gibt es daher<br />

eher nicht. Die Projekte entstehen da,<br />

wo ich eben bin. Meistens ist das Berlin.<br />

New York und London sind Städte, die<br />

mir von mehreren Aufenthalten und<br />

wahrscheinlich auch von der Mentalität<br />

her recht vertraut sind. Die Grundlagen<br />

für die angesprochenen Arbeiten<br />

16 <strong>brennpunkt</strong> 3/<strong>2013</strong>

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